Musik als Schlüssel zur Integration

Musik bewegt, auch unser Sprachzentrum. Richtig eingesetzt fördert sie schon bei den Kleinsten den Spracherwerb und hilft bei der Integration.

Musik ist etwas Emotionales. Sie kann berühren und gleichzeitig eine Gruppe verbinden. Sie lässt das Lied, den Tanz, selbst die Sprache zu einem gemeinsamen Interesse werden. Viele Kinder spüren einen Bewegungsdrang, sobald Musik erklingt. Mit dieser Klangerwartung kann gespielt werden. Aber auch das Sprachenlernen kann Musik begleiten und fördert – ohne, dass es den Kindern bewusst wird – einen permanenten Lernprozess. Sprache lernen ist der erste Schritt zur Integration. Lieder und andere musikalische Elemente können den Kindern helfen, sich schneller mit der Gruppe zu identifizieren und das Lernumfeld angenehmer zu gestalten.

Gerade im letzten Kita-Jahr profitieren Vorschulkinder davon, wenn sie spielerisch üben, sich zu konzentrieren und ihre Aufmerksamkeit zu schulen. Auch Kinder mit deutscher Muttersprache profitieren davon, Wiederholungstechniken mit musikalischen Mitteln einzuüben. Sprache beinhaltet Kultur, und Kultur führt zur Identität, die für eine gesunde, positive Lebenseinstellung von Bedeutung ist. Im musikbezogenen Erschließen ihrer Lebenswelten helfen den Kindern positive Grundstimmungen, die sich wiederum positiv auf ihre Identitätsbildung auswirken.

Geräusch- und Klangsensibilisierung

Sprachverstehen und eigenes deutliches Sprechen kann durch einfache Höraufgaben vorbereitet werden. Hören und Sprechen stehen in einem Wechselverhältnis: Nur derjenige, der aufmerksam zuhört, kann eine richtige Antwort geben. Gezielte Übungen zur Hörsensibilisierung können helfen, die Aufmerksamkeit zu steigern und Konzentrationsspannen zu erweitern:

➤ Übung: Statue im Park
Die Kinder bewegen sich in einem Kreis und bleiben auf ein Signal hin wie „versteinert“ stehen. Niemand darf sich regen. Sobald Musik erklingt (Gitarre oder Einblenden einer CD-Aufnahme), dürfen sich die Kinder wieder bewegen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Musik wieder verstummt. Gerade das Hören in die Stille ist für viele Kinder nicht leicht, aber auch ein Ansporn, denn die Übung gelingt nur, wenn alle mitmachen. Alternativ kann ein Gong, eine Triangel oder ein anderes Instrument mit Nachklang verwendet werden, bei dem die Bewegung ebenfalls erst wieder aufgenommen wird, sobald das Instrument vollständig verklungen ist.

➤ Übung: Signal- und Richtungshören
Unsere Umwelt ist umgeben von vielfältigen Signalen, Klängen, Geräuschen. Kinder können die unterschiedlichen Klangträger identifizieren, selbst wenn ihre Augen verbunden sind. Dazu kann ein Kind in die Mitte eines Kreises kommen, vier andere machen in den Ecken des Raumes unterschiedliche Geräusche. Das Kind zeigt – mit geschlossenen Augen – in die Ecke, aus der das Geräusch oder der Klang kommt. Im Alltag wird das Kind zunehmend mit dieser Ausgangssituation konfrontiert. Übungen dieser Art stellen damit einen Lebensweltbezug dar, in diesem Falle auch zur Verkehrserziehung. Erschwert werden kann die Übung, wenn sich die Kinder nicht von dem Signal weg-, sondern mit verbundenen Augen langsam auf die Geräuschquelle zubewegen sollen. Wichtig ist dabei, dass sich die Töne eindeutig voneinander unterscheiden, zum Beispiel Holz- und Metallklänge. Ein Kind kann zusätzlich das Führen des Kameraden und damit eine „Helferrolle“ übernehmen. Damit können die Kinder spielerisch Vertrauen üben und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Entscheidend ist, dass ein gesundes Entwicklungsverhalten des Kindes nur gegeben ist, wenn es in diesen sensiblen auditiven und visuellen Lernfeldern keine Schädigungen hat.

Vor- und Nachsprechen

Ähnlich wie bei den oben dargestellten Hörsensibilisierungsübungen ist es für das Kita-Kind eine Herausforderung, das Gehörte in einer kommunikativen Situation nachzusprechen und mit einer passenden Antwort zu reagieren. Damit übernimmt die Fachkraft für das Sprachenlernen eine entscheidende Funktion. Denn nur, wenn sie die Sprachmuster richtig und deutlich vorspricht, wird das Kind in der Lage sein, das Gehörte korrekt nachzusprechen und das Sprachvorbild zu spiegeln. So kann auch der Wortschatz stetig auf- und ausgebaut werden. Die Fachkraft sollte das Nachsprechen einfordern, denn nur durch wiederholtes Üben werden die Kinder mit den Sprachmustern vertraut.

Übung: Reime, Rituale, Bewegungsspiele
Mit Kinderreimen und -spielen können Kinder spielerisch üben, sich Begriffe und Namen zu merken und wiederzugeben. Zum Beispiel mit dem Kofferpackspiel „Ich packe meinen Koffer und lege einen Ball hinein“. Das nächste Kind fügt einen Gegenstand hinzu und es entsteht eine Satzreihe.

Das Aufzählen und Erinnern von Substantiven gehört zu den wichtigen Gedächtnisleistungen beim Erlernen der deutschen Sprache. Gerade das implizite Lernen, das „nebenbei“ geschieht, ist für die Lernenden effektiv. In vielen Situationen des Alltags findet implizites Lernen, quasi nebenbei, statt, so auch beim Spracherwerb. Eine Erzieherin erklärt eine andere Begebenheit und betreibt, ob sie will oder nicht, Sprachförderung.

Das Reizvolle an der Übung ist, dass die Fachkraft die Anzahl der Durchgänge steuern kann. Gerade in der Imitation des Gesprochenen wird nach Ansicht des Migrationsexperten Muhittin Arslan vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München der Lerner in die neue Sprache integriert. Dies ist anfangs sicherlich nicht akzentfrei, was in erster Linie auch nicht das Ziel ist. Vielmehr passt sich das Kind nach und nach dem Klang der neuen Sprache an.

Wiederholung als Mutter des Lernens

Sprachliche Bildung ist der Schlüssel zur Integration, sei es in internationalen Gruppen oder bei deutschen Kindern, die bereits früh sprachlich gefördert werden. Durch stetige Wiederholungen kann sich Sprache festigen. Besonders hier kann die Musik Entscheidendes leisten: Sie animiert die Kinder spielerisch zur Wiederholung und damit zur permanenten Übung. Wichtig ist, fehlerhafte Wendungen zu korrigieren, damit diese nicht falsch wiederholt und dadurch falsch gelernt werden. Eine Wiederholung ist zudem nur sinnvoll, wenn die Sprachmuster nicht zu lang sind und die Erzieherin den Lernprozess, bezogen auf Aussprache, Sprachmelodie, Sprechrhythmus und Zusammenklang, gezielt unterstützt.

Sprachförderprogramm SPRING
Magnus Gaul ist Initiator der Regensburger Sprach-Lern-Initiative SPRING (SPRache lernen durch sINGen, Bewegung und Tanz), die mit Flüchtlingskindern entwickelt wurde. Ziel des Sprachförderprogramms ist es, dass sich Kinder beim gemeinsamen Singen und Tanzen in den deutschen Sprachduktus, in die gebräuchlichen Formen deutscher Sprechmelodien, in Fragestellungen und Antwortmechanismen einhören können. Die erlernten Sprachmuster leisten ihnen eine wichtige Hilfestellung für eigene Satzkonstruktionen. SPRING wird derzeit bundesweit in Weiterbildungsprogrammen umgesetzt und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.

www.musikpaedagogikonline.de


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus Meine KiTa 3-2017, S. 20 - 23


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