Wie machen wir Kitas zu guten Bildungsorten?


Fröbel-Geschäftsführer Stefan Spieker und Prof. Dr. Katharina Kluczniok, wissenschaftliche Vorständin der pädquis Stiftung, erklären, weshalb einheitliche Qualitätsstandards und die Evaluierung der pädagogischen Qualität dafür entscheidend sind. Mit einer Machbarkeitsstudie wollen Fröbel und pädquis Impulse für eine bundesweite Lösung setzen.

  • Seit vielen Jahren gibt es Bestrebungen, einheitliche Qualitätsstandards für die frühe Bildung zu etablieren. Was genau hat es damit auf sich?
Stefan Spieker: Seit knapp zwanzig Jahren kämpfen Akteure aus Kitas, Gewerkschaften, Trägern und Verbänden für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in der frühen Bildung, um Kitas zu guten Bildungsorten zu machen.

Zu diesen „Big Five“ der Forderungen gehören: eine angemessene Fachkraft-Kind-Relation, die grundsätzliche Freistellung der Leitung, ausreichende Ressourcen für die mittelbare pädagogische Arbeit, die Begleitung der Kitas durch Fachberatung und ein umfassendes Fort- und Weiterbildungsangebot der Fachkräfte.

Um gleichwertige Bildungschancen für Kinder in ganz Deutschland zu ermöglichen, sollten diese grundlegenden Rahmenbedingungen für Bildung und Erziehung bundesweit einem gemeinsamen Standard entsprechen und nicht zu stark voneinander abweichen.

Derzeit ist die Fachkraft-Kind-Relation in Frankfurt am Main noch doppelt so gut wie in Frankfurt an der Oder – und das muss sich ändern. Die fünf wesentlichen Faktoren für die Strukturqualität sollten vereinheitlicht oder zumindest einander angenähert werden.

  • Um zu wissen, wo man mit seiner Arbeit steht, sollte man sie einschätzen können. Die pädquis Stiftung untersucht bundesweit die Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen. Worin liegt ihr Hauptschwerpunkt?

Katharina Kluczniok: Pädquis untersucht seit vielen Jahren die pädagogische Qualität von Kitas und konzentriert sich dabei vor allem auf die Prozessqualität. Damit ist das konkrete pädagogische Geschehen, die Interaktionen zwischen Kindern und Fachkräften bzw. Kindern untereinander gemeint, aber auch die Atmosphäre in einer Kita-Gruppe.
Welche bildungsanregenden Aktivitäten sind in die alltäglichen Bildungsgelegenheiten eingebettet? Welche Spielsituationen bieten die Kitas?

Da die Prozessqualität nicht losgelöst von strukturellen Begebenheiten wie Fachkraft-Kind-Relation, Gruppengröße und Gruppenkomposition sowie den pädagogischen Einstellungen der Fachkräfte betrachtet werden kann, erfassen wir in unseren Evaluationen immer auch diese Qualitätsdimensionen.

Ziel ist es, einen möglichst umfassenden, datenbasierten Blick auf die Lernumgebung Kita zu werfen, der dann Ausgangspunkt für die konkrete Qualitätsentwicklung ist.

Grafik Qualität
  • Was haben die Träger davon bzw. wie nutzt Fröbel diese Daten?

Stefan Spieker: Oben habe ich die wesentlichen Faktoren benannt, die die Prozessqualität maßgeblich beeinflussen. Neben der Orientierungsqualität sprechen wir hier vom sogenannten Output der Arbeit von Kindertageseinrichtungen. Noch wichtiger als die Betrachtung gleicher Input-Faktoren erscheint uns die Betrachtung der Prozessqualität. Diese kann durch Evaluationsverfahren gemessen werden.

In fortschrittlichen Bildungssystemen wie zum Beispiel in Skandinavien, Großbritannien und Australien findet eine solche Betrachtung schon seit vielen Jahren statt. In Deutschland ist dies nur im Land Berlin verbindlich vorgesehen.

Die Betrachtung der Prozessqualität ist aber ein ganz wichtiger Schritt: er macht die hohe Qualität von Kita-Fachkräften sichtbar und hilft uns, im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprozesses kontinuierlich nachzusteuern.

Alle fünf Jahre nehmen wir die Qualität unserer Einrichtungen unter die Lupe – auf Basis der externen Evaluation, die für unsere Einrichtungen von pädquis durchgeführt wird. Anhand der Ergebnisse können Fortbildungen gestaltet, Abläufe verändert und gute Ergebnisse auch einmal gemeinsam gefeiert werden. Und wir können Eltern und der interessierten Öffentlichkeit eine Rückmeldung zur objektiven Qualität unserer Einrichtungen geben – was in Zeiten, in denen die Qualität des Gesamtsystems immer wieder in Frage gestellt wird, stetig an Bedeutung zunimmt.

  • Fröbel veröffentlicht nun sogar die Ergebnisse der externen Evaluation. Welchen Grund hat das?

Stefan Spieker: Vor dem Hintergrund des aktuell branchenübergreifenden Fachkräftemangels fällt es sehr schwer, eine generelle Ausweitung des Personalschlüssels umzusetzen. Umso wichtiger ist gerade jetzt die Betrachtung der Ergebnisqualität unserer Kindertageseinrichtungen. Den Schritt, den wir bei Fröbel gegangen sind, sollten alle Träger und Einrichtungen gehen: mit ihrer Qualität transparent umzugehen.
Das stärkt das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, stellt letztlich das Kind in den Mittelpunkt und versachlicht die Diskussion über die weitere Entwicklung der Kitas als Bildungsinstitutionen.

  • Gemeinsam mit der pädquis Stiftung hat Fröbel die sogenannte Machbarkeitsstudie auf den Weg gebracht. Wieso Machbarkeitsstudie?
Stefan Spieker: Es herrscht Einigkeit darüber, welch große Bedeutung die frühe Bildung für den langfristigen Bildungserfolg von Kindern hat und damit für mehr Bildungsgerechtigkeit sorgt. Insbesondere die Prozessqualität in Kindertageseinrichtungen spielt hierbei eine entscheidende Rolle.

Eine Machbarkeitsstudie ist daher notwendig, um ein fundiertes Verständnis für die Umsetzbarkeit eines bundesweiten Qualitätsmonitorings zu gewinnen. Die Studie, die von Juli 2023 bis April 2024 durchgeführt wurde, zielt darauf ab, die Voraussetzungen und möglichen Hindernisse für ein solches Monitoringsystem zu identifizieren. Dabei sollen auch Antworten auf die Frage gefunden werden, wie die pädagogische Qualität im frühkindlichen Bildungsbereich regelmäßig bewertet werden kann und welche Auswirkungen dies auf die Grundschulphase haben könnte. Das Monitoring berücksichtigt verschiedene Qualitätsdimensionen wie Prozess-, Struktur- und Orientierungsqualität sowie den Familienbezug.

Experteninterviews beziehen die Perspektiven verschiedener Akteursgruppen ein – einschließlich der Praxisperspektive. Darüber hinaus werden nationale Qualitätsdaten genutzt, die beispielsweise vom Fröbel e. V. gesammelt wurden, um den aktuellen Stand der pädagogischen Qualität in Deutschland zu erfassen. Die Studie orientiert sich zudem an internationalen Best Practices, um Erkenntnisse für die deutsche Situation zu gewinnen.

Katharina Kluczniok: In Deutschland gibt es über einzelne (teilweise regionale Outcomes oder trägergebundene) Ansätze keine übergreifende Maßnahme, um Steuerungswissen für Bund, Länder, Kommunen und Träger auf der Ebene der Prozessqualität zu generieren. Ein regelmäßiges Monitoring der Prozessqualität könnte diese Lücke schließen.

Fröbel und pädquis haben sich daher in einem ersten Schritt auf den Weg gemacht, die Machbarkeit eines solchen bundesweiten Monitorings mit Schwerpunkt Prozessqualität systematisch zu eruieren, d. h. Wege aufzuzeigen, wie sich ein solches Monitoring in Deutschland etablieren ließe. Dazu beschreibt die Machbarkeitsstudie anhand einer umfangreichen quantitativen und qualitativen Datenlage Gelingensbedingungen und Hemmnisse für die konkrete Umsetzung und prüft zudem Best Cases aus dem Ausland als mögliche Vorbilder für ein nationales Qualitätsmonitoring in Deutschland. Ziel ist es, die Diskussion bei allen Akteuren im Feld darüber anzustoßen und so dazu beizutragen, diese Lücke perspektivisch zu schließen.

  • Weshalb ist aus Ihrer Sicht die Prozessqualität so wichtig?
Katharina Kluczniok: Wir wissen aus nationalen wie internationalen Studien mittlerweile sehr gut, dass vor allem die Prozessqualität positive Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung haben kann, wenn sie entsprechend hoch ausgeprägt ist. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass Kinder, die eine vergleichsweise gute Kita besucht haben, in ihrem Wortschatz oder aber in ihren sozialen Kompetenzen davon profitieren. Gleichzeitig kann eine gute Prozessqualität die Fachkräfte in der derzeit sehr angespannten Situation in den Einrichtungen stärken. Es ist ein Trugschluss, aus den aktuellen Problemen der Fachkräftegewinnung abzuleiten, dass gute Qualität nicht möglich ist. Vielmehr ist es notwendig zu verstehen, dass gute Qualität auch mit höheren Selbstwirksamkeitserfahrungen und einer höheren Arbeitszufriedenheit der Fachkräfte einhergeht und und damit langfristig die Fachkräftebindung fördert.

  • Welche weiteren Qualitätsdimensionen nimmt Fröbel in den Blick?
Stefan Spieker: Mit der Diskussion über eine möglichst frühe Förderung der sogenannten Basiskompetenzen (sprachliche, mathematische und sozial-emotionale Kompetenzen) kommt eine weitere Dimension ins Spiel: der Blick auf die ganz konkrete Kompetenzentwicklung beim Kind. Die Instrumente dafür nutzen wir im Bereich der sprachlichen Bildung bereits sehr intensiv über die Sprachstandserhebungen. Damit nehmen wir den sogenannten „Outcome“ in den Blick – mit dem Ziel, dass wir die Kompetenzentwicklung im Bereich der Basiskompetenzen so gut abschließen können, dass eine Teilhabe an den folgenden Bildungsabschnitten möglich ist. Hier liegen viele Herausforderungen, aber vor dem Hintergrund unserer immer diverseren Gesellschaft auch ein großer Hebel, um alle Kinder so früh wie möglich gut zu fördern.


Lese-Tipp:
Auf dem Weg zu einem bundesweiten KiTa-Qualitätsmonitoring?


Übernahme des Interviews mit freundlicher Genehmigung aus
Kind-gerecht. Fröbel-Magazin für frühkindliche Bildung, 1-2024, S. 4-7