Leitung:
- Dr. Bettina Lamm (kommissarisch)
- Prof. Dr. Heidi Keller (1/2008 - 10/2014)
Aktueller Hinweis: Aufgrund einer veränderten Förderung des Landes Niedersachsen (siehe auch hier: nifbe in der Zukunftsdebatte) werden die Forschungsstellen des nifbe ab dem 01.01.2016 nicht mehr weiter geführt. Ihre Themen und Ergebnisse werden zum Teil im neu geschaffenen Koordinations- und Transferzentrum des nifbe weiter bearbeitet und vermittelt. Im Laufe des Jahres 2016 entsteht desweiteren ein Forschungszentrum in der Universität Osnabrück und ein Neuer Forschungsverbund für Frühkindliche Bildung nimmt seine Arbeit auf.
Im Fokus der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur steht die systematische Analyse kultureller Einflüsse auf frühkindliche Entwicklungs – und Bildungsprozesse. Diese legen die Grundlage für die Formulierung kulturspezifischer Entwicklungspfade.
In Lehrbüchern der Entwicklungspsychologie, der Pädagogik und der Erziehungswissenschaften wird das Menschenbild eines selbstverantwortlichen, aktiven und selbstbestimmten Individuums dem fachlichen Diskurs zugrunde gelegt. Entwicklungsprozesse werden an diesem Menschenbild ausgerichtet. Curricula tragen diesem Menschenbild Rechnung und Entwicklungsabweichungen werden auf dieser Grundlage bestimmt. Inzwischen gibt es einige Evidenz, dass dieses Menschenbild für die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht oder nur teilweise angemessen ist. Die wissenschaftliche Herausforderung besteht also in der Schaffung einer breit angelegten internationalen Datenbasis, um kulturspezifische Entwicklungsprozesse zu identifizieren und zu dokumentieren.
Die bildungspolitischen Herausforderungen bestehen darin, diese neuen Erkenntnisse in die Praxis der Institutionen zu transportieren und in Curricula umzusetzen. Dazu sind die folgenden Schritt zwingend:
1. Identifikation kultureller Modelle
Die grundlegenden und panhumanen Themen der Autonomie und der Relationalität werden in unterschiedlichen soziodemographischen Kontexten unterschiedlich ausgelegt und unterschiedlich betont. Dazu gehört auch, dass die vertikalen – historischen – wie auch die horizontalen – z.B. Kontextwechsel durch Migration – Veränderungen in ihrer Systematik erfasst werden. Aus dem jeweiligen Zusammenspiel von Autonomie und Relationalität sind Sozialisationsziele ableitbar, die in grundsätzlichen Beziehungen mit Sozialisations– und Erziehungsstrategien stehen. Es ist ein zentrales Anliegen der Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur, die vorhandenen Kenntnisse zu bündeln und zu erweitern.
2. Systematisierung der Entwicklungswissenschaften anhand kultureller Modelle
Entwicklungs-, Lern- und Informationsverarbeitungsprozesse unterscheiden sich inhaltlich und formal je nach dem vorherrschenden kulturellem Modell. Eingebettet in normative Vorstellungen sozialer Beziehungen und Interaktionen finden informelle und strukturierte Prozesse statt, die Entwicklungs- und Bildungsprozesse informieren.
Die Vielfalt dieser Entwicklungspfade muss systematisch Eingang in die Entwicklungswissenschaften finden, um Lern- Lehr- und Entwicklungskontexte fair und optimal für die Heterogenität der 0-3-Jährigen zu gestalten.
3. Implementierung des neuen Wissenskorpus in den gesellschaftlichen Alltag
Um diese differentielle Entwicklungswissenschaft zu etablieren müssen zunächst die gesellschaftlichen Alltagsstrukturen analysiert werden. Neben den familiären Alltagspraktiken müssen dazu vor allem die Institutionen, in denen kleine Kinder entscheidende Erfahrungen sammeln, eingebunden werden. Dazu ist es z.B. notwendig, die kulturellen Modelle von Institutionen zu analysieren – dazu gehört neben den Rahmenrichtlinien, die physische Umwelt (z.B. welche Bilder hängen an den Wänden, wie ist die Einrichtung räumlich gegliedert), die Gestaltung des Alltags (z.B. wie sehen Mahlzeiten aus, wie werden Geburtstage gefeiert) und die Vorstellungen von ErzieherInnen über Entwicklung, Erziehung und Bildung sowie deren Verständnis ihrer Aufgaben. Auf dieser Grundlage müssen eine Vielzahl von Programmen entwickelt werden, die Elternhaus und Institution zu einem komplexen Netzwerk integrieren.
Ziele
Die Forschungsstelle Entwicklung, Lernen und Kultur hat es sich zur Aufgabe gemacht, soziale, emotionale und kognitive Entwicklungsmuster und Lernprozesse in verschiedenen kulturellen Gruppen zu analysieren. Kultur bedeutet dabei nicht Land oder Gesellschaft, sondern wird durch soziodemographische Kontexte definiert, die durch die ökonomische Situation, das Ausmaß formaler Bildung und dem Familienmuster (Alter bei Geburt des ersten Kindes; Anzahl der Kinder) gebildet werden. Dabei können wir uns auf ein umfassendes, internationales Netzwerk internationaler Universitäten und Einrichtungen stützen. In einem zweiten Schritt entwickeln wir auf der Grundlage unserer wissenschaftlichen Erkenntnisse Module für die Arbeit mit Familien und Institutionen, die dem Paradigma der differentiellen Entwicklungsforschung verpflichtet sind. Insofern umfasst unsere Arbeit sowohl die Grundlagenforschung als auch die Anwendungs- und Begleitforschung.
Zu den aktuellen Arbeitschwerpunkten und Projekten