Lernort Praxis weiterentwickeln – Praxismentoring konzeptionell verankern



Zum Praxismentoring qualifizieren ■ Zu den drängendsten Herausforderungen in den Kitas gehören der Fachkräftemangel und die Qualitätsentwicklung. Beide Themen werden die Kitas noch auf Jahre hinaus beschäftigen und bedürfen langfristiger Strategien ebenso wie praktischer Handlungsansätze – Praxismentoring wird dabei als ein geeigneter Baustein bislang unterschätzt.

Die Ausbildungszahlen frühpädagogischer Fachkräfte haben in den letzten Jahren enorm zugenommen – die Bedeutung des Lernortes Praxis ist dabei stark gewachsen. Vor diesem Hintergrund werden seit 2019 in Niedersachsen Qualifizierungen zum Praxismentoring durch das Nds. Kultusministerium gefördert. Über 700 Fachkräfte konnten bereits fortgebildet werden. Ausgangspunkt für die Qualifizierungsinitiative war das Bestreben, Fachkräften in den Kitas Handlungsorientierung und -sicherheit zu geben, um Auszubildende am Lernort Praxis gut begleiten und in ihrer Entwicklung von Professionalität unterstützen zu können.

Lernort Praxis von grundlegender Bedeutung

Eine gute Ausbildung pädagogischer Fachkräfte ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Qualität in einer Kita. Sicherlich reicht diese allein nicht aus, aber ihre grundlegende Bedeutung ist unbestritten. Was nun eine gute Ausbildung ausmacht, wird dabei durchaus kontrovers diskutiert. Ein didaktisches Prinzip der Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte wird allerdings seit jeher als zentrales Qualitätskriterium angesehen: der "Theorie-Praxis-Bezug“.

Schon in den 70er Jahren wurde dieser als Grundlage der Erzieher/innenausbildung formuliert, wonach sich "Theorie und Praxis“ in der Ausbildung wechselseitig bedingen und ergänzen müssen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass professionelles pädagogisches Handeln nicht allein auf theoretisch begründetem Wissen beruht, sondern auch auf praktischen Erfahrungen. Damit erhält der Lernort »Praxis« eine zentrale Stellung.

Erst im Anwendungsbezug in den pädagogischen Praxiseinrichtungen wie z.B. den Kitas lernen die Auszubildenden theoretisch erworbene Kenntnisse in die Praxis umzusetzen und erfahren in der praktischen Tätigkeit, wie wichtig Fachwissen ist. (Niedersächsisches Kultusministerium, 2017, S. 3) Dabei sollen die Auszubildenden schrittweise in ihre Berufsrolle hineinwachsen und lernen, ihre Zielgruppe professional wahrzunehmen sowie sich professionelle Handlungskonzepte anzueignen und zu erproben.

Praxismentoring als wichtige Aufgabe

Die Ausbildungsverantwortung liegt dabei formal bei der ausbildenden Berufsfach- oder Fachschule. Allerdings kann die praktische Ausbildung nur gelingen, wenn Praxiseinrichtung und Schule eng kooperieren. Eine wichtige Verbindungsstelle ist dabei die Praxismentorin bzw. der Praxismentor, deren zentrale Aufgabe darin besteht, die Auszubildenden in deren Lernprozessen fachlich anzuleiten, zu beraten und zu unterstützen.

Anleiten meint dabei, den Auszubildenden Hinweise und Impulse für ihr pädagogisches Handeln zu geben. Beratung greift dann, wenn hierbei eigene Wege gesucht werden und die Auszubildenden diese erörtern möchten. Beratung kann sich dabei auch auf allgemeine berufliche Fragen beziehen. Die Praxismentoren sollen die Auszubildende bzw. den Auszubildenden außerdem im pädagogischen Alltag unterstützen, etwa wenn es um organisatorische Anliegen in der Einrichtung, um die Nutzung von Fachliteratur oder um den Ausbildungsbesuch der Lehrkraft geht. (Niedersächsisches Kultusministerium, 2017, S. 8)

Unerlässlich ist dabei eine kontinuierliche Gesprächs- und Reflexionsbeziehung zu den Auszubildenden, die auch zeitlich organisiert werden muss. Praxismentoring stellt damit eine pädagogische und praktische Herausforderung dar, die angemessene Ressourcen erfordert. Daher ist Praxismentoring auch nicht die Aufgabe einer einzelnen Fachkraft, sondern der gesamten Einrichtung. Über die konkrete Begleitung der Auszubildenden hinaus gehören Aufgaben dazu, wie das Praxismentoring in der Einrichtung zu organisieren sowie die zugehörigen Prozesse und Konzepte im Alltag der Kindertageseinrichtung zu integrieren. Nicht zuletzt ist das Praxismentoring im Team und in der Konzeption der Kita zu verankern.

Praxismentoring als Instrument der Qualitätssicherung

Ein in den Einrichtungen gut verankertes Praxismentoring zeigt dabei nicht nur positive Wirkungen auf der Ebene der Ausbildung von Fachkräften, sondern zweitens auch auf der Ebene der pädagogischen Arbeit der Kita insgesamt und drittens der Praxismentor/innen selbst.

Ein Team, das gemeinsam den Anspruch an eine gute Ausbildung formuliert, entwickelt eine Kultur des Austausches, der Reflexion und der kollegialen Beratung. Ziel ist es, damit den Fragen der Auszubildenden begegnen und die eigenen Handlungen begründen zu können. Dabei wird die eigene fachliche Position herausgefordert, gerade auch durch den Außenblick der Auszubildenden und dem der Schule. Praxismentoring hat damit Auswirkungen auf die Arbeit der gesamten Einrichtung.

Nicht zuletzt können vor diesem Hintergrund aus dem Praxismentoring auch konzeptionelle Überlegungen zur Unterstützung von freiwilligen Kräften, Berufsanfänger/innen und Wiedereinsteiger/innen abgeleitet werden. Damit kann einem Überlastungsgefühl durch fehlendeEinarbeitung entgegengewirkt werden, welches häufig die Begründung für den Stellenwechsel einer Fachkraft darstellt. Nicht unterschätzt werden darf die dritte Wirkungsebene: Praxismentoring dient auch der ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   und Steigerung der beruflichen Zufriedenheit von Fachkräften, die als Praxismentor/innen arbeiten. Sie erleben die zunehmende Bedeutung ihrer Tätigkeit. Dies setzt allerdings voraus, dass sie als Praxismentor/in in ihrer Kita wertgeschätzt und durch z.B. zeitliche Ressourcen unterstützt werden. Praxismentoring dient damit der Personalbindung.

Das gilt einerseits natürlich bezogen auf die Auszubildenden, die sich in einer Kita gut angenommen und begleitet fühlen und diese dann als zukünftige Arbeitsstelle sehen, aber auch im Hinblick auf die eigenen Fachkräfte, die mit der Aufgabe des Praxismentorings betraut werden und darin wertvolle berufliche Impulse und Möglichkeiten der Professionalisierung erfahren. Es lohnt sich daher in vielerlei Hinsicht, ein konzeptionell begründetes und mit Ressourcen versehenes Praxismentoring in einer Kita zu entwickeln.

Qualifizierungsinitiative zum Praxismentoring

Um sozialpädagogische Fachkräfte bei der Erfüllung der vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben des Praxismentorings zu unterstützen und den Ausbildungsort Praxis zu stärken, hat das Niedersächsische Kultusministerium 2019 die Qualizierung von sozialpädagogischen Fachkräften zu Praxismentor/innen initiiert. Expert/innen aus Ausbildung und Praxis haben dazu vorweg gemeinsam ein Curriculum erarbeitet, in dem die Kompetenzziele einer 44 Unterrichtseinheiten (UE) umfassenden Grundqualifizierung sowie einer 24 UE umfassenden Zusatzqualifizierung beschrieben werden.

Über die Agentur für Erwachsenen- und Weiterbildung in Niedersachsen werden seit Januar 2019 landesweit rund 46 Kurse der Grund- und Zusatzqualifizierung von verschiedenen Bildungsanbietern durchgeführt. Die Kurse werden vom Nds. Kultusministerium gefördert und sind für die Teilnehmer/innen kostenfrei.


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
KiTa Aktuell ND, 4-2020, S. 96 - 98


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