519zNx3DLKinder wachsen heute in einer Welt der digitalen Medien und man könnte sogar sagen in einer digitalen Kultur auf. In vielen Familien bestimmen und strukturieren digitale Medien den Lebensalltag und machen einen großen Teil der Freizeitbeschäftigung aus. In diesem Sinne erscheint ein medienfreier Raum für Kinder sowohl in der familialen Lebenswelt wie auch in der KiTa weitestgehend illusionär und unter dem Aspekt einer kritischen Medienkompetenz auch kontraproduktiv.


Unter dieser Ausgangslage zeigen Marion Lepold und Monika Ullmann in ihrem Buch „Digitale Medien in der KiTa“ auf, wie in der pädagogischen Praxis eine alltagsintegrierte Medienbildung umgesetzt werden kann. Sie beleuchten dabei ein breites Spektrum von den aktuellen Lebensbedingungen der Kinder und wichtigen entwicklungspsychologisch-pädagogischen Aspekten über die Fachkräfte und die Eltern bis hin zur Alltagsintegration der Medien und dem Thema Datenschutz und Sicherheit. Eingangs stellen sie heraus, dass es ein grundsätzlicher Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen sei, die Kinder dabei zu unterstützen, „sich ihren Lebensraum zu erobern, sich darin zu entfalten und ihn mitzugestalten“ – und dies schließe heute die digitale Welt mit ein. Und so ist auch in 14 von 16 Bildungs- und Orientierungsplänen der Länder der Einsatz digitaler Medien in der KiTa thematisiert und in vier davon wird die medienpädagogische Bildung als „besonderer Bildungsbereich gesehen und herausgestellt“.
 
 
Wie die Autorinnen ausführen, läuft die Medienaneignung der Kinder - auf der Basis ihrer Interaktion mit einer von Medien beeinflussten Umwelt - in der Altersspanne vom Säugling bis zum Grundschulalter in vier Schritten ab:
  • Medien registrieren
  • Medien entdecken
  • Medien in den Alltag integrieren
  • Sich mit Medien artikulieren


Ziel: Kritische Medienkompetenz vermitteln

Medienaneignung stellt sich dabei als ein Prozess dar, der einerseits die quantitativen Nutzungsgewohnheiten und andererseits die qualitative Auseinandersetzung, also „die Bewertung und Verarbeitung von Inhalten und Aktivitäten“ umfasst. An letztere schließt sich die vielfach geforderte Medienkompetenz an, d.h., der verantwortungsvolle Umgang mit Medien und eine (selbst-) kritische Haltung gegenüber Medien. Dies beinhaltet auch den Schritt von einer rein konsumierenden Haltung zu einem schöpferisch-gestaltenden Umgang mit Medien. Für die Entwicklung der Medienkompetenz bedarf es der gezielten pädagogischen Begleitung in der KiTa und Grundschule.

Die sogenannten „alten“ Medien wie Fotoapparat, Kassettenrecorder oder CD-Player sind schon lange in den KiTas verbreitet (und auch Bücher zählen zu den alten Medien!). Doch der „Einsatz von digitalen Medien und die praktischen Erfahrungen mit digitalen Medien in Kindertageseinrichtungen stecken noch in den Anfängen“, so die Autorinnen. In verschiedenen Modellprojekten habe sich allerdings das Tablet „als klarer Favorit für Kitas herauskristallisiert“. Denn Tablets vereinigten Fotokamera, Audio- und Videogerät in sich und böten mit einer Fülle von Apps „eine riesige Bandbreite für den Medieneinsatz in Kitas“. Darüber hinaus können neben „Hilfswerkzeugen“ wie Beamer oder WLAN-Drucker auch digitale Bilderbücher und Mikroskope oder auch schon einfache Programmier-Werkzeuge wie die Biene „BeeBot“ oder der Holzrobotter „Cubetto“ zum Einsatz kommen.

Eigene Medienbiographie reflektieren

In Bezug auf die Fachkräfte führen Marion Lepold und Monika Ullmann aus, dass (digitale) Medienbildung in der Kita einerseits eine aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Medien-Biographie (in der sich häufig Vorbehalte und Kompetenzlücken vereinen würden) und andererseits natürlich Fachkompetenz voraussetzt: „Für die pädagogischen Fachkräfte reicht es nicht aus, sich technisch und thematisch mit digitalen Medien gut auszukennen. Sie stehen vor der Herausforderung, die Medien als Werkzeug in alle weiteren Bildungsbereiche so alltagspraktisch zu integrieren, dass dies keinesfalls zulasten von Sinneserfahrungen, unmittelbarer Natur- und Lebenserfahrungen und direkter Kommunikation geht.“ In diesem Sinne benötigt Medienbildung in der KiTa gezielte Fortbildungsmaßnahmen für das Team bzw. einzelne MultiplikatorInnen und idealerweise auch einen Austausch mit „Good Practice“-Einrichtungen.
 

Die Eltern mit ins Boot holen

Ein eigenes Kapitel widmen die Autorinnen dem Thema „Digitale Medien im Einsatz mit Eltern“. Sie zeigen auf, welche Rolle digitale Medien in der Kommunikation mit Eltern, z.B. über E-Mail, (kritisch betrachtete) WhatsApp-Gruppen oder Kommunikationsplattformen spielen und wie sie für die Öffentlichkeitsarbeit oder Entwicklungsgespräche genutzt werden können. Sie stellen deutlich heraus, dass auch die Medienbildung in der KiTa nur zusammen mit den Eltern funktionieren kann: „Eltern und pädagogische Fachkräfte haben gleichermaßen die Verantwortung, die Kinder in der digitalen Welt zu begleiten“ und dafür brauche es eine gute Erziehungs- und Bildungspartnerschaft.

Nach diesen Grundlagenkapiteln steigen Marion Lepold und Monika Ullmann in die digitale Medienarbeit mit Kindern ein und zeigen ganz konkret auf, welche digitalen Werkzeuge es für die alltagsintegrierte (Projekt-) Arbeit gibt und wie diese verwendet werden können. Darüber hinaus stellen sie auch Möglichkeiten der digitalen Beobachtung und Dokumentation (Portfolioarbeit) vor.

Abgerundet wird das Buch durch ein detailliertes Einführungskonzept für Neueinsteiger in der digitalen Medienbildung – von der Zielfindung über die Analyse der Ausgangslage und notwendiger Ausstattung bis zum Trägergespräch - sowie durch das Thema Sicherheit und Datenschutz.

 

Gut strukturiert und praxisnah

Marion Lepold und Monika Ullmann haben mit „Digitale Medien in der Kita“ ein übersichtlich strukturiertes, fachlich gut fundiertes und sehr praxisorientiertes Buch zu einem immer wichtiger werdenden Thema vorgelegt, dass sich sowohl für NeueinsteigerInnen wie auch für schon erfahrenere Fachkräfte, KiTa-Leitungen und FachberaterInnen eignet. Die eng mit der KiTa-Praxis verbundenen Autorinnen betreiben hier auch keineswegs einen „digitalen Medienhype“, sondern zeigen mit der nötigen kritischen Distanz auf, wie digitale Medien alltagsorientiert in ganz verschiedenen Bildungsbereichen genutzt werden können, um Lern- und Entwicklungsprozesse zu unterstützen. Ganz klar stellen sie dabei heraus, dass dies nicht auf Kosten der primären Sinneserfahrungen und der direkten Kommunikation der Kinder gehen soll und darf.

  • Marion Lepold und Monika Ullmann: Digitale Medien in der Kita. Alltagsintegrierte Medienbildung in der pädagogischen Praxis. Herder-Verlag, 160 S., 20 Euro

Karsten Herrmann