Frühe mathematische Förderung (Review)

Die frühe mathematische Bildung steht im Fokus der Ausgabe 3-2018 der „Frühen Bildung“. Als Einführung geben Jann Lonnermann und Marcus Hasselhorn einen Überblick über aktuelle Forschungstrends und Perspektiven und stellen fest: „Der Erwerb mathematischer Fertigkeiten ist von zunehmend großer Bedeutung für eine aktive und erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben“ (ebd. S. 129) – dies hätten beispielsweise Forschungsergebnisse zum Verhältnis von frühen mathematischen Kenntnissen und späterem sozio-ökonomischen Status belegt. In diesem Sinne scheint es den Autoren notwendig, „mathematische Lern- und Denkprozesse von Kindern möglichst frühzeitig anzuregen und zu unterstützen, um der Entwicklung von Defiziten im mathematischen Bereich vorbeugen zu können (ebd.).

Im Folgenden führen sie im Rekurs auf Benz et. al. die Zieldimensionen früher mathematischer Bildung aus. Neben der Vermittlung inhaltsbezogenen Wissens werde so die Anwendung dieses Wissens und damit die Stärkung der Kompetenz des Kindes als zentrales Ziel der Vermittlung angesehen: „Kompetent zu sein, bedeutet, über Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Lösen bestimmter Probleme zu verfügen und diese einsetzen zu können.“ (ebd.) Allerdings gehe es bei den Kindern nicht nur darum, diese Fähigkeiten und Fertigkeiten einsetzen zu können, sondern dies auch zu wollen. Und dies bedeutet, dass Kindern auch entsprechende Motivation, Interesse und Selbstwirksamkeit vermittelt bzw. ermöglicht werden muss.

Hierzu werde im frühkindlichen Bereich in Deutschland auf die spielerische Vermittlung gesetzt und auf eher schulähnlich organisiertes Lernen mehr oder weniger vollständig verzichtet (vgl. ebd. S. 130). Die in der frühen mathematischen Bildung zu vermittelnden Kompetenzbereiche reichen von Zahlen und Operationen über Raum und Form sowie Muster und Strukturen bis zu Größen und Messen, Daten, Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten. Von besonderer Bedeutung seien dabei die ersten drei Bereiche. Neben den inhaltlichen Bereichen stehen folgende und hoch bedeutsame „prozessbezogene mathematische Kompetenzbereiche: Problemlösen, Kommunizieren, Argumentieren, Modellieren, Darstellen“.

Inhaltliche und prozessbezogene mathematische Kompetenzen

Für die Vermittlung entsprechender Kompetenzen benötigen die pädagogischen Fachkräfte neben den inhalts- und prozessbezogenen eigenen mathematischen Kompetenzen insbesondere auch „mathematikdidaktische Kompetenzen (einschließlich diagnostischer Kompetenzen)“ (ebd. S. 131) sowie selbstverständlich auch eine positive Einstellung zur Mathematik. Gefordert sei hier die „Planung und Gestaltung effektiver Lerneinheiten wie auch die Nutzung von Lerngelegenheiten, die Einschätzung individueller Entwicklungsstände sowie die daran orientierte Auswahl mathematischer Angebote“ (ebd.). Im Hinblick auf möglicherweise schlechte familiäre bzw. soziale Ausgangsbedingungen seien auch eine „gezielte kompensatorische Zusatzförderung vor der Einschulung“ (ebd.) erfolgversprechend.

Als zentrale Gelingensbedingung früher mathematischer Bildung stellen die Autoren auch die Zusammenarbeit von Fach- und Lehrkräften aus Elementar- und Primarbereich heraus. Sonst bestehe die Gefahr, dass die im Elementarbereich erworbenen mathematischen Kenntnisse und Kompetenzen nicht anschlussfähig seien. So konnte eine groß angelegte Studie von Dillon et. al. In Indien zeigen, dass ein spielbasiertes Programm zur Förderung numerischer und geometrischer Fertigkeiten durchaus kurzfristige Fördereffekte hatten, „sich jedoch langfristig keine Fördereffekte auf Ebene der schulrelevanten symbolischen mathematischen Fertigkeiten zeigten (ebd. S. 133). Daher sei die Überprüfung langfristiger Effekte vorschulischer Fördermaßnahmen durch Follow-up-Untersuchungen nach dem Schuleintritt der geförderten Kinder von „zentraler Bedeutung“ (ebd.).

Wirksamkeitsstudien

In weiteren Schwerpunktbeiträgen der Frühen Bildung werden unter anderem die Wirksamkeit spielbasierter Fördermaßnahmen vorgestellt.

So wurden in der Interventionsstudie „BIKO-Mathekiste“, mit der 4-6jährige Kinder mit einem Entwicklungsrisiko im Bereich numerischer Zahlenkompetenz spielbasiert gefördert wurden und in der die Interventionsgruppe „signifikant höhere Leistungszuwächse als die Kontrollgruppe“ (ebd. S. 135) erzielte.

In einer zweiten Studie wurde das regelbasierte Zahlenbrettspiel „Haus der Zahlen“ für die Förderung von vorschulischem Zahlen- und Mengenwissen im Einzel- und Gruppensetting überprüft. Hier profitierten nur die Kinder im Einzelsetting von der Förderung, während die Ergebnisse im Gruppensetting mit denen der Kontrollgruppe gleich waren. Daraus resultierend diskutieren die AutorInnen mögliche Weiterentwicklungen von Zahlenbrettspielen.

Abgeschlossen wird der Schwerpunkt der Frühen Bildung zur frühen mathematischen Bildung mit dem Bericht über eine Studie zum Verständnis des geometrischen Begriffs Viereck bei Kindern zwischen vier und sechs Jahren. Dazu sollten die Kinder aus einem Sample 13 Figuren Vierecke identifizieren. Dabei „zeigt sich kein Zusammenhang zwischen Alter und Identifikationsentscheidungen. Prototypische Vierecke, wie z.B. ein Quadrat, werden signifikant besser als Viereck identifiziert als nicht prototypische wie z.B. eine Raute“ (ebd. S. 152).


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