Grundlagen der Psychomotorik bei Kindern unter drei

Vielseitige Bewegung, starke Kinder: Was ein Psychomotorik-Konzept in der Krippe bringt

„Guck mal, was ich kann“ – so klingen selbstbewusste Kinder. Im Beitrag „Grundlagen der Psychomotorik im Kontext der Arbeit mit Kindern in den ersten drei Lebensjahren“ aus der Reihe Kita Fachtexte widmet sich Katharina Melchert, Physiotherapeutin und Pädagogin der Kindheit, dem Zusammenhang zwischen Bewegung, Sinneserfahrung, Denken und Fühlen beim Menschen. Daraus schlussfolgert sie, welche pädagogische Möglichkeiten Fachkräfte in der Krippe haben, die Wahrnehmung und Einschätzung der eigenen Fähigkeiten zu fördern.

Bewegungsangebote schaffen, Vertraute/r und Impulsgeber sein

Als ganzheitliches Konzept geht Psychomotorik von der „untrennbaren Einheit von psychischem Erleben und körperlichem Ausdruck“ aus und nutzt diese Wechselwirkungen für pädagogische und therapeutische Zwecke  (vgl. Zimmer). Laut Melchert gehen die heutige technisierte Umwelt und der geringe Freiraum von Kindern zu Lasten ihrer Bewegungserlebnisse. „PädagogInnen stehen vor der Aufgabe, Kindern wieder Bewegungs- und Handlungsspielraum zu schaffen, differenzierte, alle Sinne ansprechende Erahrungen zu ermöglichen und dabei die Fähigkeit jedes einzelnen Kindes wertzuschätzen und zu unterstützen.“ Über verschiedene Bewegungs- und Gemeinschaftsangebote (statt Aufträge) sollen sie in frühester Kindheit Erfahrungen sammeln mit dem eigenem Körper und Kreativität, Spaß, Selbstvertrauen und Kommunikationsfähigkeit erleben. Nur wer seinen Körper kennt und sich an ihm orientiert, kann sich auch an der Umwelt orientieren und selbstbestimmt handeln und die Umwelt beeinflussen. (vgl. Zimmer)

Die Autorin empfiehlt, das Konzept in den Krippen-Alltag einzubinden. Im Säuglings- und Kleinkind-Alter stehen besonders körpernahe Sinne im Vordergrund: taktile, visuelle, auditive Sinne bei einer Berührung oder Stellungs- und Gleichgewichtsreize beim Getragen-werden. So verarbeitet das Kind Erlebnisse, setzt körperliche, seelische, geistige Entwicklung in Gang, eignet sich Wissen über Zusammenhänge in der Umwelt an und entdeckt seine Handlungsfähigkeit und, wie es die Welt beeinflussen kann (vgl. Affolter, Zimmer). Wichtig sind hierfür – neben ausreichend Zeit und Platz für Veränderungen und Spiel – heterogene Material-Erfahrungen: zum Beispiel mit „Bau- und Transportelementen (...), Geräten, die Gleichgewichtserfahrungen ermöglichen (...), bewegungsanregendem ... Gerätepark (...), alternativen Fortbewegungsmitteln (...), Kleingeräten, die allein oder gemeinsam genutzt werden können (...)“ (vgl. Zimmer, Cox). Diese „offenen“ Bewegungsangebote in der Krippe sollten thematisch ausgewogen und frei zugänglich, jeder Raum für ein gewisses Betätigungsfeld gestaltet sein.

Positives Selbstkonzept und Persönlichkeitsbildung

Ziel des Psychomotorik-Konzepts ist nach Melchert ein positives Selbstkonzept bzw. Selbstbild. Es  entsteht bei jedem Menschen durch Erfahrungen mit dem Körper, dem sozialen Umfeld und den materiellen Umgebung sowie durch Erwartungen und Bilder, die Andere von außen auf die Person projizieren. Mitmenschen können mit Anerkennung, Gleichgültigkeit oder Ablehnung auf das Äußere, auf Äußerungen und Handlungen reagieren (Fremdbild). Dies kann das Selbstbild wiederum beeinflussen (vgl. Kiphhard). Beim „Aufbau des Selbstkonzepts spielen insbesondere im Kindesalter motorische Fähigkeiten eine große Rolle: ...Wird das Kind in seinen [körperlich kommunizierten] Bestrebungen nicht wahrgenommen, so kann es bereits in diesem Alter dazu führen, dass ein Kind sich selbst ... als nicht kompetent erfährt und somit eine geringere Einschätzung seiner eigenen Person vornimmt“ (vgl. Zimmer). Für eine stabile Persönlichkeitsbildung ist die Förderung der eigenen Körperwahrnehmung, -einschätzung und Reflexion seiner Kompetenz  – statt auf Basis fremder Bilder,  Erwartungen oder Abhängigkeiten – maßgebend (vgl. Zimmer).

 

Buchtipp: Psychomotorik als ganzheitliches Förderkonzept für Kinder unter 3



Zum Weiterlesen:

Bewegte Kinderkrippe