Aus MINT wird MINKT

Neue Verbindung von MINT und Kunst

MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik und sollte bereits früh gefördert werden. Und nun auch mit Kunst, heißt es in neueren Forschungsansätzen.

Der Antrieb zum Entdecken, zur Interaktion und Beobachtung beginnt in der frühen Kindheit. Gleichzeitig besteht heute ein wachsender Bedarf an naturwissenschaftlich qualifi zierten Arbeitnehmern. Kompetenzen im Bereich STEM, die englische Abkürzung für „Science, Technology, Engineering, Mathematics“, im Deutschen MINT genannt, werden gebraucht. Die Frage ist, wie eine Generation von Erwachsenen ausgebildet werden kann, die in der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts erfolgreich ist. Die Antwort lautet: früh in der Bildungskette zu beginnen und Naturwissenschaften und Kunst zu verbinden.

Früh beginnen

Die Zeit bis zum Alter von fünf Jahren ist in der Wissenschaft als zentral für die neurologische Entwicklung des Kindes akzeptiert. Die damit verbundenen biologisch geleiteten neuronalen Prozesse und die natürliche Neugierde des Kindes an der Funktionsweise der Welt machen die frühe Kindheit zu einem optimalen Zeitraum, um Kinder in naturwissenschaftliche Bereiche einzuführen. Auch fachliche Organisationen im Ausland wie die National Science Teacher Association (NSTA), die Next Generation Science Standards (NGSS) und die National Association for the Education of Young Children (NAEYC) bestätigen, dass es enorm wichtig ist, mit naturwissenschaftlichen Erkundungen in den frühesten Jahren zu beginnen.

Naturwissenschaftliche Kompetenzen fördern

Die NSTA hat und die NAEYC haben eine Positionserklärung abgegeben, die einen Vorschlag zur frühen MINT-Förderung beinhaltet: In einem forschungsbegründeten Förderansatz sollen Kinder in aktive Exploration und Partizipation im wissenschaftlichen Prozess involviert werden – durch Datensammlung, aufkommende Forschungsfragen und Überprüfung naturwissenschaftlicher Annahmen, beispielsweise, dass Gegenstände mit einer geringeren Dichte als Wasser schwimmen. Solche Prozesse ermöglichen Kindern die Teilnahme an naturwissenschaftlicher Forschung, geleitet durch kindliche Interessen und eigene Erfahrungen, durch Zusammenarbeit mit anderen Kindern und Erwachsenen und Nutzung authentischer wissenschaftlicher Werkzeuge.

Dieser Prozess ermutigt die jüngsten Lernenden, sich als Naturwissenschaftler wahrzunehmen. Der Fokus auf der Entwicklung und Überprüfung von diesen Annahmen ist dabei hilfreicher, um Neugierde und Engagement in weiterer Exploration zu wecken, als eine exakte wissenschaftliche Erklärung zu erzielen.

Forschungsbegründete Ansätze haben nachweislich positive Auswirkungen auf kindliches Interesse, auf die Verknüpfung von vorhandenem Wissen mit neuen Erkenntnissen, auf die Förderung kooperativen Lernens sowie die Merkfähigkeit und Denkfertigkeiten höherer Ordnung. Während die theoretischen Grundlagen von forschungsbegründeten Instruktionen und praktischen Lernerfahrungen in der Frühpädagogik gut etabliert sind, ist ihre Anwendung in den MINT-Bereichen relativ neu.
 
 

Die Rolle der Fachkräfte

Das Engagement der Fachkräfte ist wichtig bei der MINT-Förderung. Sie können kindliches Engagement durch Fragen, Bereitstellen von Begriffen und Herstellen von Verbindungen zwischen vormaligen und aktuellen Erfahrungen unterstützen. Wenn Fachkräfte solche Verhaltensweisen gegenüber Kleinkindern zeigen, reagieren diese mit länger dauernden, komplexeren, auf Vergleichen fokussierten Forschungsbemühungen. MINT-Förderung sollte daher integraler Bestandteil des Curriculums und der Gestaltung der Lernumgebung werden. Ein spielbasiertes Curriculum ist ein effektiver Ansatz für frühes Lernen. Diese Methode können Fachkräfte direkt auf MINT und den forschungsbezogenen Ansatz anwenden. Bei der Fokussierung auf Konzepte und Fertigkeiten werden Kinder ermutigt, eine führende Rolle in der Exploration zu übernehmen, offene Fragen zu stellen, nachzudenken, Theorien zu formulieren, Follow-up-Fragen zu stellen und weitere Untersuchungen anzustellen. Die Erweiterung des kindlichen Denkniveaus muss gemäß dem jeweiligen Entwicklungsstand erfolgen. Lernmöglichkeiten sind in der Regel in kindgerechten, geplanten und Routine-Aktivitäten integriert. Kinder können also nicht nur während des geplanten Unterrichtes lernen, sondern auch, wenn sie in für sie interessanten Tätigkeiten oder der Alltagsroutine involviert sind.
Auch die Qualität der Fachkräfte ist entscheidend für den Lernerfolg. Vorschulfachkräfte sind jedoch nicht für MINT-Förderung ausgebildet. In den traditionellen Methoden der Ausbildung pädagogischer Fachkräfte, wie Trainings, Workshops und Konferenzen, wird zwar das Bewusstsein der Fachkräfte geschult, sie stehen jedoch nicht in Zusammenhang mit der erweiterten Nutzung eines forschungsbegründeten Ansatzes. Berufl iche Weiterbildung sollte Möglichkeiten für die Fachkräfte zu aktiver Partizipation beinhalten und von Bedeutung für die Lernsituation sein. Eine Lehrerfortbildung für forschungsbegründete MINT-Förderung in der frühen Kindheit sollte Möglichkeiten zur Beobachtung von Aktivitäten und Praktiken in Lernsituationen beinhalten, Beispiele für verschiedene Kontextsituationen und Interaktionen zwischen Fachkraft und Kind vorstellen, aufzeigen, wie man bestimmte Situationen für den Lernprozess nutzen kann und wie sie Lernmöglichkeiten in Alltagsroutinen integrieren können.

Bildende Künste und MINT

Als „MINKT“, oder Englisch „STEAM“, wird die Integration der bildenden Künste in die MINT-Förderung bezeichnet. Die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Künste und Technologie. Die begrenzte Anzahl nationaler und internationale Studien dazu – insgesamt 22 Studien zwischen 2006 und 2016 – zeigt, dass es sich um ein recht neues Forschungsfeld handelt.

Die türkischen Wissenschaftler Aysun Ata Aktürk und Hasibe Özlen Demircan haben Studien aus diesem Bereich untersucht. Ihre wichtigsten Ergebnisse:

MINKT-begründete Bildung zielt darauf ab, Problemen mit Innovation, kreativem und kritischem Denken, Kooperation und effektiver Kommunikation zu begegnen. Nach den amerikanischen Autoren David A. Sousa and Tom Pilecki seien MINT und die bildenden Künste zwar in einigen Aspekten unabhängige Bereiche. So sind die bildenden Künste subjektiv, intuitiv, einzigartig und gefühlsbezogen, während die MINT-Bereiche objektiv, wiederholbar, logisch und analytisch sind. Andererseits seien bildende Künste und Naturwissenschaften zwei Bildungsbereiche, die sich gegenseitig ergänzen.

Manche Autoren behaupten, dass die Integration der bildenden Künste in die MINT-Fächer Kindern im vorschulischen Alter größere Erfolgschancen bei MINT ermöglicht, Motivation und Engagement sowie effizientes Lernen in den MINT-Fächern fördert. Darüber hinaus unterstützen die bildenden Künste feinmotorische Fertigkeiten und das visuelle räumliche Denken von Kindern, die für Leistungen in naturwissen¬schaftlichen Fächern erforderlich sind.

Kunst motiviert

In den letzten zehn Jahren lag der Schwerpunkt der Forschung zu MINT auf der Technik, ein Bereich, der in der frühen Bildung kaum vertreten ist. Zukünftige Forschung sollte die Integration weiterer Komponenten von MINT und der Kunst in die frühe Bildung beinhalten. Die erfassten Forschungsarbeiten konnten belegen, dass frühe MINT-Förderung sich positiv hinsichtlich der Kompetenzen von Vorschulkindern und des Erwerbes von MINT-Konzepten auswirkte. Tatsächlich sind viele Bildungsbereiche und Schulfächer wechselseitig miteinander verbunden und Lernen in einem Bereich kann Lernen in einem anderen Bereich unterstützen. So kann beispielsweise ein Kind seine Fähigkeit zur Bildung von Reihenfolgen durch die Beschäftigung mit Robotertechnik oder Programmierung verbessern oder seine Zählfähigkeit durch die Nutzung von Apps.

Kinder sollten daher bereits im vorschulischen Alter durch ein ihrer Entwicklung angemessenes Curriculum unterstützt werden, das auch MINT-Bereiche enthält, eine Forderung, die zunehmend in den Bildungsplänen in Deutschland Beachtung findet. Die Integration der bildenden Künste in ein solches Curriculum würde außerdem Kinder verstärkt motivieren, sich in naturwissenschaften-be-zogenen Aktivitäten zu engagieren. So würde nach der amerikanischen STEAM-Expertin Hedda Sharapan die Integration der Künste den Vorschulkindern die Chance bieten, MINT-Konzepte auf innovative und bildliche Weise darzustellen, ihre eigenen Gedanken zur Welt über Musik und Tanz zum Ausdruck zu bringen, Vorstellungen über Zeichnungen, Anfertigung von Modellen oder Grafiken zu illustrieren oder mit anderen in einer deskriptiven Sprache darüber zu kommunizieren.

Bislang wurden die Künste in der frühen Bildung hauptsächlich als Verstärker oder als eigenständige Aktivität genutzt und nicht in anderen Fachbereichen integriert. Voraussetzungen für einen veränderten didaktischen Ansatz sind die Förderung einer positiven Haltung und Fachkräfte, die selbstsicher Bildungsprozesse in naturwissenschaftlichen Bereichen organisieren.

Zum Weiterlesen:
  • Prof. Dr. Wassilios E. Fthenakis, Waltraut Walbiner: Der Einsatz neuer Technologien in der frühen Bildung . Herausforderungen und Perspektiven. Band 1, Reihe „Bildung braucht digitale Kompetenz“, 2018

Die Reihe „Bildung braucht digitale Kompetenz“ ist ein Projekt des Didacta Verbandes, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.

Weitere Bände sind:

Band 2: Die digitale Transformation der Gesellschaft – Zur Diskussion der digitalen Bildung aus nationaler und internationaler Sicht
Band 3: Digitale Technik und interaktive Medien als Ressourcen in frühkindlichen Bildungseinrichtungen
Band 4: Orientierungshilfen für Kinder und Jugendliche zum sicheren Umgang mit dem Internet

Alle Bände gibt es gratis auf:
www.didacta-digital.de

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus Meine KiTa 3-2018, S. 4 - 7





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