Zwischen 2014 und 2021 hat sich in Niedersachsen (NI) die Zahl der unter 3-Jährigen, die eine KiTa oder KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  besuchen, zwar um 18.974 Kinder auf 71.804 erhöht. Allerdings stieg die Teilhabequote dieser Altersgruppe nur geringfügig: von 28 % im Jahr 2014 auf 32 % im Jahr 2021. NI liegt damit noch leicht unter der bundesdeutschen Teilhabequote (34 %). Bei den 3- bis unter 6-Jährigen beträgt der Wert 91 % (bundesweit:92 %).

Kürzere Betreuungszeiten

Betrachtet man die vertraglich vereinbarten Betreuungszeiten der Kinder in KiTas, so zeigen sich in NI deutliche Unterschiede im Vergleich zur Situation auf Bundesebene: Während in NI 38 % der KiTa-Kinder unter drei Jahren mehr als 35 bis unter 45 Stunden wöchentlich betreut werden, sind es bundesweit nur 20 % dieser Altersgruppe. Auf der anderen Seite nehmen in NI nur 8 % dieser Altersgruppe eine Betreuungszeit von 45 Stunden und mehr in der Woche in Anspruch, bundesweit sind es mit 37 % deutlich mehr. Bei den Kindern ab drei Jahre bis Schuleintritt sind in NI 26 % der KiTa-Kinder bis zu 25 Stunden wöchentlich in der Einrichtung, gegenüber nur 9 % im Bundesdurchschnitt. In dieser Altersgruppe nehmen in NI wiederum nur 8 % eine Betreuungszeit von 45 Stunden und mehr in der Woche in Anspruch, bundesweit sind es hingegen 35 %. Tendenziell nutzen demnach KiTa-Kinder bzw. ihre Eltern in NI eher kürzere Betreuungszeiten als im Bundesdurchschnitt.

Für faire Bildungschancen ist nicht nur die Zahl an Plätzen entscheidend: Die Angebote müssen auch kindgerecht sein. Wichtige – auch wissenschaftlich untersuchte – Gradmesser für die strukturelle Qualität in KiTas sind der Personalschlüssel, die Gruppengröße, das Qualifikationsniveau des pädagogischen Personals und ausreichend Leitungszeit.

Licht und Schatten bei Personalschlüssel

Der Personalschlüssel lässt sich mit den Daten der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH-Statistik) für verschiedene Gruppentypen berechnen. So wird 2021 in NI die Mehrheit der unter 3-Jährigen (62 %) in Gruppen mit Kindern unter 4 Jahren betreut. Mit einem rechnerischen Personalschlüssel von 1 zu 3,7 ist dies ungünstiger als von der Bertelsmann Stiftung (1 zu 3,0) empfohlen. Weitere 27 % dieser Altersgruppe besuchen Krippengruppen; der Personalschlüssel liegt hier mit 1 zu 3,3 bei einem beinahe kindgerechten Verhältnis. In Kindergartengruppen, die auch für 2-Jährige geöffnet sind, werden weitere 3 % der unter 3-Jährigen zusammen mit 9 % der ab 3-Jährigen bei einem Personalschlüssel von 1 zu 7,4 betreut. Das ist deutlich ungünstiger als der wissenschaftlich empfohlene Wert von 1 zu 4,9. Der Großteil der ab 3-Jährigen (80 %) besucht Kindergartengruppen mit einem Personalschlüssel von 1 zu 7,7, dies liegt nah an der Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1 zu 7,5.

Über die Hälfte der KiTas mit zu wenig Fachpersonal

Die Auswertungen zeigen, dass im Jahr 2021 in NI trotz der im bundesweiten Vergleich günstigen Personalschlüssel immer noch für 57 % der Kinder in amtlich erfassten KiTa-Gruppen nicht genügend Fachpersonal zur Verfügung steht. Die nicht kindgerechte Personalausstattung betrifft die unter 3-Jährigen (59 %) ähnlich wie die ab 3-Jährigen (56 %). Einerseits ist der Anteil an Kindern in Gruppen mit kindgerechten Personalschlüsseln im Vergleich zu den anderen Bundesländern hoch, andererseits nutzen die Kinder in NI eher kürzere Betreuungszeiten.

Bei der Entwicklung der Personalschlüssel wird deutlich, dass sich in NI von 2014 bis 2021 die personelle Ausstattung in Krippengruppen von einem ungünstigen auf ein beinahe kindgerechtes Niveau verbessert hat (von 1 zu 4,1 auf 1 zu 3,3). In Kindergartengruppen hat sich die Zahl der Kinder pro Fachkraft um fast ein ganztags betreutes Kind reduziert (von 1 zu 8,6 auf 1 zu 7,7).

Zu große Gruppen in drei Viertel der KiTas

Die Gruppengröße ist ein weiterer wichtiger Gradmesser für die Qualität in KiTas. Wissenschaftlichen Empfehlungen zufolge sollten Gruppen für jüngere Kinder maximal 12 Kinder umfassen, für die Älteren maximal 18.3 In NI werden diese Werte bei 75 % der amtlich erfassten KiTa-Gruppen nicht erreicht (bundesweit: 52 %). Insbesondere ein erheblicher Anteil der Kindergartengruppen und der auch für 2-Jährige geöffneten Kindergartengruppen ist zu groß (82 % bzw. 85 %). Auch 75 % der Gruppen mit Kindern unter 4 Jahren und 44 % der Krippengruppen entsprechen nicht den Empfehlungen.

Knapp 70 Prozent der Fachkräfte mit Erzieher*innen-Ausbildung

Wesentliche Voraussetzung für eine „gute“ KiTa-Qualität ist nicht nur zahlenmäßig ausreichendes, sondern auch qualifiziertes Personal. In NI verfügen 69 % der 61.300 pädagogisch Tätigen in KiTas (ohne Horte und Hortgruppen) über einen fachlich einschlägigen Fachschulabschluss, etwa als Erzieher:in. Damit liegt NI im bundesweiten Durchschnitt (68 %), allerdings unter dem Niveau der ostdeutschen Bundesländer (79 %). Über den formal niedrigeren Berufsfachschulabschluss, beispielsweise als Sozialassistent:in, verfügen in NI 20 %; in Ostdeutschland sind es nur 3 %. Weitere 4 % besitzen einen fachlich einschlägigen Hochschulabschluss. Eine sonstige – nicht fachlich einschlägige – Ausbildung weisen 3 % der pädagogisch Tätigen auf (bundesweit: rund 5 %). Der Anteil des Personals ohne Abschluss liegt in NI mit 2 % genau im bundesweiten Durchschnitt (2 %). Weitere 2 % schließlich befinden sich in Ausbildung, ein Wert, der deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (7 %) liegt. Differenziert man die Entwicklung der absoluten Zahlen der pädagogisch Tätigen zwischen 2016 und 2021 nach Qualifikationsniveau, zeigt sich allerdings ein enormer Anstieg der Personen in Ausbildung um 202 %, das ist nach MV und TH die größte Zunahme.

Die Zahl der Tätigen mit einem einschlägigen Fachschulabschluss erhöhte sich im selben Zeitraum um 26 % und die Zahl derjenigen mit einem Berufsfachschulabschluss um 61 %, ebenso gab es einen Zuwachs an Personen ohne einschlägige Ausbildung um 30 %. Währenddessen sank die Zahl der pädagogisch Tätigen ohne Abschluss um rund 5 %.


Nicht zuletzt nimmt auch die Ausstattung der KiTas mit ausreichenden Leitungsressourcen eine Schlüsselfunktion für die KiTa-Qualität ein. Laut KJH-Statistik verfügen 13 % der KiTas (mit Horten) in NI über keine Zeit für Leitungsaufgaben; 2016 galt dies noch für 18 % der KiTas. Dies traf und trifft insbesondere für die kleineren KiTas (weniger als 45 betreute Kinder) zu: Im Jahr 2016 waren 33 % betroffen, 2021 noch 25 %. Über die von der Bertelsmann Stiftung empfohlene Zeit für Leitungs- und Verwaltungsaufgaben verfügen 2021 lediglich 21 % der KiTas in NI (ohne Horte); bundesweit sind es rund 20 %.

Es fehlen über 45.000 KiTa-Plätz für die Bedarfsdeckung

Erheblicher Handlungsbedarf besteht in NI bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs für jene Kinder, für die die Eltern einen ungedeckten Betreuungsbedarf angeben. Um die Zahl der fehlenden KiTa-Plätze zu ermitteln, hat die Bertelsmann Stiftung die Betreuungsquoten der KiTa-Kinder in NI im Jahr 2021 mit dem Anteil der Eltern abgeglichen, die im selben Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI)5 einen Betreuungsbedarf äußerten. Das Ergebnis: 2021 wünschten 47 % der Eltern für ihr Kind unter drei Jahren eine Betreuung, aber nur 32 % dieser Altersgruppe fanden ein entsprechendes Angebot. Um die dadurch entstehende Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von 15 Prozentpunkten zu schließen, werden den Berechnungen zufolge im Jahr 2023 zusätzlich rund 31.900 KiTa-Plätze benötigt. Für die Kinder ab drei Jahren ist die Lücke mit 4 Prozentpunkten geringer. Allerdings wären damit für diese Altersgruppe, um ein bedarfsdeckendes Angebot gewährleisten zu können, weitere rund 13.600 KiTa-Plätze erforderlich. Um in NI im Jahr 2023 den Rechtsanspruch für alle Kinder, deren Eltern einen Betreuungsbedarf haben, erfüllen zu können, müssten also rund 45.500 neue Plätze geschaffen werden.

Es fehlen über 31.000 Fachkräfte

Unter Berücksichtigung der gegenwärtig geltenden Personalbemessung müssten für diese Plätze zusätzlich zum vorhandenen Personal weitere 12.000 Fachkräfte eingestellt werden. Dadurch entstünden zusätzliche Personalkosten von 543,3 Millionen Euro jährlich. Betriebs- und mögliche Baukosten für die neuen KiTa-Plätze kämen hinzu.

Trotz der im bundesweiten Vergleich eher günstigen Personalschlüssel in NI werden immer noch nicht alle Kinder in Gruppen mit einer kindgerechten Personalausstattung betreut. Damit 2023 alle Plätze mit Personalschlüsseln nach wissenschaftlichen Empfehlungen ausgestattet sind – auch jene, die noch zur Erfüllung des weiterhin ungedeckten Elternbedarfs geschaffen werden müssen –, fehlen rund 21.400 Fachkräfte. Dadurch entstünden zusätzliche Personalkosten von 968,4 Millionen Euro jährlich.

Ausbau- und Reformbedarf: Empfehlungen für die Kindertagesbetreuung in Niedersachsen

Damit jedes Kind unabhängig vom Wohnort gleichwertige Teilhabe- und Bildungschancen erhält, ist es unerlässlich, dass jedes Bundesland ein bedarfs- und kindgerechtes FBBE-Angebot zur Verfügung stellt. Das aktuelle Ländermonitoring zeigt, dass auch 2023 in NI viele Familien Schwierigkeiten bei der Betreuung ihrer Kinder haben werden. Allein schon das fehlende Personal für den notwendigen Platzausbau ist bis dahin nicht zu gewinnen bzw. zu qualifizieren, und für eine bessere Personalausstattung sind noch mehr zusätzliche Fachkräfte erforderlich.

Eine fatale Wechselwirkung erschwert die Gewinnung neuer Fachkräfte und auch die Bindung des vorhandenen Personals an das Berufsfeld: Zu wenig Personal verschlechtert nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung für die Kinder, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die pädagogischen Fachkräfte. Dadurch sinken die Chancen, vorhandene Mitarbeiter:innen im Beruf zu halten, was den bestehenden Personalmangel wiederum weiter verschärft. Damit dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann, braucht es eine langfristige und für die KiTas erkennbare politische Priorität für eine bessere Personalausstattung.
Allerdings wird es Zeit beanspruchen, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen und vor allem zu qualifizieren. Gleichzeitig erfordert der bestehende Personalmangel aber bereits jetzt wirksame Lösungen.

Kombination von verschiedene Maßnahmen

Notwendig ist eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen, um die Lücke an Fachkräften schrittweise zu reduzieren. Zunächst müssen in den KiTas kurzfristig die bestehenden Überlastungen des Personals reduziert werden. Ein wichtiger Schritt kann hier sein, systematisch Aufgaben, die andere Qualifikationsprofile erfordern, zu identifizieren. Dies können zum Beispiel Tätigkeiten in den Bereichen Hauswirtschaft und Verwaltung sein, die oftmals noch durch pädagogische Fachkräfte übernommen werden müssen – diese könnten sich dann stärker auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren. Dennoch muss zusätzlich auch das jetzige, sehr vielfältige Aufgabenspektrum von KiTas, das sich mit einer unzureichenden Personalbemessung nicht abdecken lässt, konsequent überprüft und priorisiert werden. Angesichts der in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsenen Anforderungen an KiTas müssen alle Akteur:innen gemeinsam mit der Praxis und mit Beteiligung der Eltern prüfen, wie das Aufgaben- und Tätigkeitsspektrum der KiTa-Fachkräfte an die knappen Personalkapazitäten angepasst werden kann. Zentraler Orientierungsmaßstab müssen dabei die Rechte der Kinder auf Bildung und gutes Aufwachsen sein.


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Quelle: Bertelsmann Stiftung