Auf einer ver.di Online-Veranstaltung wurden jetzt 15.000 Unterschriften an Kultusminister Grant-Hendrik Tonne für bessere Rahmenbedingungen übergeben und gemeinsam mit Erzieher*innen und den bildungspolitischen Sprecher*innen der Landtagsfraktionen über die Qualität in KiTas diskutiert. Forderungen von ver.di waren u.a. „Nie allein in der Gruppe“, „Bessere Personalschlüssel“, „Mehr Zeit für unmittelbare pädagogische Arbeit“, „Vorbereitungszeit für Leitungstätigkeit“ und „Bezahlte Ausbildung“.
Screenshot 2020 07 08 5 Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung Startseite
Zur Einführung unterstrichen Katja Wingelewski und Jörn Kroppach von ver.di, dass pädagogische Fachkräfte ständig vor steigende Anforderungen stünden, sich die Rahmenbedingungen aber nicht verbessern. Die Belastungsgrenze sei erreicht und „wir wollen nicht mehr auf Kosten der eigenen Gesundheit den Mangel verwalten“.

In der Folge berichteten Erzieher*innen eindrücklich von ihrer Arbeitssituation vor und während der Corona-Zeit. Schon vor Corona fühlten sich die Fachkräfte demnach nicht zuletzt aufgrund fehlenden Personals unter großen Druck und an der Belastungsgrenze. Entsprechend sei die Erkrankungsquote im Feld auch überdurchschnittlich hoch. Während Corona hätte sich der Mangel noch einmal verschärft und derzeit würde von den Fachkräften ein extremer Spagat zwischen Politischen Vorgaben, Infektionsschutz, den Bedarfen der Kinder und Eltern sowie eigenen pädagogischen Ansprüchen verlangt. Die Qualität und der Bildungsauftrag seien in dieser Zeit hintenangestellt worden und es gelte wie zu früheren Zeiten einmal wieder das Motto „Hauptsache satt und sauber!“. 

Ständiger Verstoß gegen Gesetze und Vorschriften

Lea Nanninga berichtete aus der Praxis, dass schon vor Corona häufig nur eine Fachkraft in der Gruppe gewesen sei. Maria Eisner ergänze in diesem Sinne, dass in vielen KiTas der Betrieb nur noch aufrechterhalten könne, weil man stetig gegen Gesetze und Vorschriften verstoße.

Jannes Thiele berichtete von einer ver.di-Umfrage, der zur Folge Fachkräfte an einem Viertel aller Tage fachfremde Tätigkeiten ausführen müssen – vom Putzen über Einkaufen und Reparaturarbeiten bis zu Botengängen. Dies gehen auf Kosten der pädagogisch qualitätsvollen Arbeit. „Wir baden den Fachkräftemangel aus!“ betonte Heike Jürgens.

Roland Kuhnert forderte eine Ausbildung ohne Absenkung der Qualitätsstandards und unterstrich, dass der Fachkräftemangel nur behoben werden könne, wenn der Erzieher*innen-Beruf attraktiver werde.

Scharf kritisierte wurde von vielen Erzieher*innen, dass das KiTa-System „heruntergewirtschaftet“ und dass zur Zeit nur noch Rückschritte zu verzeichnen seien. „Unfassbar“ fand Anke Jonas-Kroner so auch, dass die Verpflichtung zur dritten Fachkraft bis auf 2025 verschoben wird. Wo ist das Corona-Rettungspaket für die KiTas und wo ist der Masterplan zur Verbesserung des KiTa-Systems? fragten sie und Maria Eisner die anwesenden politischen Vertreter*innen.

Durch Corona werden Verbesserungen schwieriger

An dieser Stelle hätte eigentlich Kultusminister Grant-Hendrik Tonne eine Antwort geben sollen und wollen, musste aber aufgrund von technischen Ton-Problemen passen. Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Stefan Politze, räumte ein, dass die Diskussion um Verbesserungen im KiTa-System schon sehr lange dauere. Verbesserungsansätze habe es über das „Gute Kita-Gesetz“ gegeben, aber „nun ist uns Corona dazwischen gerauscht“ und es werde schwer, bei der derzeitigen Haushaltslage zusätzliche Gelder locker zu machen.

Für die Regierungskoalition ergänzte Mareike Wulf als bildungspolitische Sprecherin der CDU, dass die Schulgeldfreiheit an den Fachschulen eingeführt und das Meister-Bafög verbessert worden sei. Zudem sei über die „Richtlinie Qualität“ nun auch in Niedersachsen eine dualisierte Ausbildung mit Anstellung beim Träger möglich. „Perspektivisch wollen wir auch die dritte Fachkraft“ sagte sie, ohne jedoch konkreter zu werden.

Björn Försterling, bildungspolitischer Sprecher der FDP, hob den Fachkräftemangel als zentrales Problem heraus und zusammen mit dem Anspruch auf Qualitätsverbesserung bilde er einen „Teufelskreis“. Ein wichtiger Schritt sei daher eine „bezahlte Ausbildung ohne wenn und aber“. Zudem sollten sich alle Parteien auf einen verbindlichen Stufenplan zur Verbesserung des Personalschlüssel verständigen.

Als ein „fatales Signal“ bezeichnete Julia Hamburg, bildungspolitische Sprecherin der GRÜNEN, dass die verbindliche Einführung der dritten Fachkraft in Krippengruppen auf 2025 verschoben werde. „Sprachlos“ sei sie auch angesichts der diskutierten Senkung von Qualitätsstandards in der Ausbildung. Wichtig sei es in der jetzigen Situation des Fachkräftemangel insbesondere auch, Perspektiven für ältere Erzieher*innen in den KiTas zu entwickeln.

Große Unzufriedenheit und auch Wut

Deutlich wurde in der ver.di Veranstaltung eine große Unzufriedenheit und auch Wut über den aktuellen Zustand des KiTa-Systems und über fehlende konkrete Perspektiven für die Verbesserung der Rahmenbedingungen – im Gegenteil scheinen durch Corona mühsame erkämpfte Verbesserungen wieder in Gefahr zu geraten. Zum Abschluss unterstrich daher Jörn Kroppach von ver.di, dass „wir die Diskussion fortführen und weiter Druck machen werden!“ Aber: „Nur gemeinsam sind wir stark“ und daher brauche es auch die gewerkschaftliche Organisation der Fachkräfte.
Karsten Herrmann