Essen in der Kita

Bei den Mahlzeiten stehen die pädagogischen Fachkräfte vor einer großen Herausforderung. Seitens des Trägers, der Kita und der PädagogInnen benötigt es viel Fingerspitzengefühl, diese wichtige Phase am Tag als eine genussvolle und lernreiche Zeit für alle zu gestalten. Eine Zeit, in der die Kinder sich am Tisch wohl fühlen und das Essen als etwas Angenehmes erleben. Dieser Moment gilt nicht nur der Nahrungsaufnahme, sondern auch dem sozialen Lernen, der Partizipation und der Kommunikation.

Die Herausforderung – Ernährung in der Kita

Während einige Kitas selbst kochen und die Kinder an der Menüwahl und der Essensbesorgung und -zubereitung beteiligen, werden andere Einrichtungen mit Essen beliefert. Einige Kitagruppen verfügen über einen eigenen Speisesaal oder ein Kinderrestaurant, während andere ihr Essen in der Gruppe einnehmen. Die Bedingungen sind von Kita zu Kita und von Träger zu Träger sehr verschieden. Die Einrichtungen stehen vor der Aufgabe, die Aufnahme von Essen und Trinken als „(...) angenehme und gesundheitserhaltende Alltagssituation zu gestalten“ und die Selbstregulierung der Kinder zu fördern (Preissing/Schneider 2009, S. 40).

Für Eltern hingegen ist wichtig, was und wie viel ihre Kinder essen. Häufig ist es für sie ein Zeichen für Wohlbefinden, wenn die Kinder „gut" das heißt: viel gegessen haben. Umso wichtiger ist es für diese Gespräche mit den Eltern, dass die pädagogischen Fachkräfte über Kenntnisse der evolutionsbiologischen Entwicklung verfügen.

Warum Kinder Nahrungsmittel ablehnen

Menschen haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren mit sehr unterschiedlichen Nahrungsquellen zurechtkommen. Sie können gut mit den vorgefundenen Dingen leben und nehmen das an, was ihnen gut bekommt und vermeiden, was eher schädlich ist. Mit dem Geschmackssinn werden Nahrungsmittel eingeteilt. Hierbei kategorisieren die Menschen süß als einen Energielieferanten wie beispielsweise kohlenhydratreiche Früchte, während sauer eher abgelehnt und als unbekömmlich und unreif eingeschätzt wird. Fett kann nicht als solches geschmeckt werden, wird dennoch bereits im Säuglingsalter bevorzugt. Lebensmittel erhalten dadurch mehr Geschmacksintensität.

Zusammenfassend kann man sagen, „(...) Kinder bewerten das Nahrungsangebot nach dessen Sicherheit und nach dessen Überlebenswert: Süßes, Eiweißhaltiges und Fettes weist auf problemfreie, energiereiche »Überlebensnahrung« hin und wird deshalb bevorzugt. Bitteres und Saures dagegen wird kritisch gewertet – schließlich steht es für wenig Nahrhaftes, möglicherweise Verdorbenes oder sogar Giftiges“ (Renz-Polster 2013, S. 21). Mit dieser Erkenntnis lässt sich leicht verstehen, dass Kinder fettige Pommes und Schokolade gegenüber Spinat und Brokkoli vorziehen. „Wer Kalorienbomben bevorzugte, kam besser über die nächste Notzeit“ (ebd.). Problematisch wird diese Präferenz allerdings, wenn den Kindern nichts anderes angeboten wird - dann werden sie nach fetten und süßen Nahrungsmitteln geradezu süchtig.

Daneben gibt es noch den Garcia-Effekt, der die Nahrungsmittelaufnahme komplizierter gestalten kann. Dieser besagt, dass Menschen Lebensmittel, die zu Übelkeit und Erbrechen führen, ablehnen. Hierfür ist ein einziges unangenehmes Erlebnis ausreichend. Besonders Kinder meiden dieses Lebensmittel dann jahrelang (vgl. ebd., S. 22).

Ein weiterer Faktor ist die Angst vor Neuem (Neophobie), die die Wahl der Nahrungsmittel von Kindern erheblich beeinflusst. Kinder, die bestimmte Lebensmittel umgehen, empfinden eine Art Angst. Besonders bei zurückhaltenden und ängstlichen Kindern ist dies zu beobachten. Ab ungefähr 18 Monaten wählen Kinder gezielter aus. Ein eventuell vorhandenes Misstrauen steigert sich im Kindergartenalter zunehmend. Mit acht bis zwölf Jahren beginnen Kinder wieder abgelehnte Dinge zu probieren. Evolutionsbiologisch lässt sich dies schlüssig darstellen, denn noch im Säuglingsalter nimmt das Kind sichere Nahrung durch die Bezugspersonen auf. Im Kleinkind- und Kindergartenalter bewegt es sich selbstständig und Dinge, die vom Kind gegessen werden, unterliegen nicht mehr der genauen Zensur durch die Eltern. „Anstelle der Eltern sichert nun die natürliche Verengung des Wahl- und Geschmackshorizonts das Überleben. Alles, was unbekannt ist, wird hartnäckig gemieden – insbesondere, wenn es dazu noch grün ist oder bitter schmeckt“ (ebd., S. 23). Mit zunehmender Reifung der kindlichen Organe wählen Kinder wieder breitflächiger ihre Nahrungsmittel aus und beginnen wieder verstärkt zu experimentieren (vgl. ebd., S. 23).

Wie soziales Lernen die Nahrungsmittelwahl beeinflusst

Glücklicherweise können Fachkräfte diese Entwicklung positiv beeinflussen. Es geht beim Essen um weit mehr als um ein „satt werden“.

Dieses Beispiel einer Essensituation aus einem Leitfaden für Qualitätsentwicklung liefert wertvolle Hinweise:

„Ein Dienstag im August: „Was duftet das heute wieder gut!“, sagt die Erzieherin und setzt sich. Auf den Tischen in ihrer Kita stehen Schüsseln mit Reis und Hühnchen, dazu gibt es Möhrengemüse, Trinkwasser steht in Karaffen bereit. Immer ein anderes Kind ist mit dem Tischspruch dran: „Piep, piep, wir haben uns alle lieb. Jeder esse, was er kann, nur nicht seinen Nebenmann. Guten Appetit“, sagt Greta ihren Lieblingsspruch auf. Jetzt kann das Essen beginnen: Die Kinder füllen sich selbst auf. „Erst mal probieren, vielleicht nehme ich noch mal nach“, sagt Hannah. Die Fünfjährige ist immer sehr skeptisch bei allem, was nicht aus Mamas eigener Küche kommt. Aber heute hat sie selbst das Gemüse mit eingekauft, während andere Kinder die Tische gedeckt haben. Hannah isst längst nicht alles. Aber neuerdings probiert sie auch mal Gemüse. Vor allem, wenn sie findet, dass es schön aussieht. Dazu hat sie heute Petersilie aus dem Kräuterbeet im Kita-Garten geerntet und in ihrer Gruppe mit dem Wiegemesser gehackt. Stolz bietet Hannah beim Essen die feingehackten Kräuter an ihrem Gruppentisch an und bedient sich selbst auch“ (AOK Nordost/Bertelsmann Stiftung/Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V. 2012, S. 6).

Vorbilder und die Gewöhnung tragen im Laufe des sozialen lernens maßgeblich zur Erweiterung des Speiseplans bei. Gewöhnung kann auftreten, wenn Kindern abgelehnte Lebensmittel mehrere Male an aufeinanderfolgenden Tagen angeboten werden (vgl. Renz-Polster, S. 23). Hierbei ist es aber wichtig, dass Anbieten nicht bedeutet, sie zu überreden, zu füttern oder gar zu zwingen. Auch vom Verhandeln oder Bestechen mit einem Nachtisch ist abzuraten. Kinder sollten selbst entscheiden, wie und in welcher Form sie sich dem Nahrungsmittel nähern. Besonders kleinere Kinder möchten diese zuvor ertasten und erkunden. Häufig probieren sie erst sehr kleine Häppchen. Besonders motivierend für Kinder ist es, wenn die pädagogischen Fachkräfte als Vorbilder fungieren. So werden das Interesse und die Neugier geweckt.

Kinder für eine gesunde Ernährung über den Verstand oder Aufrufe zu gewinnen, gelingt eher weniger. Ein positiver Einfluss auf das Essverhalten der Kinder zeigt sich aber, wenn diese bei der Auswahl, dem Einkauf und der Zubereitung der Speisen miteinbezogen werden. Sie sind dann viel aufgeschlossener neuen Lebensmitteln gegenüber (vgl. AOK Norost/Bertelsmann Stiftung/Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V. 2012, S. 19).

Die Essenssituation darf nicht durch Druck, Hektik oder Zwang bestimmt werden. Die Fachkräfte sollten auf die Bedürfnisse der Kinder vertrauen und das Essverhalten beobachten.

Ein Kind kann lernen auf sein Bedürfnis nach Hunger und Durst zu hören, wenn es sich frei und sicher fühlt. Es muss erfahren, dass es darauf vertrauen kann und ihm bei der Erfüllung zur Seite gestanden wird. Lehnt es ein Nahrungsmittel ab, ist dies seitens der Erwachsenen zu akzeptieren.

Ernährung unter erschwerten Bedingungen

Besonders das Mittagessen findet in der Kita häufig unter weniger traumhaften Bedingungen statt. Zu große Kindergruppen nehmen ihr Mittagessen in den Gruppenräumen statt in einem Kinderrestaurant ein. Das Essen wird ohne Partizipation der Kinder in die Einrichtung geliefert. Die Fachkraft deckt hastig die Tische und serviert das Essen zügig. Besonders zur Mittagszeit sind einige Kinder bereits erschöpft und müde. Auch die PädagogIn, die eventuell seit den Morgenstunden im wilden, anspruchsvollen Kinderalltag steckt, zeigt erste Erschöpfung und der Geduldsfaden ist bereits dünner.

Sie möchte, dass die Kinder satt in die Ausruhzeit gehen können und die Eltern beim Abholen zufrieden über die Nahrungsaufnahme sind. Dies löst in ihr womöglich einen gewissen Druck aus, den sie an die Kinder weitergibt.

Doch auch unter solch ungünstigen Bedingungen kann die Essensituation zu einer wertvollen Zeit werden. Die Haltung der pädagogischen Fachkräfte ist hier für ein sinnliches Erleben von Nahrung besonders richtungsweisend. Die Pädagogin kann durch kleine Rituale, verbunden mit ruhigen Gesprächen eine Zeit einräumen, in der Kinder sich entsprechend des Alters das Essen selbst nehmen. Kinder werden an kleinen Diensten beteiligt und die Fachkraft nimmt, wenn möglich, das Essen mit den Kindern gemeinsam ein. „Damit es den Kindern gut geht und sie sich gut entwickeln, bedarf es eines partnerschaftlichen Umgangs aller Beteiligten in einem Klima von Wertschätzung und Vertrauen. Die achtsame und damit bewusste Kommunikation ist dafür wichtige Voraussetzung“ (ebd., S. 21).

Fazit

Durch die Akzeptanz eines jeden Einzelnen und den wertfreien Umgang mit den Vorlieben und Abneigungen eines Jeden, kann die Fachkraft zu einer Situation beitragen, in der sich jedes Kind wohl und frei fühlt. Damit die Kinder zwischen ihrem Zuhause und der pädagogischen Einrichtung keine großen Widersprüche erleben, ist ein reger Austausch zwischen der Kita und den Eltern notwendig. Dies kann durch Elternabende, Info-Briefe, einem gemeinsamen Essen (Frühstück etc.) oder Hospitationen unterstützt werden. Das Wohl der Kinder steht dabei im Mittelpunkt und sie sollen erfahren, dass ihre Bedürfnisse von allen Beteiligten ernst genommen werden. Die Erwachsenen können die Kinder begleiten und ihnen gesunde Nahrung anbieten, ihnen ein Vorbild sein und sie sacht an das Essen gewöhnen. Die Entscheidung, ob und was sie essen liegt hingegen bei den Kindern. Essen sollte immer freiwillig und in einer positiven Atmosphäre stattfinden und darf nie Zwängen ausgesetzt sein.

Literatur

  • AOK Norost/Bertelsmann Stiftung/Vernetzungsstelle Schulverpflegung Berlin e.V. 2012: Essen und Trinken in einer gesunden Kita. Ein Leitfaden zur Qualitätsentwicklung. Kitas bewegen für die gesunde Kita. Online unter: http://www.vernetzungsstelle-berlin.de/fileadmin/downloadDateien/Leitfaden_Kita_komplett.pdf; abgerufen am 26.11.2017
  • Preissing, C./Schneider, B. (2009): Empfehlungen für die Weiterentwicklung der Kita-Konzeption. Berliner Bildungsprogramm für Kinder in Tageseinrichtungen Bildung für Berlin. Online unter: http://www.beki-qualitaet.de/images/beki/downloads/BeKi%20-%20Empfehlungen%20f%C3%BCr%20die%20Weiterentwicklung%20der%20Kita-Konzeption%20auf%20Grundlage%20des%20BBP.pdf; abgerufen am 26.11.2017
  • Renz-Polster, H. (2013): Kinder verstehen. Born to be wild. Wie die Evolution unsere Kinder prägt. München
  • Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft (2014): Berliner Bildungsprogramm für Kitas und Tagespflege. Berlin

Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung von




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