Was brauchen pädagogische Fachkräfte zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz Kita?

Ergebnisse eines Forschungsprojektes



Anna Grabowski, Melina Riechert und Helene Paschek

Die Gesundheit von pädagogischen Fachkräften im Feld Kindertagesstätten (Kita) hat in den vergangenen Jahren, angetrieben durch die Debatten um den sich verschärfenden Fachkräftemangel, an Aufmerksamkeit gewonnen.

Voraussichtlich 230.000 bis 290.000 fehlende pädagogische Fachkräfte prognostiziert die Bertelsmann Stiftung in ihrem „Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule“ im Jahr 2021. Gleichzeitig wurde dabei festgestellt, dass diese Lücke weder durch Quereinsteiger*innen noch durch eine Erhöhung der Ausbildungszahlen zu überbrücken sei. (Bock-Famulla u.a., 2021: S. 19) Vor diesem Hintergrund scheint es umso bedeutsamer, das bereits bestehende Personal in seiner Arbeit zu unterstützen und zu fördern, sodass Personalausfällen vorgebeugt wird sowie die Realisierung von ausreichend Kita-Plätzen und einer kindgerechten Personalausstattung nicht noch weiter in die Ferne rückt. Da die Strukturqualität [1] in den Einrichtungen großen Einfluss auf die zahlreichen Belastungsfaktoren hat, ist Organisationsentwicklung das Schlüsselwort, wenn es um die praktische Umsetzung von Gesundheitsförderung geht. Es wird die Erwartung an pädagogische Fachkräfte gestellt, „sich aktiv und eigenverantwortlich für gesundheitsfördernde Rahmen und Arbeitsbedingungen einzusetzen“ (Prüver, 2015, S. 2). Jedoch darf die Verantwortung zur Gesundheitsförderung in Kitas nicht allein auf der einzelnen Fachkraft lasten, da es systemischer Veränderungen bedarf, um das gesamte Setting gesundheitsförderlicher zu gestalten. (vgl. Viernickel/Voss 2013, S. 211)

Zielsetzung der Befragung und Vorgehen

Aus diesem Kontext heraus wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts von Studierenden des Bachelorstudiengangs Kindheitspädagogik an der Hochschule Emden/Leer der Fragestellung nachgegangen „Welche Bedarfe sehen pädagogische Fachkräfte zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz und wie werden vorhandene Maßnahmen bewertet?” So war es Ziel des Forschungsprojektes zu erheben, welche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung der Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen bereits umgesetzt wurden, und wie diese Maßnahmen von Fachkräften bewertet werden. Zudem sollte ermittelt werden, wo es noch Ausbaupotenziale gibt.

Die Daten der Untersuchung basieren dabei auf 92 Online-Fragebögen, die von Kita-Fachkräften in Niedersachsen im Zeitraum vom 06.12.22 bis 13.01.23 bearbeitet worden sind. Die Verteilung der Fragebögen an die Praxiseinrichtungen wurde durch das „Niedersächsische Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung“ (nifbe) und das „Netzwerk Kita und Gesundheit Niedersachsen“ unterstützt.

Die Auswertung der dadurch gesammelten Daten erfolgte mittels der deskriptiven Statistik (bei geschlossenen Fragen) und der qualitativen Inhaltsanalyse (bei teil-offenen und offenen Fragen).

Ergebnisse

Die Studie ergab, dass die Fachkräfte ihren persönlichen Gesundheitszustand mit einer Durchschnittsnote [2] von 3,05 eher mittelmäßig einschätzen. Zudem liegt die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen im letzten Jahr bei den Befragten bei 21,3 Tagen. Im Vergleich dazu waren in Deutschland im Jahr 2021 Arbeitnehmer*innen durchschnittlich an 11,2 Arbeitstagen krank, sodass die Anzahl an Krankheitstage bei den befragten Fachkräften deutlich erhöht ist. (vgl. Statistisches Bundesamt 2023, o. S.).

Als die sechs stärksten Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz Kita haben sich der Kontakt mit Infektionskrankheiten, Personalmangel, die zunehmende Komplexität der Arbeitsanforderungen, Lärm, Arbeitshaltung, Konflikte im Team und fehlende Mitarbeiterräume herausgestellt.

Gleichzeitig bewerteten die Befragten von den bereits vorhandenen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung in den Einrichtungen diejenigen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten mit einer Durchschnittsnote von 2,89 am besten. Darauf folgen Maßnahmen zur Zusammenarbeit im Team (3,11), Maßnahmen zum Umgang mit der zunehmenden Komplexität der Arbeitsanforderungen (3,37) sowie Maßnahmen zum Umgang mit Personal- und Zeitmangel (3,56). Maßnahmen zum Lärmschutz (3,81) als auch Maßnahmen im Hinblick auf den Bewegungsapparat und körperliche Aktivität (4,11) schneiden in der Befragung am schlechtesten ab.

Zu einer gesundheitsförderlichen Gestaltung des Arbeitsplatzes Kita würde den Befragten zufolge eine konzeptionelle Verankerung von Gesundheitsförderung der Fachkräfte, die Kontrolle durch externe Stellen sowie zusätzliche Springerkräfte beitragen.

Schlussfolgerungen

Aus den Befragungsergebnissen geht hervor, dass nach wie vor ein deutlicher Bedarf für die Gesundheitsförderung von pädagogischen Fachkräften besteht und die bis jetzt im Feld eingesetzten Maßnahmen nicht ausreichend greifen. Besonders für die Attraktivität des Berufsfeldes und die Gewinnung und Sicherung von Fachkräften stellt Gesundheitsförderung ein zentrales Thema dar. Als Voraussetzung für professionelles Handeln und um eine hohe Qualität in frühpädagogischen Bildungseinrichtungen zu ermöglichen, muss die Gesundheit der Fachkräfte langfristig mitgedacht werden.

Zudem lässt sich aus den Ergebnissen der Studie die Notwendigkeit ableiten, dass Themen wie Gesundheitsförderung und betriebliches Gesundheitsmanagement in der Ausbildung und den Studiengängen der zukünftigen Fachkräfte als fester Bestandteil verankert werden sollten. Auf diese Weise würde der Relevanz der Thematik für das Arbeitsfeld Kita Sorge getragen werden und angehende Fachkräfte dazu sensibilisiert und befähigt werden, die Weiterentwicklung gesundheitsförderlicher Strukturen am Arbeitsplatz kompetent mitzugestalten.

Durch die Befragung konnte festgestellt werden, dass viele Maßnahmen flächendeckend nicht vorhanden sind oder Maßnahmen nicht das gewünschte Ergebnis herbeiführen. Der deutliche Wunsch der Fachkräfte nach einer stärkeren Gesundheitsförderung z.B. durch Kontakte zu Beratungsstellen und Fitness-Studios, spiegelt diesen Mangel wider. Besonders gravierend ist das schlechte Abschneiden im Bereich der Lärmschutzmaßnahmen. Sowohl Politik als auch Träger sind hierbei gefragt, um die Lärmbelastung, der sich die Fachkräfte täglich ausgesetzt sehen, zu reduzieren. Kontrolle durch externe Stellen würde dazu beitragen, die Umsetzung entsprechender Maßnahmen zu sichern.
Abschließend lässt sich resümieren, dass Gesundheitsförderung als Schlüssel zur Fachkräftegewinnung und Qualitätssicherung im frühpädagogischen Bereich stärker in den Fokus genommen werden sollte.

Ausblick für weitere Forschung

Für eine größere Stichprobe vorhandener Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und deren Bewertung, wäre die Einbeziehung von und der Vergleich mit anderen Bundesländern empfehlenswert. Methodische Unterschiede in Kitas und wahrgenommene Wirksamkeit könnten so weiterführende Erkenntnisse hervorbringen. Interessant wäre es in diesem Zusammenhang auch einzelne Maßnahmen in Kitas auf ihre Wirksamkeit hin zu evaluieren. Inwieweit die individuelle Person mit ihren Bedürfnissen oder aber auch die Rahmenbedingungen der einzelnen Kitas Einfluss auf eine gelingende Gesundheitsförderung haben, könnte dabei ebenfalls Ansatz für weitere Forschung sein.



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Anmerkungen
[1] Viernickel und Voss zufolge beinhaltet die Strukturqualität „rechtliche, organisatorische und soziale Rahmenbedingungen ebenso wie finanzielle, personelle und materielle Ausstattungsmerkmale.“ (Viernickel/Voss 2013, S. 11)
[2] Der Bewertungsskala 1 bis 6 werden Schulnoten, entsprechend dem deutschen Notensystem, zugrunde gelegt. (1 = sehr gut, 2 = gut, 3 = befriedigend, 4 = ausreichend, 5 = mangelhaft, 6 = ungenügend)

Literatur