die gute kita handlungsempfehlungen fuer die fruehpaedagogik 978 3 451 39826 1 84772Angesichts der intensiv und kontrovers geführten Debatte um Fachkräftemangel, „KiTa-Krise“ oder gar „KiTa-Kollaps“ sowie entsprechender Gegenmaßnahmen ist das Thema der Qualitätsentwicklung aktuell bedenklich in den Hintergrund geraten. Dem sind die prominenten Autor*innen Ilse Wehrmann, Franziska Martinet, Gabriele Haug-Schnabel und Joachim Bensel nun mit dem Buch „Die gute Kita“ begegnet und legen konkrete Handlungsempfehlungen für die Qualitätsentwicklung vor.

Gemeinsame Verantwortung

In der Einleitung konstatieren sie, dass für diese Qualitätsentwicklung alle Beteiligten die Verantwortung tragen – von der Politik über die Träger und die Fachberatung bis zu den KiTa-Leiter*innen und Fachkräften. Ziel müsse es sein, in der Frühpädagogik Bedingungen zu schaffen, „die allen Kindern gute Bildungs- und Entwicklungschancen bieten, indem wir ihre Individualität und die Bedeutung des selbstwirksamen Lernens achten“.
Unmissverständlich machen die Autor*innen dabei klar, dass eine gute Qualität im deutschen Bildungssystem nicht ohne gesetzlich vorgeschriebene Qualitätssicherungsverfahren gewährleistet werden kann.

Das gut 200 Seiten umfassende Buch teilt sich in drei Teile auf: Zunächst wird der Fokus auf eine gute Strukturqualität, dann auf eine gute Prozessqualität und schließlich auf die Frage gerichtet, wie Qualität gemessen und extern evaluiert werden kann.

Anforderungen und Personalschlüssel passen nicht mehr zusammen

Im ersten Teil beleuchten die Autor*innen die klassischen Bereiche der Strukturqualität wie Raumgröße und -gestaltung, die Gruppengröße oder den Personalschlüssel. Beim Personalschlüssel kritisieren sie, dass die aktuellen Personalressourcen in den KiTas nicht mehr Schritt halten können „mit den gestiegenen Anforderungen an die pädagogischen Fachkräfte und Institutionen“. Sie schlagen daher für Kinder zwischen 1-3 Jahren einen Schlüssel von 1:3 und bei Kindern von 3-6 Jahren einen von 1:7,5 vor. Zudem müssten 25 Prozent der Arbeitszeit für die mittelbare pädagogische Arbeit zur Verfügung stehen und Ausfallzeiten aufgrund von Krankheit, Urlaub oder Fortbildung berücksichtigt werden.

Mehrwert von multiprofessionellen Teams

In diesem Kontext gehen die Autor*innen auch näher auf den Mehrwert von multiprofessionellen Teams ein: „Kinder profitieren von multiprofessionellen Teams, weil sie für die ganzheitliche Entwicklung unterschiedliche Kompetenzen brauchen. Und die Teammitglieder profitieren in ihrer Einrichtung aufgrund von Arbeitserleichterung, Wissenszuwachs und gestiegener Professionalität“. Voraussetzung sei hier allerdings eine gemeinsame pädagogische Grundhaltung und ein „Kernteam aus gut ausgebildeten pädagogischen Fachkräften“. Unterstrichen wird für eine gute Strukturqualität aber auch die Rolle des Trägers und der Fachberatung, die „eine Schlüsselfunktion für die Qualitätsentwicklung und -sicherung“ in KiTas habe.

Achtsame und bedürfnisorientierte Begleitung der Kinder

Im zweiten Teil zur Prozessqualität bildet die „achtsame und bedürfnisorientierte Begleitung der Kinder“ und eine entsprechende inklusive Beziehungs- und Interaktionsgestaltung den roten Faden. Es geht den Autor*innen dabei um eine „grundsätzliche Akzeptanz jedes Kindes – auch in schwierigen Situationen und Entwicklungsphasen“. Als zentrale Werte für pädagogische Fachkräfte werden hier u.a. „Dialog“, „Respekt“, „Mitgefühl“ und die Beachtung von „Gleichwürdigkeit“, „Mitbestimmung“ und „Selbstbestimmung“ angeführt. Eng damit verbunden wird der Kinderschutz sowie auch insbesondere ein diversitätsbewusster und diskriminierungssensibler Umgang mit der kulturellen, sozialen und individuellen Vielfalt in den KiTas.

Wie soll Qualität überprüft werden?

Im Hinblick auf die Qualitätsmessung und Evaluation kritisieren die Autor*innen im dritten Teil des Buches, dass herkömmliche Qualitätsmanagementsysteme die für eine „Gute Kita“ zentrale Prozessqualität nicht systematisch erfassen. Bei der viel diskutierten Frage, ob eine interne oder eine externe Evaluation am sinnvollsten ist, plädieren sie nach sorgsamer Abwägung zu zweitem, denn: „Die geeignetste Methode, um Einrichtungsqualität objektiv einzuschätzen, blinde Flecken wahrzunehmen und Impulse zur Qualitätssteigerung auszulösen, ist die externe Evaluation“. In der Folge stellen sie als ein Instrument auch das „PromiK“-Verfahren vor, dass von Ilse Wehrmann mitentwickelt wurde und eine „ressourcenorientierte Aussage über den Ist-Stand“ in den KiTas erlaube.

„Die gute Kita“ bietet insbesondere KiTa-Leitungen, Fachberatungen und Trägern einen kompakten Überblick über zentrale Merkmale einer guten Struktur- und Prozessqualität und stellt dabei das Kind und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt. In seiner Konkretisierung kann das Buch dabei als guter Kompass für die je nach Ausgangslage und Kontext ganz verschieden geartete individuelle Qualitätsentwicklung in KiTas dienen.

  • Ilse Wehrmann, Franziska Martinet, Gabriele Haug-Schnabel: Die gute Kita. Handlungsempfehlungen für die Frühpädagogik. Herder, 208 S., 22 Euro



Karsten Herrmann