„Wie geht es weiter mit dem „Gute KiTa-Gesetz?“ Diese Frage stand im Fokus der digitalen Frühjahrstagung der BAG-BEK und die Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Tina Friederich freute sich über die mit über 170 Teilnehmer*innen aus allen Ebenen der frühkindlichen Bildung „tolle Resonanz“. Sie unterstrich, dass es „jetzt an der Zeit ist konkret nach den Zukunftsplanungen zu fragen“, aber auch gleichzeitig noch einmal den Blick zurückzuwerfen sowie eine erste Zwischenbilanz des „Gute KiTa-Gesetzes“ zu ziehen.

Ein Blick zurück und voraus

Zum Auftakt ließ so auch Niels Espenhorst vom Paritätischen Gesamtverband die Entwicklung des „Gute KiTa Gesetzes“ noch einmal Revue passieren. Ihm ging es dabei vor allem darum, die „Entwicklung des Qualitätsbegriffs“ nachzuzeichnen, die 2014 mit der Definition von neun Handlungsfeldern der Qualitätsentwicklung ihren Auftakt nahm. Er kritisierte dabei eine „Reduktion der Komplexität von Qualität“ in den Diskussionen und eine „eindimensionale Beschränkung auf den Input-Output“. Niels Espenhorst unterstrich, dass zunächst einmal die „Qualität der Beziehung“ zwischen Fachkraft und Kind, aber auch zwischen Fachkraft und Eltern entscheidend sei. Diese hänge auch nicht direkt mit dem Fachkraft-Kind-Schlüssel zusammen. Er plädierte an dieser Stelle auch dafür die „Qualität aus Kindersicht“ verstärkt zu berücksichtigen und zitierte Prof. Dr. Iris Nentwig-Gesemann: „Im Sinne einer Qualitätsentwicklung der pädagogischen Vielfalt […] ist eine dezidierte Orientierung von Kita Teams an dem erforderlich, was aus der Perspektive der jeweils betreuten Kinder (und auch der Familien) ‚gute‘ Qualität ist […].“

Die weitere Entwicklung des „Gute KiTa-Gesetzes“ stellte Niels Espenhorst dann als eine Enttäuschung insbesondere darüber dar, dass die vorgesehenen Mittel von 5 Milliarden mehr als halbiert, nicht dauerhaft abgesichert und dann auch noch zu einem Drittel für die Beitragsfreiheit zweckentfremdet worden seien. Nichtsdestotrotz seien mit den Geldern aus dem „Gute KiTa-Gesetz“ Qualitätsverbesserungen angeschoben worden und für die Zukunft markierte er eine noch stärkere Beteiligung des Bundes an der frühkindlichen Bildung als „unerlässlich“.
Aktuell ging Niels Espenhorst noch auf „Corona als Game Changer“ ein: Corona habe die soziale Ungleichheit massiv verstärkt und „alle Bildungsaufträge verdrängt“. „Wenn man jetzt nichts tut, droht eine verlorene Generation Corona“, warnte er und forderte „massive Sofortprogramme des Bundes“ gegen die Corona-Folgen ein.

Herausfordernde Evaluation

In einem zweiten Vortrag stellten Prof. Dr. Maike Rönnau-Böse und Prof. Dr. Klaus Fröhlich Gildhoff von der Evangelischen Hochschule Freiburg die von ihnen zusammen mit Prof. Dr. Yvonne Anders von der Universität Bamberg durchgeführte Wirkungs-Evaluation des „Gute KiTa-Gesetzes“ vor. Sie bildet neben einem umfassenden Monitoring und einer Evaluation der Umsetzungsprozesse den dritten Baustein der wissenschaftlichen Begleitung. Zentral in den Blick genommen werden mit der Evaluation die Veränderungen der Qualität in der Kindertagesbetreuung über den Förderzeitraum hinweg sowie mögliche Zusammenhänge zwischen der Förderung und den möglichen Veränderungen. Untersucht wird also, wie Klaus Fröhlich-Gildhoff ausführte „eine intendierte Wirkungskette“ in den länderspezifischen Interventionen entlang der zehn vorgegebenen Handlungsfelder. Er räumte dabei ein, dass es hier „eine Vielzahl von Wirkvariablen gibt, die nur schwer isoliert betrachtet werden können“ und dass „ein Riesenwust an Daten“ in den Blick zu nehmen sei.

Maike Rönnau-Böse stellte das grundsätzliche Untersuchungsdesign mit drei unterschiedlichen Bausteinen vor: die Re-Analyse qualitativer Daten, zwei Regionale Expert*innen-Workshops pro Bundesland mit 30-40 Teilnehmer*innen aus der mittleren Ebene des Feldes sowie vertiefende Fallstudien aus 16 Kita- und 6 KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. -Systemen. Diese würden dann entlang der vier Wirkungsziele des „Gute KiTa-Gesetzes“, nämlich „Weiterentwicklung der Qualität“, „Verbesserung der Teilhabe“, „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ sowie „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ausgewertet.

Aufgrund der Verzögerungen durch Corona konnten, wie Klaus Fröhlich-Gildhoff weiter ausführte, im Rahmen der Evaluation bisher nur „Wirkungs-Hypothesen“ aufgestellt werden, die nun bis 2022 überprüft werden sollen. In der anschließenden Diskussion wurde vor allen Dingen das „komplexe Forschungsdesign“ der Evaluationsstudie gewürdigt, zugleich aber auch kritisch gefragt, wie eine Abgrenzung zu anderen Ländermaßnahmen oder Bundesprogrammen wie Sprach-KiTas tatsächlich möglich sei und ob durch Corona nicht erhebliche Verzerrungen zustande kommen würden.

Podium01
In der Folge stand eine von BAG-BEK-Vorstand Prof. Dr. Rahel Dreyer moderierte Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Politik, Ländern und Trägern auf dem Programm der Tagung. Einleitend resümierte BAG-BEK-Vorstand Prof. Dr. Petra Strehmel noch einmal den Prozess des „Gute KiTa-Gesetzes“, der durch ein „zähes Ringen um Konsens“, das „Ausspielen von Qualität gegen Teilhabe“ und eine „große Skepsis im Hinblick auf Wirkung und Nachhaltigkeit“ gekennzeichnet gewesen sei.

Als bildungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion stellte Sönke Rix noch einmal den ursprünglichen Plan eines „für alle Länder verbindlichen Qualitätsentwicklungsgesetzes des Bundes“ dar, der sich im Laufe der Diskussion mit den Ländern dann stark verändert habe. Im Hinblick auf die Zukunft verwies er auf ein Grundsatzbeschluss des Bundeskabinetts zur Fortführung der Förderung, räumte aber ein, dass sich dieser noch nicht in den Haushaltsplanungen für 2023 widerspiegele und in der Höhe erst von der neuen Bundesregierung beschlossen werden müsse. Er sprach sich allerdings klar für eine weitere Förderung „mindestens in gleicher Höhe wie bisher“ aus und machte sich zugleich für eine zusätzliche „Corona-Sofortmaßnahme für Kinder und Jugendliche“ stark.

Matthias Seestern-Pauli von der FDP würdigte zunächst einmal, dass der Bund mit dem „Gute KiTa-Gesetz“ „Verantwortung auch für die Bildung der Kleinsten übernimmt“. Der Kabinettsbeschluss für die Weiterförderung sei allerdings „nur eine Absichtserklärung“ und biete „keine Planungssicherheit“. Er unterstrich, dass Corona gerade gezeigt habe, dass das System KiTa „auf Kante genäht ist“ und dass dringend weitere Qualitätsverbesserungen notwendig seien. Er wies auch darauf hin, dass die in das „Gute KiTa-Gesetz“ aufgenommene Beitragsfreiheit nur „auf Druck der Länder“ zustande gekommen sei.

"Außerordentlicher und wichtiger Prozess"

Übereinstimmend betonten die Ländervertreter*innen Xenia Roth (Rheinland-Pfalz) und Dr. Dirk Bange (Hamburg), dass das Zustandekommen des „Gute KiTa-Gesetzes“ ein „außerordentlicher“ und „wichtiger“ Prozess gewesen sei, der unbedingt fortgesetzt werden solle, „denn gemeinsam haben Bund und Länder etwas Gutes hinbekommen“. Xenia Roth verteidigte auch das große Spektrum der zehn Handlungsfelder und sprach sich gegen eine Fokussierung der Länder auf einzelne davon aus. Dirk Bange konnte sich allerdings vorstellen, in Zukunft stärker die „Fachberatung und die Trägerverantwortung“ in den Blick zu nehmen. Beide waren sich aber einig, dass die Länder auch bei ausbleibenden Bundesmitteln nicht mehr aus den begonnenen Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung wie z.B. einer besseren Personalausstattung herauskommen.

Klaus Fröhlich-Gildhoff unterstrich, dass die Handlungsfelder das „Spektrum der Qualitätsentwicklung widerspiegeln“ und dass eine Auswahl aufgrund der ganz unterschiedlichen Ausganslagen in den Ländern richtig sei. Er brachte aber auch eine stärkere Fokussierung pro Land in die Diskussion. Unstrittig sei für ihn aber aus Sicht der Wissenschaft, dass das Gesetz fortgeführt werden müsse.

Niels Espenhorst kritisierte als Träger-Vertreter, dass Länder teilweise „fernab vom wissenschaftlichen Konsens“ Maßnahmen ergriffen hätten und dass die Personalgewinnung und -bindung zu wenig berücksichtigt werde. Provokativ brachte er auch eine zukünftige Zusammenführung des „Gute KiTa-Gesetzes“ mit einem Bundesprogramm wie den „Sprach-KiTas“ ins Spiel.

Gemeinsam für Fortsetzung laut werden

UmfrageergebnisseIn den die Diskussion begleitenden Chat-Kommentaren wurde immer wieder die Bedeutsamkeit von KiTa-Leitung und Fachberatung für die Qualitätsentwicklung herausgestellt und auch – gerade nach Corona - eine Reduzierung der Handlungsfelder diskutiert. Weiterhin viel Kritik erntete die Aufnahme der Beitragsfreiheit in das „Gute KiTa-Gesetz“. Auf die Chat-Frage, was denn nun Qualität sen, antworteten die Diskutant*innen im übergreifenden Sinne „Wenn, Kinder, Eltern und Fachkräfte zufrieden sind“ und Klaus Fröhlich-Gildhoff führte aus: „Qualität bedeutet, dass die Entwicklung von Kindern individuell gefördert wird und ihr Wohlbefinden gesichert ist.“

Mit einer Umfrage wurde auf der BAG-BEK-Tagung abschließend das Stimmungsbild der gut 170 Teilnehmer*innen zum „Gute KiTa-Gesetz“ eingefangen – dieses zeigte sich sehr gemischt (s. Grafik), aber einig waren sich alle, dass der Diskurs im Rahmen der interdisziplinär aufgestellten BAG-BEK weiter geführt werden soll und dass „wir gemeinsam laut werden müssen!“

Aktive Fach-AG's

Im zweiten Abschnitt der Tagung arbeiteten die Teilnehmer*innen gemeinsam in den Fach-AG’s der BAG-BEK weiter. In der anschließenden Zusammenschau wurde eine Vielzahl von konkreten Verabredungen und thematischen Fokussierungen deutlich. Entstehen soll so in der AG Berufspolitik eine aktuelle Stellungnahme zum Gute KiTa-Gesetz und auch die AG Fachberatung plant eine Intervention zur bundes- bzw. landesgesetzlichen Verankerung der Fachberatung. Schon veröffentlicht ist ein „Positionspapier“ und ein „Zwischenruf“ der AG Kinder von 6 bis 12 Jahren und kurz vor der Veröffentlichung steht eine Stellungnahme der AG Gesundheit zur multiperspektivischen Förderung der Gesundheit in der KiTa mit aktuellen Corona-Bezug. Die AG Forschung hat die Zeit genutzt, um mit alten und neu hinzugekommenen Mitgliedern zu diskutieren, welchen Themen sie sich zukünftig verstärkt widmen sollte. Weit oben auf der Agenda erschien dabei der Themenkomplex „Transfer“ zwischen Forschung und Praxis und eine entsprechende Übersetzertätigkeit bzw. ein entsprechendes Wissensmanagement.Die AG Kinderrechte und die AG Didaktik wollen das Thema der Partizipation in der KiTa und auch in der Ausbildung verstärkt in den Blick nehmen und auch die Partizipation im Rahmen der BAG-BEK diskutieren.

BAG-BEK als interdisziplinäre Plattform für bundesweiten Diskurs

Ganz in diesem Sinne rief BAG-BEK-Vorstand Tina Friederich die Teilnehmer*innen zum Abschluss auch dazu auf, Mitglied zu werden und die BAG-BEK gemeinsam zu einer zentralen interdisziplinären Plattform für den Diskurs rund um die frühkindliche Bildung weiter zu entwickeln. Die Tagung zeigte mit ihren diskussionsfreudigen Teilnehmer*innen aus allen Ebenen des KiTa-Systems einmal mehr, dass die BAG-BEK hierbei schon auf einem guten Weg ist und in einer Mentimeter-Unfrage wurden folgende Themen für den Diskurs in der BAG-BEK benannt:

Mentimeter BAG BEK Frühjahrstagung Themenvorschläge

Download Präsentation Niels Espenhorst


Karsten Herrmann