Die Entwicklung des Bildungswesens war in den vergangenen zwei Jahren maßgeblich von der Corona-Pandemie geprägt. Das wird auch im jetzt veröffentlichten 9. nationalen Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2022" deutlich. Unter anderem wurden die digitalen Bildungsangebote enorm ausgebaut, ohne den Wegfall von Präsenzformaten überall ersetzen zu können. Zugleich ergaben sich große Zusatzbelastungen für Familien, Lernende und die pädagogischen Fachkräfte. Das Bildungspersonal steht auch im Mittelpunkt des Schwerpunktkapitels des Berichts. Wichtige Befunde: Der Bedarf an Qualifizierung steigt, und vor allem im Kita- und Schulbereich fehlt Personal.

Zentrale Ergebnisse des Nationalen Bildungsberichts für den Bereich der Frühen Bildung sind folgende:


Ausbau der Kindertagesbetreuung hat sich weiter fortgesetzt
Mit Beginn des Kindertagesbetreuungsausbaus für unter 3-Jährige sind zwischen 2006 und 2021 rund 9 400 zusätzliche Kitas entstanden. Gleichzeitig ist in diesem Zeitraum bis heute rund jeder 5 Kita-Platz neu hinzugekommen. Insgesamt wurde der Platzausbau in den Ländern in den letzten 15 Jahren unterschiedlich stark vorangetrieben. Der weit überwiegende Teil von rund 610 000 zusätzlichen Plätzen wurde in Westdeutschland geschaffen, da hier die Kindertagesbetreuung weniger stark ausgebaut war und besonders viele Plätze fehlten.

Anzahl der unter 3-Jährigen in Kindertagesbetreuung steigt bei zuletzt eher konstant bleibender Bildungsbeteiligungsquote
Im letzten Jahrzehnt kam es zu einem Bevölkerungszuwachs von + 16 % bei den unter 3-Jährigen. Insgesamt ist die Bildungsbeteiligungsquote dieser Altersgruppe mit rund 34 % im Jahr 2021 seit 2015 ziemlich konstant. Aufgrund des starken Bevölkerungsanstiegs in dieser Altersgruppe besuchten 2021 jedoch knapp 300 000 unter 3-Jährige mehr eine Kita oder Tagespflegestelle als 10 Jahre zuvor.

Anzahl der Kinder je Tagespflegeperson erhöht sich weiter
Die Anzahl der Kinder, die eine Tagespflegeperson durchschnittlich betreut, hat sich in den letzten Jahren sukzessive erhöht. 2021 betreute eine Tagespflegeperson im Durchschnitt 3,9 Kinder und damit rund 1 Kind mehr als noch vor 10 Jahren, im Vergleich zu 2006 sogar knapp 2 Kinder mehr. Während die Anzahl der Kinder – außer in der Pandemie zwischen 2020 und 2021 – über ein Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen ist, zeigen sich bei den Tagespflegepersonen in diesem Zeitraum keine deutlichen Veränderungen. Seit 2011 schwankt die Anzahl zwischen rund 43 000 und 45 000 Tagespflegepersonen, jedoch ist sie zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie zwischen 2020 und 2021 so deutlich wie nie zuvor zurückgegangen.

Personalschlüssel bleiben auf etwa konstantem Niveau und sind in Westdeutschland weiterhin deutlich besser als in Ostdeutschland
In Gruppen für unter 3-Jährige lag der Personalschlüssel 2020 bei 1 : 3,8 und weist damit eine leichte Verbesserung zum Vorjahreswert von 1 : 3,9 auf. Bei den Altersgruppenzwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt verhält es sich mit einem Personalschlüssel von 1 : 8,1 im Jahr 2020 und von 1 : 8,2 im Jahr 2019 ähnlich. Während in Westdeutschland auf eine Vollzeitkraft in einer Gruppe für unter 3-Jährige 2020 rechnerisch etwa 3,3 Kinder mit einem ganztägigen Kita-Platz kamen, waren es in Ostdeutschland immerhin 5,2 Kinder. Auch in den Altersgruppen zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt zeigt sich eine deutliche Differenz im Personalschlüssel von 1 : 7,6 in Westdeutschland und 1 : 10,2 in Ostdeutschland.

Der Elternbedarf für Kinder unter 3 Jahren kann bis 2025 voraussichtlich nicht gedeckt werden
2021 lag der Elternbedarf mit 47 % über der Beteiligungsquote unter 3-Jähriger von 34 % Bei gleichbleibender Ausbaugeschwindigkeit wird damit voraussichtlich bis 2025 nicht allen unter 3-Jährigen ein adäquates Bildungsangebot zur Verfügung gestellt werden können. Insgesamt liegt die Differenz zwischen der Bildungsbeteiligungsquote und dem Bedarf 2021 in Westdeutschland mit 13 Prozentpunkten (Bildungsbeteiligungsquote: 31 %; Bedarf: 44 %) deutlich höher als in Ostdeutschland mit 8 Prozentpunkten (Bildungsbeteiligungsquote: 52 %; Bedarf: 60 %).

Kinder von Eltern mit höheren Bildungsabschlüssen nehmen Angebote der Kindertagesbetreuung häufiger in Anspruch
Die Bildungsbeteiligungsquote liegt bei unter 3-jährigen Kindern von Eltern mit einem Hochschulabschluss o Ä (ISCED 5–8) (38 %) am höchsten. Im Unterschied dazu besuchten 2020 29 % der unter 3-Jährigen, deren Eltern über eine (Fach-)Hochschulreife, Berufsausbildung o Ä (ISCED 3–4) verfügen, Angebote der Kindertagesbetreuung und 18 % der unter 3-Jährigen, deren Eltern keinen, einen Ersten oder Mittleren Schulabschluss besitzen (ISCED 1–2). Bei den 3- bis unter 6-Jährigen zeigt sich zwar ein leicht geringerer, aber ebenfalls gravierender Unterschied in der Bildungsbeteiligungsquote je nach höchstem Bildungsabschluss der Eltern.

Kaum Erkenntnisse zur Umsetzung der Bildungspläne im Kita-Alltag
Die Bildungspläne der Länder sind inhaltlich breit aufgestellt und in Teilen stark ausdifferenziert. Unterrichtsnahe Themen wie sprachliche, mathematische und naturwissenschaftliche Bildung sind in allen Bildungsplänen fester Bestandteil. Mit Blick auf die Umsetzung der Bildungspläne im pädagogischen Alltag fehlt es jedoch an an entsprechenden thematisch übergreifenden Evaluationen.

Frühe Bildungsimpulse während der Pandemie stärker als zuvor von familialer Anregungsqualität abhängig
Während des pandemiebedingt eingeschränkten Kita-Betriebs entfielen für viele Kinder wesentliche Teile an Bildungsimpulsen und spezifischen Förderungen in der Kita sowie die Anregungsqualität durch Gleichaltrige. Es ist davon auszugehen, dass sich durch den teilweisen Wegfall der Kita-Förderung die Bildungsungleichheit bereits in der frühen Kindheit verstärkt. Zusätzlich haben sich zwischen den Jahren 2019 und 2021 auch die Unterschiede in der frühen Förderung in Familien vergrößert. Zwar kam es bei allen Mutter-Kind-Aktivitäten in diesem Zeitraum zu einer durchschnittlichen Zunahme aller Aktivitäten, die Mütter mit ihren Kindern ausübten, jedoch war die Ausübung von expliziten Bildungsaktivitäten wie Vorlesen noch stärker als bislang vom elterlichen Bildungsstand abhängig. So wurde auch Kindern von Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss 2021 mit 19 Tagen im Monat deutlich seltener vorgelesen als Kindern von höher gebildeten Eltern mit 26 Tagen pro Monat.

Heutzutage spricht jedes 5. Kita-Kind zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt zu Hause überwiegend eine nichtdeutsche Familiensprache
Auf der kleinräumigen Ebene der einzelnen Kitas zeigt sich, dass im Jahr 2021 11 % der Kita-Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt eine Tageseinrichtung besuchten, die von 75 % und mehr Kindern mit einer nichtdeutschen Familiensprache frequentiert wurde. Um den damit einhergehenden Anforderungen Rechnung zu tragen, wird häufig in Kita-Gruppen mit einem höheren Anteil an Kindern mit vorrangig nichtdeutscher Familiensprache zusätzliches Personal eingesetzt. Insbesondere für diese Kinder stellen die pandemiebedingten Kita-Schließungen eine große Herausforderung dar. Vorpandemische Daten belegen zudem unterschiedliche Sprachniveaus von Kindern, je nach elterlichem Bildungsstand. Dabei weist das Niveau des rezeptiven Wortschatzes nicht nur im Alter von 3 Jahren, sondern auch noch zu Beginn der Grundschulzeit ein deutliches Gefälle nach höchstem Bildungsabschluss der Eltern auf.


Download Nationaler Bildungsbericht