Forschungsprojekt zeigt praxisnahe Wege zur Werte-Bildung am Beispiel des Mitgefühls auf
 

Wie kann der Transfer von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis der Aus- und Weiterbildung gelingen? In exemplarischer Weise zeigt dies ein von Prof. Dr. Elisabeth Naurath und ihrer Wissenschaftlichen Mitarbeiterin Caroline Teschmer durchgeführtes nifbe-Forschungsprojekt unter dem Titel „Mitgefühl als Weg zur Werte-Bildung. Elementarpädagogische Forschung zur Beziehungsfähigkeit als emotional-soziale Kompetenzentwicklung im Kontext religiöser Bildungsprozesse."


Ausgehend von der Habilitationsschrift „Mitgefühl gegen Gewalt. Mitgefühl als Schlüssel ethischer Bildung“ von Elisabeth Naurath, die evangelische Theologie an der Universität Osnabrück lehrt, werden in dem Projekt zugleich zentrale Ansätze für die Wertevermittlung in der KiTa-Praxis wie auch in der FachschülerInnen-Ausbildung erprobt. In einem Gegenstromprinzip werden wissenschaftliche Erkenntnisse so ganz konkret auf ihre Trag- und Umsetzungsfähigkeit in der Praxis überprüft und fließen in Ausbildungs- und Weiterbildungsmodule ein.
 

Caroline Teschmer ist von dieser engen wechselseitigen Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis begeistert und treibt den Transfer mit viel Herzblut voran. Zum Auftakt des Projektes hatte sie sowohl FachschülerInnen wie auch ErzieherInnen zu ihrer Einstellung zur Werteentwicklung und –vermittlung befragt. Sie musste allerdings feststellen, dass dieses Thema in der Praxis eine „eher marginale Rolle“ spielt und von kognitiven Förderangeboten überdeckt wird. Doch Caroline Teschmer sieht die Wertebildung über das - als Teil der Empathie verstandene - Mitgefühl als „grundlegende Entwicklungsaufgabe“ in der frühkindlichen Bildung und als „Chance zur Selbstbildung und Orientierung“.

 

Mitgefühl als grundlegende Entwicklungsaufgabe


Ihr erklärtes Ziel ist es daher, die KiTa-Praxis dafür zu sensibilisieren. Noch falle es ErzieherInnen jedoch häufig schwer, ihre eigenen derzeitigen Werte zu benennen und zu reflektieren – eine unabdingbare Voraussetzung für die Wertevermittlung. Häufig fehlten angehenden oder den schon berufstätigen ErzieherInnen auch „die elementarsten Grundlagen der Entwicklungs- und Emotionspsychologie“.


Einmal die Woche erprobt sie jetzt die auf wissenschaftlicher Grundlage basierenden Ansätze zur praktischen Wertebildung bei Kindern unter anderem in der Osnabrücker KiTa „Villa Kunterbunt“. Methodisch arbeitet sie hier beispielsweise mit selbst entwickelten „Situations“- und „Gefühlskarten“, mit denen die Kinder lernen können Emotionen wie Freude, Trauer, Wut oder Angst wahrzunehmen und zu deuten. Als besonders produktives Instrument haben sich die ebenfalls von ihr in enger Zusammenarbeit mit dem pädagogischen Team der „Villa Kunterbunt“ selber entwickelten „Herzensfragebögen“ zur emotionalen Selbsteinschätzung der Kinder gezeigt.


Vielfältiges methodisches Repertoire

 

Über die „Herzensfragebogen“ kommt Caroline Teschmer mit den Kindern auch leicht in das gemeinsame Philosophieren und Theologisieren - über ihre Gefühle und Bedürfnisse, über Gott, Tod und den Sinn des Ganzen. „Kinder stellen von sich aus viele Fragen, die mit Religion und Werten zu tun haben und sind auch an den sogenannten großen Fragen des Lebens interessiert“ berichtet Teschmer. Neben den klassischen Fragen wie „Wo wohnt Gott?“ oder „Müssen alle Menschen sterben?“ kommen dann auch herrlich originelle und direkt der kindlichen Vorstellungswelt entsprungene Fragen auf wie die der sechsjährigen Lisa-Marie: „Wie viele Außerirdische befinden sich auf den Planeten?“


Zum methodischen Repertoire in der KiTa-Praxis gehört aber auch die Auseinandersetzung mit biblischen Geschichten, denn diese sind für Caroline Teschmer „ein Beispiel dafür, dass Menschen sich für Fairness, Solidarität sowie für die Schwachen und Unterdrückten in der Gesellschaft einsetzen sollten“.

 

Ausbildungsmodul für Fachschulen
 

Die philosophisch-theologischen wie auch psychologisch-neurobiologischen Grundlagen und die Praxisansätze der Wertebildung wurden nun auch in einem Ausbildungsmodul zusammen gefasst, dass derzeit an einer Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik in Nordrhein-Westfalen mit 18 FachschülerInnen im Anerkennungsjahr erprobt wird. Das Modul setzt sich aus sechs Blöcken zusammen, die jeweils aufeinander aufbauen und von der Makro- in die Mikroebene gehen. Inhaltlich kommt es zu einer Verzweigung von pädagogischen, psychologischen, neurowissenschaftlichen und theologischen Themen. Die einzelnen Blöcke werden thematisch erarbeitet und mit anschaulichen praktischen Beispielen für die Praxis ergänzt, sodass erneut ein Theorie-Praxis-Transfer gewährleistet werden kann. Das Ausbildungsmodul kann des Weiteren in einer komprimierten Version als Weiterbildungsmodul für bereits tätige pädagogische Fachkräfte angeboten werden.


Zusammenfassend zeigt sich in dem vom wechselseitigen Austausch mit der Praxis lebenden Forschungsprojekt, dass explizite frühkindliche Förderung von Mitgefühl ein zukunftsweisender Ansatzpunkt ist, der zu einer wachsenden Sensibilität der emotionalen, religiösen und ethischen Dimension führt.
 

Karsten Herrmann

 

 

Kontakt zum Projekt:

 

  • Caroline Teschmer
  • E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!