Als Pädagogische Geschäftsleiterin ist Martina Castello verantwortlich für 37 Kitas mit 4.700 Kindern und 950 Beschäftigten. Im Interview spricht sie über Fachkräftemangel, Qualitätssicherung und die Integration Geflüchteter aus Sicht eines Kita-Trägers.


  • Frau Castello, in vielen Bundesländern gibt es einen eklatanten Mangel an Fachkräften. Wie stellen Sie eine ausreichende Anzahl von Fachkräften in Ihren Kitas sicher?

Zum Glück ist unser Träger noch nicht von dem Fachkräftemangel betroffen, wir erhalten immer noch ausreichend Bewerbungen von pädagogischen Fachkräften. Es gibt bei uns auch eher eine geringe Fluktuation von Fachkräften. Dies könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass die 37 Kindertagesstätten, die unserem Träger zugehören, sich ihre zukünftigen Kolleg*innen eigenständig aussuchen dürfen. Wir haben uns für dieses Verfahren bereits vor sieben Jahren entschieden, da im Berliner Bildungsprogramm der Aspekt der demokratischen Teilhabe einen wesentlichen Bestandteil darstellt.

Die Kita-Teams können selbst am besten entscheiden, wer mit welchen Qualifikationen in ihr Team passt. Als Trägervertreterin führe ich lediglich die Bewerbungsgespräche und treffe die Auswahl für Leitungspositionen. Ebenso ist im Berliner Bildungsprogramm die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mitarbeiter*innen stärker in den Vordergrund gerückt worden. Vor diesem Hintergrund und vor der Tatsache, dass vermehrt Präventionsgelder von Krankenkassen für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden, haben wir einen Projektantrag zur Gesundheitsförderung unserer pädagogischen Fachkräfte gestellt und diesen auch bewilligt bekommen. Dies kommt bei unseren Beschäftigten sehr gut an. Die 37 Häuser können ihre Gesundheitsthemen eigenständig und individuell benennen und bearbeiten.

  • Als Träger sind Sie auch für die Qualitätssicherung verantwortlich. Welche Instrumente setzen Sie dafür ein?

Ein wesentlicher Aspekt der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung ist unser sehr umfassendes Fortbildungsprogramm, welches sich an den Interessen unserer Beschäftigten orientiert. Berlin ist in der Qualitätssicherung der Kindertagesstätten bundesweit einzigartig. Das Land Berlin hat mit allen Kita-Trägern, die über das Berliner Kostenblatt finanziert werden, eine Qualitätsvereinbarung geschlossen. Diese beinhaltet unter anderem, dass jede Kindertagesstätte alle Bildungsbereiche des Berliner Bildungsprogramms intern evaluieren muss. Ergänzend dazu wird jede Kindertagesstätte alle fünf Jahre extern evaluiert. Diese sogenannten „externen Gutachter“ haben alle eine einheitliche Qualifizierung durch das Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (Beki) erfahren.

  • Brauchen Sie ein Qualitätssicherungsgesetz, wenn Sie so gute Instrumente haben?

Ja, aber es sollte ein bundesweites Qualitätssicherungsgesetz sein, da die Qualitätsstandards von Bundesland zu Bundesland stark variieren.


  • Die Fachkräfte wurden durch die Vielzahl von Flüchtlingskindern in den letzten Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Wie viele geflüchtete Kinder gibt es in Ihren Kitas?

Es war tatsächlich eine große Herausforderung für unsere pädagogischen Fachkräfte. Als Geschäftsleitung haben wir darum geworben, Kinder von geflüchteten Familien aufzunehmen. Um die Kitas zu unterstützen, haben wir einen sehr erfahrenen „Flüchtlingsexperten“ aus der Berliner Charité zu uns in die Leitungskonferenz eingeladen. Dies war ein sehr wertvoller und informativer Vormittag für unsere Kitas. Zudem haben wir themenspezifische Fortbildungen vorgehalten. Die Zahl der geflüchteten Kinder schwankt, ich schätze, dass wir zurzeit 100 – 150 geflüchtete Kinder in unseren Kitas haben. Ich denke und hoffe, dass die meisten Kita-Träger eine ähnliche Auffassung haben. In einem Leitungsbewerbungsgespräch fragte mich allerdings eine Person kürzlich, wie unsere Haltung zu geflüchteten Kindern sei. Meine Antwort stellte sie zufrieden, da ihr derzeitiger Arbeitgeber ihr untersagt hatte, Kinder aus geflüchteten Familien in ihre Kita aufzunehmen.

  • Haben Sie bzw. die Kita-LeiterInnen etwas unternommen, um geflüchteteten Kindern einen Kita-Besuch zu ermöglichen?

Nach dem intensiven Austausch und über die Fortbildungsangebote haben Kita-Leiterinnen zum Teil eigenständig Kontakt zu Gemeinschaftsunterkünften aufgenommen, um diesen Familien einen Kita-Platz anzubieten.

  • Was brauchen geflüchtete Kinder am meisten, wenn sie in eine Kita kommen?

In erster Linie brauchen diese Kinder das Gefühl, willkommen zu sein, und sie brauchen den Kontakt zu anderen Kindern. Da sie in eine neue und somit fremde Kultur kommen, benötigen sie einen klaren Rahmen, um die Regeln des Kita-Zusammenlebens einschätzen zu können.

  • Was tun Sie, um einen guten Kontakt mit Eltern mit unterschiedlichem sprachlichem und kulturellem Hintergrund zu fördern?

Wir haben bereits vor einigen Jahren unser Fortbildungsprogramm erweitert, indem wir Referenten aus dem türkischen und arabischen Kulturkreis in unsere Angebotsstruktur aufgenommen haben. Unter anderem haben wir auch einen Elternabend in türkischer und arabischer Sprache angeboten, um auf die Bedeutung der frühkindlichen Sprachentwicklung hinzuweisen.

  • Zurzeit wird politisch gestritten, ob Männer, die allein nach Deutschland geflüchtet sind, ihre Familien nachholen können. Wie würden Sie damit umgehen, wenn Sie noch mehr geflüchtete Kinder in Ihren Kitas aufnehmen müssten?

Wir würden einen Weg für diese Situation finden. Deutschland ist so ein reiches und privilegiertes Land! Wenn wir es nicht schaffen, diese Menschen aufzunehmen, wäre das sehr traurig. Wir müssen diese Kinder so schnell wie möglich in unsere Kitas holen, das ist der erste und beste Schritt zur Integration.


Die Fragen stellte Hilde von Balluseck


Martina Castello ist staatlich geprüfte Erzieherin und Erziehungswissenschaftlerin. Sie war Fachreferentin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Kiel und ist seit 2008 Pädagogische Geschäftsleiterin bei den Kindertagesstätten Berlin Süd-West, Eigenbetrieb von Berlin.



Quelle: www.bildungsklicke.de / www.fruehe-bildung.online