Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen Kita und Familie

Ein Konzept auf dem erziehungswissenschaftlichen Prüfstand

In der fachlichen und fachpolitischen Debatte zur frühen Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern und in den entsprechenden Dokumenten wie z.B. den Bildungs- und Erziehungsplänen der Länder, wurde in den letzten Jahr(zehnt)en ein Konzept prominent: die Partnerschaft zwischen allen Beteiligten. Dieses Konzept – zumeist ist von einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft die Rede – dient zunächst einmal dazu, das (neue) Verhältnis zwischen Kita und Familie sowie zwischen Schule und Familie zu beschreiben und näher zu bestimmen. Teilweise geht es dabei auch um das (neue) Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern an der Schnittstelle von Kita, Schule und Familie.

Mit Partnerschaft wird dabei zumeist Wechselseitigkeit, geteilte Verantwortung, gemeinsames Handeln, Dialogbereitschaft, intensive Kommunikation und Kooperation ‚auf Augenhöhe‘, symmetrische Beziehungen, Gleichwertigkeit, täglicher Austausch, Offenheit, Vertrauen, Respekt, Mitwirkung sowie Machtteilung verbunden. In den Empfehlungen für pädagogische Fachkräfte, KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung. personen, Einrichtungsleitungen, Träger, Jugendämter, Fachverbände und Verantwortliche in Verwaltung und Politik von der Deutschen Liga für das Kind & Save the Children (2017) heißt es z .B.: „Wenn diese Partnerschaft gelingt, findet das Kind die besten Entwicklungsbedingungen vor. Familie und Kita bzw. Kindertagespflegestelle öffnen sich füreinander, machen ihre Erziehungsvorstellungen und Bildungsangebote im wechselseitigen Austausch transparent, richten ihr gemeinsames Handeln am Wohl des Kindes aus und unterstützen sich hierbei wechselseitig“ (ebd., S. 5).

Im Folgenden geht es (1) um solche und ähnliche Darstellungsweisen des Konzepts in ausgewählten Dokumenten der praxisorientierten Fachdebatte sowie (2) um relevante Ergebnisse aus empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.en Studien zum Themenfeld. Grundlage der Analyse bildet die intensive Auseinandersetzung zum einen mit konzeptionellen Fachartikeln zur Bildungs- und Erziehungspartnerschaft u.a. in praxisbezogenen Fachzeitschriften, mit Handlungsempfehlungen und mit den Bildungs- und Erziehungsplänen der Länder.

Zum anderen wurde der wissenschaftliche und insbesondere empirische Wissensstand zum Themenfeld umfassend aufgearbeitet sowie eigene empirische Analysen in Kitas und mit pädagogischen Fachkräften und Eltern durchgeführt (Betz et al. 2017; Betz et al. 2019). Aus einer erziehungswissenschaftlich-kritischen Perspektive wird im Beitrag das Spannungsfeld zwischen normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Vorgaben und der Realität von Bildungs- und Erziehungspartnerschaft in der frühen Bildung, Betreuung und Erziehung beleuchtet. Das Ziel ist es, dafür zu sensibilisieren, welche Fallstricke im Reden und Schreiben über Bildungs- und Erziehungspartnerschaft liegen und mit welchen Herausforderungen dieses Konzept (daher) auch in der pädagogischen Praxis verbunden ist.

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft als fachlich-praxisorientiertes Konzept

Die Bildungs- und Erziehungspläne, konzeptionelle Artikel in Praxiszeitschriften und Handlungsempfehlungen sowie Vorträge auf Fachtagungen dienen u.a. dazu, pädagogischen Fachkräften und Kindertagespflegepersonen Orientierungs- und Reflexionswissen bereit zu stellen und zu einer fachlichen Auseinandersetzung anzuregen. Beim Lesen vieler dieser Dokumente fällt auf, dass nahezu alles, was mit Partnerschaft zu tun hat, einseitig positiv beschrieben wird wie z.B., dass sich Kita und Familie in der Partnerschaft wechselseitig unterstützen und sich Kita und Familie füreinander öffnen. Darüber hinaus werden ausschließlich positive Wirkungen der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft skizziert: die Fachkräfte werden entlastet, die Eltern als Expertinnen und Experten anerkannt und wertgeschätzt und vor allem die Kinder profitieren davon, wenn Fachkräfte und Eltern partnerschaftlich zusammenarbeiten (ebd.).

Ein typisches Beispiel liefert der Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Hessen (vgl. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration/Hessisches Kultusministerium 2016). Dort wird u.a. dargelegt, dass in der Zusammenarbeit mit Eltern eine Erziehungspartnerschaft angestrebt werden soll, und weiter: „Hier öffnen sich beide Seiten füreinander, tauschen ihre Erziehungsvorstellungen aus und kooperieren zum Wohl der Kinder. Bei einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit findet das Kind ideale Entwicklungsbedingungen vor: Es erlebt, dass Familie bzw. Tagespflegeeltern und Kindertageseinrichtung bzw. Schule eine positive Einstellung zueinander haben und (viel) voneinander wissen, dass beide Seiten gleichermaßen an seinem Wohl interessiert sind und sich ihm gegenüber erzieherisch ähnlich verhalten“ (ebd., S. 108).

Zunächst wird festgehalten, dass fachlich und fachpolitisch eine Partnerschaft erwünscht ist. Dann wird ausschließlich positiv gerahmt, was diese Partnerschaft ausmacht: Offenheit, Austausch und Kooperation zum Wohl der Kinder. Zugleich werden – und auch dies trifft auf sehr viele Texte zu – vermeintliche Tatsachen festgehalten, wie z.B., dass das Kind „ideale Entwicklungsbedingungen“ vorfindet und was das Kind „erlebt“ (ebd.) nämlich u.a., dass beide Seiten sich dem Kind gegenüber „erzieherisch ähnlich verhalten“.

Der erste Kritikpunkt ist darin zu sehen, dass gerade in Bildungs- und Erziehungsplänen, also offiziellen Dokumenten mit mehr oder weniger verbindlichem Charakter, solche Darstellungsweisen aufzufinden sind, die suggerieren, dass das Geschriebene den Tatsachen entspricht, d.h. bereits so umgesetzt wird und vor allem keine anderen z.B. gegenläufigen Ansichten oder Ergebnisse vorliegen. Der normative Charakter des Dargestellten wird dabei nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Das Gesagte wirkt durch die Art und Weise wie es dargestellt wird – oftmals als Tatsachenbericht – und durch den Ort (ein Bildungs- und Erziehungsplan oder ein wissenschaftliches Fachbuch) und die Autorinnen und Autoren (z.B. ein Ministerium) die den Inhalt vortragen, so, als ob es gültig und wahr wäre.

Aber es gibt keine belastbaren Studien, die in dieser Eindeutigkeit nachweisen könnten, z.B. was Kinder in der Partnerschaft ‚erleben‘ und ob eine Partnerschaft für Kinder ‚ideal‘ ist (vgl. Betz 2015; Betz et al. 2017). Die Forschungslandschaft ist sehr heterogen und die Befunde vielschichtig (ebd.). V Viele Forschungsergebnisse sind nicht direkt miteinander vergleichbar, können für unterschiedliche Argumente herangezogen werden, und zahlreiche Studien liefern Einblicke in Spannungsfelder bei der Umsetzung einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft (siehe unten), von denen in den Dokumenten kaum oder gar nicht die Rede ist. Pauschale Aussagen wie z.B., dass eine ‚gelungene‘ Partnerschaft für Kinder ideal oder ‚das Beste‘ sei, zumindest ausschließlich positiv zu sehen ist, sind daher mit Vorsicht zu betrachten.

Es ist nicht grundsätzlich problematisch, dass es normative Vorgaben gibt, die handlungsleitend für Fachkräfte sind und als Orientierung für die frühpädagogische Praxis dienen können. Die hier dargelegte Kritik an solchen Darstellungsformen liegt auf einer anderen Ebene. Sie soll Fach- und Leitungskräfte dafür sensibilisieren, welche Position sie gegenüber diesem Konzept einnehmen wollen.

Der Leserin bzw. dem Leser wird, und dies ist der zweite Kritikpunkt, suggeriert, dass es heutzutage alternativlos sei, partnerschaftlich mit den Eltern zusammenzuarbeiten, da dies „ideal“ für das Kind wäre. Damit aber steckt in vielen Darstellungen nicht nur der normative Maßstab, wie das gegenwärtige Verhältnis zwischen Fachkräften und Eltern gestaltet werden soll. Vielmehr handelt es sich um einen moralischen Appell, wie Fachkräfte (und Eltern) handeln sollen, den es nicht zu hinterfragen gilt. Denn wer möchte schon ‚falsch‘ mit den Eltern zusammenarbeiten oder gar riskieren, dass er oder sie nicht zum Wohl des Kindes handelt und dessen ‚ideale‘ Entwicklung gefährdet?

Dabei wird der Eindruck erzeugt, dass Partnerschaft wissenschaftlich eindeutig zu bestimmen wäre und ausschließlich positiv zu sehen ist. Das aber ist nicht zutreffend. Je nachdem welche wissenschaftliche Perspektive eingenommen wird, je nachdem auf welchen Theorien die Analysen basieren, kommt man zu unterschiedlichen Einschätzungen.

Ohne hier ins Detail gehen zu können, ist festzuhalten, dass z.B. professionstheoretisch (Amlong 2018), kindheits- und ungleichheitstheoretisch (Betz et al. 2017), systemtheoretisch (Knoll 2018) oder auch gesellschaftstheoretisch Großkopf (2017) das Partnerschaftskonzept erst einmal viele Fragen aufwirft. Offen zu diskutieren wäre, inwiefern Partnerschaft theoretisch überhaupt möglich ist, zwischen wem und in welchen spezifischen Konstellationen sie denkbar (und realisierbar) ist.

Die Problematik der gängigen Darstellungen der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft liegt dabei drittens auch darin, dass Fachkräfte und Eltern unter Druck gesetzt werden, die keine Partnerschaft realisiert haben, wie sie in der Fachliteratur beschrieben wird. Das pädagogische Handeln der Fachkräfte und das Verhalten der Eltern entsprechen nicht den festgesetzten Vorgaben dafür, wie ‚das‘ gute Verhältnis zwischen Kita und Familie sein ‚muss‘. Dabei ist davon auszugehen, dass es die in der Literatur beschriebene Form von Partnerschaft in der empirischen Realität in Kitas nur selten gibt, so dass quasi automatisch die Mehrheit der Kitas bzw. das Handeln der Fachkräfte in dieser Hinsicht als ‚schlecht‘ bewertet werden müsste.

Diese Annahme ist naheliegend beispielsweise in Bezug auf gängige Anforderungen, die in der Fachliteratur formuliert werden. Dazu gehört beispielsweise, dass eine Partnerschaft dann gelungen und qualitativ hochwertig ist, wenn es einen „alltägliche(n) Austausch beim Hinbringen und Abholen des Kindes“ zwischen Fachkräften und Eltern gibt (Deutsche Liga für das Kind & Save the Children 2017, S. 7) oder wenn „Pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten und Kindertagespflegepersonen (...) im täglichen informellen Austausch mit den Eltern über Erlebnisse, Erfahrungen und Entwicklungsschritte ihres Kindes“ sind (Vodafone Stiftung 2014, S. 22).

Aus eigenen Studien gibt es Hinweise darauf, dass zum einen Fachkräfte systematisch zu wenig Zeit für einen solchen Austausch beklagen und zum anderen, dass Fachkräfte in Teilen Eltern mit dafür verantwortlich machen, wenn sie diesem Qualitätsstandard nicht entsprechen können. Dies ist etwa der Fall, wenn das Kind nicht täglich von Mutter oder Vater, sondern z.B. von älteren Geschwistern abgeholt wird oder wenn die Eltern „zu wenig“ Zeit mitbringen um – in diesem Verständnis – ein „guter Partner“ der Fachkräfte zu sein. Zudem gilt es im Blick zu behalten, dass es ebenfalls keine eindeutigen empirischen Befunde dafür gibt, dass tatsächlich nur ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Fachkräften und Eltern als ‚qualitativ hochwertig‘ eingestuft werden kann und nicht z.B. eine wertschätzende, aber deutlich asymmetrische Form der Zusammenarbeit mit Eltern oder eben keinen täglichen Austausch über die ‚Entwicklungsschritte‘ des Kindes.

Die Maßgabe „Partnerschaft!“ wird in der Literatur häufig damit verbunden, dass beide Seiten, Fachkräfte und Eltern, ‚an einem Strang‘ ziehen (sollen) und konsensorientiert kommunizieren und gemeinsam handeln (sollen). Damit ist ein vierter Kritikpunkt angesprochen: Der alleinige Maßstab, dass in der (guten) pädagogischen Praxis Konsens herzustellen sei und stets das Gemeinsame hervorgehoben wird, verdeckt, dass es auch Dissens, Irritationen und Infragestellen geben kann und geben muss, um für Unterschiede und gegenläufige Ansichten sensibilisiert zu werden und diese einer gemeinsamen Bearbeitung zugänglich zu machen (Betz et al. 2017).

Anstatt Fachkräften und ebenso Eltern die Möglichkeiten zu eröffnen, auch Widersprüche und gegenteilige Ansichten und Vorstellungen darzulegen und Formen des Umgangs damit zu erarbeiten, wird suggeriert, dass dies kein Ausdruck einer guten Partnerschaft sein könne. Dieser Maßstab zeigt sich auch mit Blick auf das Kind. Auch hier geht es um Konsistenz, Gleichheit und Ähnlichkeit zwischen Kita und Familie (siehe oben). Denkbar wäre aber z.B., dass es auch für Kinder bereichernd sein kann, wenn es eine „Inkonsistenz“ zwischen Kita und Familie gibt und das Kind in der Kita etwas anderes erlebt als Zuhause (Brock 2012; Knoll 2018). Auch zeigen Studien, dass es heterogene Vorstellungen dazu gibt, was Partnerschaft konkret für Fachkräfte und Eltern bedeutet und dass bestimmte Fachkräfte und Eltern zwar sehr an einem guten Verhältnis zueinander interessiert sind, aber das Ideal der Partnerschaft, wie es in der Literatur beschrieben wird (siehe oben), dennoch nicht teilen. Dies ist nicht automatisch damit gleichzusetzen, dass diese Fachkräfte und Eltern nicht am Wohl des Kindes und seiner bestmöglichen Entwicklung interessiert wären (Betz et al. 2019; Vourisalo 2018).

Bildungs- und Erziehungspartnerschaft im Licht empirischer Forschung

Es gibt eine beachtliche Zahl an Studien, die Einblicke in das Zusammenspiel von Kita und Familie ermöglichen (ausführlich: Betz et al. 2017). Allerdings lässt sich kaum auseinanderhalten, ob spezifisch Bildungs- und Erziehungspartnerschaft erforscht wurde oder Formen der Elternbeteiligung oder die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Familien im Allgemeinen.
Tatsache ist, dass die Befunde sehr vielschichtig sind und daher sehr kleinteilig zu betrachten sind.

Die Kinder stehen immer im Mittelpunkt der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft?!
Die Aussage, dass es viele Studien gibt, muss mit einer Einschränkung versehen werden: Mit Blick auf die empirische Forschung und die Fachdebatte gleichermaßen, wird deutlich, dass trotz anderweitiger Rhetorik, die Erwachsenen und ihre Positionen und Perspektiven dominieren. In der Flut an Veröffentlichungen, Fachtagungen und fachlichen Vorgaben für die pädagogische Praxis, gehen zugleich die spezifischen Positionen und Perspektiven der Kinder unter. Nur ein sehr kleiner Teil der Literatur beschäftigt sich überhaupt damit, welche Perspektiven Kinder auf Zusammenarbeit sowie Bildungs- und Erziehungspartnerschaft haben oder welche Positionen Kinder im Verhältnis zwischen Kita und Familie einnehmen (Betz et al. 2019).

Damit aber erfolgt nur selten eine Sensibilisierung dafür, was es für Kinder, die nicht ausschließlich als zu optimierende Entwicklungswesen betrachtet werden, bedeuten kann, wenn sich ihre Eltern und ihre Fachkräfte täglich und intensiver austauschen, stärker kooperieren und sich – wie dies als Maßstab gesetzt wird – wechselseitig öffnen. Eigene Analysen zeigen, dass eine Partnerschaft für Kinder viel ambivalenter sein kann als bislang diskutiert. Die Maßgabe, dass Kita und Familie viel voneinander wissen und sich dem Kind gegenüber erzieherisch ähnlich verhalten, ist, aus der Perspektive von Kindern, nicht ausschließlich positiv zu sehen. Negativ kann z.B. sein, dass damit auch Freiräume für Kinder eingeschränkt werden und dass sich Fachkräfte und Eltern gemeinsam als Partner gegen das Kind verbünden (Betz et al. 2019). Diese empirischen Einsichten sollten Anlass sein, nicht nur einseitig davon auszugehen, dass Kinder immer „die Gewinner“ der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft sind (Roth 2014), sondern auch darüber zu reflektieren, dass und inwiefern sie zu Verlierern werden könnten.

In einigen Studien wird zudem deutlich, wie voraussetzungsvoll die Rede von einer symmetrischen Kommunikation und Kooperation ist. Cloos, Schulz und Thomas (2013) beispielsweise zeigen, wie das prozessorientierte Beobachten und Dokumentieren in Elterngesprächen vollzogen wird. Sie kommen zu dem Schluss, dass in den Gesprächen – anders als normativ vorgegeben – keine Partnerschaft „auf gleicher Augenhöhe“ hergestellt wird (ebd., S. 263). Vielmehr wird „Bildung als institutionelle Leistung des Kindergartens aufgeführt“, wobei „Eltern bzw. zumeist Mütter dabei Zuschauerinnen und Kommentatorinnen der Bildungsinszenierung werden und diese institutionellen Leistungen zu honorieren haben“ (ebd.).

Dies spiegelt ein asymmetrisches Verhältnis wider. Gerade durch die ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   frühpädagogischer Fachkräfte, durch zahlreiche fachliche Vorgaben, wie eine gute Kita-Praxis auszusehen hat, und angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen, denen in der Kita begegnet werden soll, wie z.B. zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen, wird es zu einer großen Aufgabe für Fachkräfte, allen Eltern als gleichen Partnerinnen und Partnern zu begegnen und sie als Expertinnen und Experten anzuerkennen.

Damit lässt sich auf eine weitere Schwierigkeit hinweisen: Eigene Analysen (Betz et al. 2019) sowie u.a. die Studie von Viernickel et a l. (2013) zeigen deutliche Zusammenhänge zwischen der Gestaltung der Zusammenarbeit bzw. Partnerschaft mit Eltern und den zur Verfügung stehenden Ressourcen der Institutionen auf. Fachkräfte stehen vor einem Umsetzungsdilemma und es liegt nahe, dass eine Partnerschaft sehr zeitintensiv und anspruchsvoll ist und nicht automatisch alles leichter wird (siehe oben), wenn sich Fachkräfte darum bemühen partnerschaftlich mit den Eltern zusammenzuarbeiten.

Durch Partnerschaft wird für Fachkräfte alles leichter?

Unter zumeist restriktiven Bedingungen in Bezug auf Zeitkontingente, fachliche Ressourcen und Personalkapazitäten und -fluktuation, sind Konzepte, die diese Bedingungen nicht automatisch mit in Rechnung stellen, nur vordergründig praxisnah. Die realen alltäglichen Bedingungen auf Seiten der Fachkräfte – aber ebenso auf Seiten der Eltern wie z.B. wenig Zeit aufgrund von Arbeitstätigkeit oder in Mehrkindfamilien, bei denen Kinder unterschiedliche Institutionen besuchen (Betz 2015) – wären daher stärker zu reflektieren und systematisch zu berücksichtigen. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass es nicht nur an der häufig in der Fachliteratur zitierten „inneren Haltung“ der Fachkräfte liegt, ob Partnerschaften mit den Eltern ge- oder misslingen, sondern ebenso an den jeweiligen Eltern selbst sowie an organisatorischen, fachlichen, rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in der Fachdebatte eine normative Vorstellung einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft dominiert, die nicht der Realität entsprechen muss und der höchstwahrscheinlich auch in den meisten Kitas nicht entsprochen wird und – das kommt erschwerend hinzu – auch nicht entsprochen werden kann. Zu selten wird diskutiert und gefragt, was Partnerschaft in der empirischen Realität – für Fachkräfte, für Eltern und für Kinder – bedeutet und inwiefern sie im pädagogischen Alltag realisiert werden sollte.

Aus der hier skizzierten erziehungswissenschaftlich-kritischen Perspektive ist es möglich, für systematische Schwierigkeiten – auch in der Partnerschaft – zu sensibilisieren. Unter Heranziehung unterschiedlicher theoretischer und empirischer Grundlagen lässt sich das Spannungsfeld zwischen normativen Vorgaben und der Wirklichkeit von Bildungs- und Erziehungspartnerschaft deutlicher hervorheben, so dass sich Herausforderungen formulieren lassen, mit denen dieses Konzept in der pädagogischen Praxis verbunden ist und die es zu bearbeiten gilt.

Diese Einschätzung bedeutet zugleich, dass die pädagogische Praxis vor Ort mehr Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten hat, das Verhältnis zwischen Fachkräften, Eltern und Kindern auf unterschiedliche Art und Weise auszugestalten als es zunächst scheint. Damit eröffnen sich für die Beteiligten Handlungsspielräume. Sie können im Dialog miteinander aushandeln, wie sie angesichts mitunter restriktiver Rahmenbedingungen auf beiden Seiten gut zusammenarbeiten wollen und dabei die Perspektiven aller Beteiligten – auch die der Kinder – in Betracht ziehen (wollen).



LITERATUR
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Betz, T., Bischoff, S., Eunicke, N., Kayser, L. B., Zink, K. (2017): Partner auf Augenhöhe? Forschungsbefunde zur Zusammenarbeit von Familien, Kitas und Schulen mit Blick auf Bildungschancen. Gütersloh.
Brock, I. (2012): Frühpädagogische Fachkräfte und Eltern – Psychodynamische Aspekte der Zusammenarbeit (WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Expertise Band 25). München.
Cloos, P., Schulz, M., Thomas, S. (2013): Wirkung professioneller Bildungsbegleitung von Eltern. Rekonstruktive Forschungsperspektiven auf kindheitspädagogische Settings. In: Correll, L., Lepperhoff, J. (Hrsg.), Frühe Bildung in d er Familie. Perspektiven d er Familienbildung. Weinheim und Basel, S. 253-267.
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Großkopf, S. (2018): Rezension zu: Tanja Betz, Stefanie Bischoff, Nicoletta Eunicke, Laura B. Kayser, Katharina Zink: Partner auf Augenhöhe? Forschungsbefunde zur Zusammenarbeit von Familien, Kitas und Schulen mit Blick auf Bildungschancen. Verlag Bertelsmann Stiftung (Gütersloh) 2017. In: socialnet Rezensionen, https://www.socialnet.de/rezensionen/24644.php, (Abruf am 5.11.2018).
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Vourisalo, M. (2018): Parents positioning themselves as partners in Finnish preschool? Vortrag auf dem DGfE-Kongress “Bewegungen” am 21.3.2018 in Essen.

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
frühe kindheit 6-2018, S. 22 - 29