augenhoehe statt strafen beziehungsstark in kita krippe und kindertagespflege 978 3 451 39555 0 74203Noch immer und insbesondere auch in Stresssituationen greifen Fachkräfte in KiTas auf mehr oder weniger explizite Bestrafungen von Kindern zurück, um Grenzen zu setzen und Konsequenzen zu zeigen. Kathrin Hohmann plädiert in ihrem neuen Buch aus tiefer Überzeugung für eine achtsame und gewaltfreie Beziehung auf Augenhöhe mit den Kindern und gibt dafür viele Praxisbeispiele und Handlungsansätze.

Aus entwicklungspsychologischer Perspektive führt die Kindheitspädagogin einleitend aus, dass Kinder Freiheit brauchen, um eigene Erfahrungen zu machen und selbst Entscheidungen zu treffen. Regeln für ein respektvolles Miteinander würden sie insbesondere dann akzeptieren und mittragen, wenn sie an ihrer Entstehung beteiligt sind und wenn die Erwachsenen sie vorleben. Machtmethoden dagegen „motivieren eher zum Widerstand, zur Rebellion, zum Lügen.“

Breites Spektrum der Gewalt

Kathrin Hohmann zeigt ein breites Spektrum auf, mit denen Fachkräfte noch heute die Kinder in der KiTa trotzdem bestrafen und sanktionieren – in physischer und / oder psychischer Hinsicht. Das reicht vom Klaps auf den Po über das Ignorieren, Beschimpfen oder Erniedrigen bis zu weit verbreiteten Maßnahmen wie der „Auszeit“, der „Verhaltensampel“ oder „Wetterkarte“. Letztere führe dazu, dass der Fokus der Fachkräfte verstärkt auf den Regelverletzungen liege und weniger in der Ursachenforschung. Dabei komme es darauf an, den Sinn oder das Bedürfnis hinter einem Fehlverhalten zu entschlüsseln und Kinder nicht zu stigmatisieren.

Die Ursachen von Strafen und Sanktionen in der KiTa sieht die Autorin insbesondere in der eigenen Biografie begründet sowie in der Be- und Überlastung der Fachkräfte, die häufig unter ungenügenden Rahmenbedingungen arbeiten müssen. Wichtig seien daher die Selbst-Reflexion und das Wahrnehmen von Stressoren und Triggerpunkten im KiTa-Alltag: „Nicht das Verhalten des Kindes löst in der Fachkraft ein bestimmtes Gefühl aus, sondern in der Regel sind es die eigenen Bewertungen und Erwartungen an das Kind und sein Verhalten.“

Pädagogischer Werkzeugkoffer und viele Praxisbeispiele

Für den Einsatz in der Praxis bietet Kathrin Hohmann einen „pädagogischen Werkzeugkoffer“, in dem Tools zu Wissen, Wahrnehmung, Reflexion und Selbstregulation enthalten sind. Sie betont aber auch, dass Profession und ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   ein Unterstützungssystem braucht: „bestehend aus einem tragfähigen und vertrauensvollen Team, einer erfahrenen Leitungskraft und einem Träger, der die Notwendigkeit von Supervisionen, Fachberatung und Weiterbildungen nicht in Frage stellt.“

In der Folge stellt die Autorin anhand von vielen Beispielsituationen aus dem Alltag – von Ausschluss und Auszeiten über körperliche Fixierung oder das Anschreien der Kinder bis zum Zwang beim Essen – Reflexionen über die Situation und alternative gewaltfreie Handlungsstrategien vor, um Kindern wertschätzend und auf Augenhöhe zu begegnen.

Das in der schön aufgemachten und mit vielen ansprechenden Grafiken angereicherten Herder-Reihe „Blickschulung: erkennen – reflektieren – verändern“ – erschienene Buch „Augenhöhe statt strafen“ bietet einen kompakten und sehr praxisorientierten Zugang für das große Spannungsfeld zwischen verletzenden und achtsamen Verhalten in der KiTa. Es zeigt eindringlich, warum es sich lohnt, sich auf den Weg zu einer wirklich konsequent gewaltfreien Erziehung zu machen und wie das auch im turbulenten Alltag gelingen kann.

Mit viel Herzblut appelliert Kathrin Hohmann abschließend: „Möchten wir, dass Kinder eine friedliche Welt aufbauen und zu warmherzigen, empathischen und vertrauensvollen Menschen heranwachsen, so ist es an uns die Bedingungen dafür zu schaffen. Jede und jeder kann mit einer zugewandten, interessierten und bindungsstarken Haltung Kinder auf diesem Weg positiv prägen.“

  • Kathrin Hohmann: Augenhöhe statt Strafen. Beziehungsstark in Kita, Krippe und KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. . Herder, 112 S., 15,50 Euro


Karsten Herrmann