Das Büdnis für Kinder und Familien in Niedersachsen e.v. hat anlässlich der im Herbst bevorstehenden Landtagswahlen an die Politik einen Brief mit einer Bestandsaufnahme und mit "Wahlprüfsteinen" für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in den KiTas versandt. Die Antworten sollen dann auf der Homepage des Bündnisses veröffentlicht werden. Hier ist der Brief im Wortlaut:


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Mitglieder des Bündnisses für Kinder und Familien in Niedersachsen e.V. blicken sehr aufmerksam auf die Entwicklungen der nächsten Monate. Welche Ziele werden die einzelnen Parteien in ihren Wahlprogrammen für den Kita-Bereich entwickeln?


Im Jahr 2023 – also in der kommenden Legislaturperiode – wird die von uns federführend verantwortete und sehr erfolgreich abgeschlossene „Volksinitiative für bessere Rahmenbedingungen in den niedersächsischen Kindertagesstätten“ ihr 10-jähriges Jubiläum feiern.

Ein guter Anlass für eine öffentliche Bestandsaufnahme:
Wie hat sich der Fachkraft-Kind-Schlüssel in Niedersachsen weiterentwickelt? Welche Perspektiven werden aufgezeigt?

Festzustellen ist zunächst, dass die Novellierung des nds. Kita-Gesetzes die Erwartungen der Kita-Basis leider nicht erfüllen konnte: Das NKitaG bleibt noch immer hinter den wissenschaftlichen Empfehlungen zum Fachkraft-Kind-Schlüssel zurück und vernachlässigt auch das Zukunftsthema Inklusion weitestgehend. Eine halbe Kraft in Kindergartengruppen ab 2027 entspricht bei weitem nicht dem erforderlichen Fachkraftstandard, um Qualität in der Arbeit dauerhaft sicherzustellen. Die Fortschreibung des Stufenplans zur Einführung einer dritten Kraft in Kindergartengruppen (siehe Drucksache 18/9485) bleibt zeitlich und inhaltlich vage. Als Kita-Qualitäts-Bündnis können wir diese Unsicherheiten nicht akzeptieren und fühlen uns den weit mehr als 100.000 Unterzeichnenden der Volksinitiative verpflichtet, auf weitere Verbesserungen zu drängen.


Dass der Fachkräftemangel in die Überlegungen hineinspielt, ist uns sehr wohl bewusst. Wir möchten in diesem Zusammenhang allerdings darauf hinweisen, dass die Kita-Praxis bereits seit mehreren Jahren vehement auf diese Problematik hinweist. Politik und Verwaltung haben hier zu lange auf Zahlen und falsche Prognosen verwiesen und damit wichtige Zeit verstreichen lassen. Die Kita-Qualität und damit die Kinder dürfen nicht zu den Leidtragenden politischer Versäumnisse werden.
Ihre Partei hat hierzu sicher gute Ideen! Wir bitten Sie daher freundlichst, uns die folgenden Fragen bis zum 31. März 2022 zu beantworten (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Anschließend möchten wir unsere Fragen und die Antworten möglichst aller im Landtag vertretenen Fraktionen auf der Webseite des Bündnisses für Kinder und Familien in Niedersachsen e.V. sowie in den sozialen Netzwerken veröffentlichen.

Unsere Fragen an Sie:

1. Fachkraft-Kind-Schlüssel/Kita-Qualität

Wie eingangs erwähnt, bleibt der Fachkraft-Kind-Schlüssel in niedersächsischen Kitas auch mit dem neuen NKiTaG hinter allen fachlichen Empfehlungen und politischen Forderungen zurück.
  • Welche Maßnahmen sieht Ihre Partei vor, um zeitnah und flächendeckend in niedersächsischen Kitas die Qualität der Arbeit mit einer durchgängig eingesetzten dritten Fachkraft (im Kindergarten) abzusichern?
  • Wie bewerten Sie die wissenschaftliche Erkenntnis, dass gute Rahmenbedingungen (Fachkraft-Kind-Schlüssel) in Kitas dazu führen, dass Fachkräfte dauerhaft in ihrem Tätigkeitsfeld verbleiben, und was folgern Sie daraus?

2. Ausbildung / Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel behindert die verlässliche Arbeit in den Kitas. Im Entschließungsantrag „Kita-Qualitätsoffensive“ vom Juni 2021 (Drs. 18/9485) werden eine Reihe von wichtigen Maßnahmen formuliert.
Wann und wie wird Ihre Partei diese Maßnahmen realisieren?
  • Wie beabsichtigen Sie Kitas in die Lage zu versetzen, die zunehmende Anzahl an Auszubildenden
  • in der Praxis angemessen auszubilden? Wie soll die im Entschließungsantrag angekündigte Praxisanleitung (Praxismentoring) realisiert werden?
Das NKiTaG unterscheidet die Aufgabenbereiche von sozialpädagogischen Fachkräften im Vergleich zu sozialpädagogischen Assistenzkräften. Welche Anreize werden Sie setzen, um sozialpädagogische Assistenzkräfte zur Weiterbildung zur Erzieher:in zu motivieren?

3. Inklusion / Rechtsanspruch auf einen integrativen Kitaplatz

Niedersachsen hat im Bundesvergleich den mit Abstand höchsten Anteil an Kindern mit Behinderung, die einen heilpädagogischen Kindergarten statt eines integrativ arbeitenden Regelkindergartens besuchen. Auch im neuen NKiTaG wird für Kinder mit festgestelltem Förderbedarf lediglich ein Anspruch auf einen heilpädagogischen Platz formuliert – ein Rechtanspruch auf einen wohnortnahen und bedarfsgerechten Integrationsplatz besteht für sie nach wie vor nicht.
  • Wie beabsichtigt Ihre Partei, hier nachzubessern und die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) zu erfüllen?

Für Ihre Bemühungen im Voraus herzlichen Dank!

Mit freundlichen Grüßen
Martina Ernst
(im Auftrag des Vorstands)