Emma Luise Rendtorff "Schwester Emma" (1894-1979)
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Außerdem zeichnete sie ab 1924 für die alljährlich abgehaltenen Pfingstfreizeiten mit Bibel-und Fortbildungskursen für die ehemaligen Schülerinnen des Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenseminars verantwortlich. Aus diesem Kreis erwuchs 1930 als eine Hilfsschwesternschaft des Diakonissen-Mutterhauses die „Eisenacher Kinderschwesternschaft“, die mit 30 Kinderschwestern begann. Im Laufe der Zeit „stieg die Zahl auf 55 an. Später bleiben die Kinderschwestern als lose Gesinnungsgemeinschaft auch noch zusammen, als keine Stationsverträge mehr abgeschlossen werden konnten und die sogenannte NSV die kirchlichen Kindergärten uns nahm“ (Rendtorff o. J., S. 71).
Zusammen mit Pfarrer Hermann Scriba, Rektor des Eisenacher Diakonissen-Mutterhauses, leitete sie viele Jahre den Verband evangelischer Kindertagesstätten der Thüringer evangelischen Kirche. Obwohl sie 1937 in die NSDAP eintrat, Mitglied im NSLB und der NS-Frauenschaft war, setzte sich Emma Rendtorff dafür ein, wenn auch vergebens, dass die Thüringer Kindertagesstätten (Kindergärten, Krippen und Horte) in Trägerschaft der evangelischen Kirche und ihrer Gemeinden verbleiben und nicht von der NSV übernommen werden (vgl. Bookhagen 2002, S. 533 f). Schließlich gingen alle „rein kirchlichen Kindergärten in Thüringen“ (Scriba o. J., S. 24) an die NSV verloren.
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Ihre letzten Lebensjahre verbrachte Schwester Emma im Diakonissen-Feierabendhaus “Friedenshort“. Sie starb am 31. Juli 1979 in Eisenach.
Der evangelische Kindergarten als eine familienersetzende Einrichtung
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Montessori oder Fröbel?
In bereits genannter Denkschrift zur 150-Jahrfeier der evangelischen Kinderpflege nahm sie auch Stellung zu den seinerzeit heftig geführten Auseinandersetzungen mit der Pädagogik Maria Montessoris. Auf evangelischer Seite, die eindeutig die Fröbelpädagogik favorisierte, war man sich noch nicht klar darüber, ob und inwieweit diese „neue Erziehung“ aus Italien zu befürworten sei. Man wollte noch die Zeit der Erprobung für deutsche Verhältnisse abwarten, bevor „ein endgültiges Urteil gefällt werden kann“ (Gehring 1929, S. 179). Bis dahin, so Emma Rendtorffs Vorschlag, kann die evangelische Kinderpflege „Einzelnes“ der montessorianischen „kunstvollen Mittel zur Schulung der Sinne und des Verstandes... aufnehmen,... während sie (die evangelische Kinderpflege; M. B.) im ganzen doch solche Sinnesausbildungen auf Kosten der Phantasie und des Spiels, solch verstandesmäßiges Tun an geometrischen, nüchternen Formen ablehnen wird und dem Puppen und Tiere, Kaufladen und Küche, Karren und Eimer, Pferdeleinen und Bälle vorzieht, die jedes Kindesherz hoch beglücken, solides, gutes Spielzeug, das man lieb haben kann, das dauerhafte Kameradschaft hält, das in schöner Farbe und klarer, schlichter Form den Geschmack und das Gemüt des Kindes bildet“ (Rendtorff 1929, S. 230 f). Eindeutig sollte der evangelische Kindergarten die Fröbel‘schen Beschäftigungen bevorzugen, da diese „in ihrer Mannigfaltigkeit alle Kräfte“ beleben und „vor Einseitigkeit“ hüten, zumal sie „sowohl Verstand, Sinne und Muskeln üben, wie Vorstellungen klären und, der Phantasie und Spielfreude des Kindes Raum gönnend, es zu schöpferischer Tätigkeit veranlassen“ (ebd. S. 230).Erzählen biblischer Geschichten
In ihrer Tätigkeit als Schulleiterin, Lehrerin sowie Praxisanleiterin im zum Seminar gehörenden Kindergarten und Hort stellte sie fest, dass es an einem geeigneten Fachbuch mangelte, das die kindgemäße Form der Darstellung und Vermittlung des biblischen Stoffes beschreibt.![buch 250](/images/nifbe/Fachbeiträge/2016/buch_250.jpg)
Unabdingbare Grundvoraussetzung für das Erzählen biblischer Geschichten im Kindergarten ist für Emma Rendtorff, dass die Kindergärtnerin „selber ernste Bibelarbeit“ treibt. Diesbezüglich hielt sie fest:
„Haben wir nicht in solider Bibelkenntnis festen Grund unter den Füßen, so wird unsere Darlegung und Auslegung falsch. Wer aber die einzelnen Geschichten recht darbieten will, der muß die Bibel in ihrer Gesamtheit kennen, muß daheim sein in ihrer Sprache, muß Ort und Zeit und Lebensbedingungen kennen, in denen die Geschichten sich abspielen... So kommt es also vor allen Dingen darauf an, daß wir selbst die heiligen Geschichten in uns wirksam werden lassen, daß wir ernste Bibelarbeit treiben, ehe wir den Kindern erzählen“ (Rendtorff 1935b, S. 287).
Evangelische Kinderpflege unter der Nazi-Diktatur
„Die christliche Kinderpflege“ bekannte sich mit Beginn der Machtergreifung „zu dem Erziehungsprogramm der nationalsozialistischen Regierung, für dessen Verwirklichung (man sich; M. B.) mit ganzer Kraft und Hingabe einsetzen“ (zit. n. Berger 1992, S. 12) wollte, auch Emma Rendtorff. In ihren Beiträgen finden sich immer wieder Begriffe wie “Volk“, „Rasse“, „Zucht“, „Vaterlandsliebe“, „Heimatliebe“, „Führung“, „deutsch“ etc., die ihre Nähe zum Nationalsozialismus belegen. Sie ging so weit zu behaupten, dass die evangelische Kinderpflege mit „Freuden das Gedankengut des Nationalsozialismus aufgenommen“ (Rendtorff 1935b, S. 36) hat. Ihr Aufsatz „Die deutsche Heldensage“ ist eine wahre Hommage an den Führer, der die Erzieher aufruft, „die ihnen anvertrauten Kinder zu deutschen Menschen zu erziehen, die sich ihres Deutschtums freudig bewußt sind, die in sich rein wie möglich die gute, deutsche Art zum Durchbruch kommen lassen, um so ihrem ganzen Volk zum Siege zu verhelfen. Eine Führerschicht echt deutscher Menschen soll herangebildet werden, deren Kennzeichen Rasse und Zucht sind; die sich verantwortlich weiß; der Führerschaft nicht Recht sondern ernste Pflicht ist, daß sie dem ganzen Volke heraushelfe aus seiner Not. Darum muß die Jugend den deutschen Menschen kennen“ (Rendtorff 1935c, S. 38). Um die Kinder zu echten Deutschen zu erziehen, bedarf es auch einer entsprechenden Literatur, die „den Kindern die großen Helden unseres Volkes nahe bringt... Die deutsche Heldensage ist eine unerschöpfliche Fundgrube. Für die Erfüllung mancher Aufgaben, die jetzt vor uns liegen bietet sie Hilfe. Da steht der deutsche Mensch vor uns, wie Hitler ihn in der Jugend heranbilden will: mit gesundem, stahlhartem, widerstandsfähigem Körper, keine Mühsal scheuend, mit echtem, gradem Charakter, tapfer, treu, opferbereit, verschwiegen, tat- und anschlußkräftig, von unbeugsamen Willen. Da sind die starken, gütigen Führer und die treuen Mannen. Da ist Leben und Tat und gesunde, herbe, starke Luft“ (ebd.). An anderer Stelle drückt sich ihre „fraglose Verbindung von Frömmigkeit und Nationalsozialismus“ (Mühle 1992, S.42) aus, wie nachstehendes Zitat verdeutlicht: – „Zur Fürbitte gehört auch das Gebet für Volk und Führer, daß wir nie versäumen wollen; das ist unser wichtigster Dienst an unserem Volk, unser erster Dank für unseren Führer! Jedes ‚Heil Hitler‘ sei ein Gebet, den ganzen Tag. Jeder Tag trage in sich einen Dank und ein Bittgebet für ihn und seine Ratgeber. Wie ermahnt uns Paulus dazu? ‚So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeiten.‘ 1. Tim. 2, 1-4. Ich möchte da auch mahnen, daß wir nicht versäumen, wirklich für die Menschen zu beten, die uns als Regierung und Obrigkeit angehen“ (Rendtorff 1940, S. 78 f). – Und zum Gedenken an die Gründung der ersten evangelischen Kleinkinderschule konstatierte sie, das gegenwärtige Werk der „deutsch-evangelischen Kinderpflege“ betreffend:„Es hat gelernt von all den pädagogischen, psychologischen und technischen Errungenschaften unserer Zeit. Die Fröbelschen Beschäftigungen haben Einzug gehalten, in manchen Einzelheiten hat sich die Erziehungsweise geändert. Der Tagesablauf der Kinder ist anderes geworden, in der äußeren Einrichtung der Räume ist viel verbessert. Hitlerbild und Hakenkreuzfahne grüßen von der Wand, feierliche Fahnenhissung, das Feiern nationaler Feste des Dritten Reiches, die deutsche Stunde, mit Märchen, Sage und deutscher Geschichte sind Mittelpunkte des Kinderlebens geworden“ (Rendtorff 1935b, S. 36).
Der „evangelischen Kindergärtnerin als Pflegerin deutschen Brauchtums“ erklärte sie, dass „im 3. Reich“ die „Rasse-Auslese besonders gepflegt wird. Jede Gemeinschaft möchte sich verjüngen und fortpflanzen in kräftigem, gesundem, edlem Nachwuchs. Darum läßt man zu den Jahrlauffesten durch allerlei Wettkämpfe die tüchtigsten ‚besten‘ Burschen und Mädchen herausstellen. Aber das sind nicht Auslesen im Sinne der modernen Schönheitskonkurrenzen, sondern der Preis muß durch Leistung erworben werden im Wettlauf, Wettklettern an der hohen, glatten Stange, in Schießen nach dem Adler bei den Burschen, im Wettsingen, Schaukeln, Ringwerfen, Stechvogel-Werfen, Ballspiel bei den Mädchen“ (Rendtorff 1937, S. 41).
Literatur
- Rainer Bookhagen: Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus. Band 2, 1937-1945, Göttingen 2002, S. 1048-1049
- Johannes Gehring: Die Geschichte der evangelischen Kinderpflege, in: Johannes Gehring (Hrsg.): Die evangelische Kinderpflege. Denkschrift zu ihrem 150jährigen Jubiläum. Berlin/Leipzig 1929, S. 10-189
- Heidi Mühle: Vom politischen Enthusiasmus zum Rückzug. Theorie und Praxis der Religionspädagogik 1931-1941, in: Egbert Haug-Zapp (Hrsg.): Historisches zu gegenwärtigen Aufgaben der Sozialpädagogik. 100 Jahre evangelische Fachzeitschrift TPS, Bielefeld 1992, S. 40-44
- Emma Rendtorff: Die Aufgaben der evangelischen Kinderpflege. Die praktische Arbeit, in: Johannes Gehring (Hrsg.): Die evangelische Kinderpflege. Denkschrift zu ihrem 150jährigen Jubiläum. Berlin/Leipzig 1929, S. 224–235
- Dies.: Weihnachtsfeiern im Kindergarten und Hort. Kaiserswerth 1930.
- Dies.: Biblische Geschichten im Kindergarten und Hort. Dresden/Meißen 1931.
- Dies.: Wie feiere ich mit meinen Kindern im Kindergarten Weihnachten?, in: Die christliche Kinderpflege 1929, S. 280-282
- Dies.: Von gutem Spielzeug, in: Die christliche Kinderpflege 1930, S. 37-42
- Dies.: Verzeichnis guter Spielzeugfirmen, in: Die christliche Kinderpflege 1930, S. 42-43
- Dies.: Einzelbilder aus 100 Jahren deutsch-evangelischer Kinderpflege, in: Der Armen und Krankenfreund 1935a, S. 19-36
- Dies.: Unsere Bibelarbeit, die Voraussetzung für das Erzählen biblischer Geschichten vor Kindern, in: Die christliche Kinderpflege 1935b, S. 287-294
- Dies.: Die deutsche Heldensage, in: Die christliche Kinderpflege 1935c, S. 38-50
- Dies.: Die evangelische Kindergärtnerin als Pflegerin deutschen Brauchtums, in: Die christliche Kinderpflege 1937, S. 34-47
- Dies.: Unser Gebetsleben, in: Die christliche Kinderpflege 1940, S. 69-82
- Dies.: Unsere Kinder- und Jugend-Arbeit, in: Hermann Scriba (Hrsg.): Baum an der Quelle. Sechs Jahrzehnte Ev.-Luth. Diakonissen-Mutterhaus für Thüringen in Eisenach, Berlin o. J., S. 67-73
- Franz Rendtorff: Zum Geleit, in: Emma Rendtorff: Biblische Geschichte im Kindergarten und Hort, Dresden/Meißen 1931, S. 5
- Hermann Scriba (Hrsg.): Baum an der Quelle. Sechs Jahrzehnte Ev.-Luth. Diakonissen-Mutterhaus für Thüringen in Eisenach, Berlin o. J.
Zum Weiterlesen:
Der Kindergarten im nationalsozialistischen Deutschland
- Zuletzt bearbeitet am: Freitag, 22. April 2016 08:33 by Karsten Herrmann