Digitale Welt, schon in der Kita?

Kinder wachsen in einer Welt auf, die von Medien umgeben ist. Sie wachsen hinein in eine Gesellschaft, die ohne digitale Medien nicht mehr zu funktionieren scheint. Bereits Kleinkinder nutzen Medien, passiv und aktiv. Dieser Artikel versucht, Antworten auf grundlegende Fragen zur Integration von Medien in den Kitalltag zu geben und somit eine Hilfestellung für eine sinnvolle, angemessene und machbare Einbindung von Medienerziehung zu sein.

Warum müssen sich Institutionen wie Kitas mit Medienbildung befassen? Sollte der Medienumgang nicht vor allem in den Familien thematisiert werden? Ja und ja: Elementarpädagogik orientiert sich an der kindlichen Lebenswelt. Sie hat die Aufgabe, alle Faktoren, die Kinder in ihrem Umfeld umgeben und ihr Aufwachsen beeinflussen, einzubeziehen und die Kinder bei ihrer Entwicklungsaufgabe zu unterstützen, dazu gehört auch die „kindliche Medienwelt“. Medienkonsum findet in erster Linie in der Familie statt. Es ist keine Frage, dass Medien hier nicht als Babysitter eingesetzt werden sollten, sondern die Nutzung begleitet stattfinden muss. Das ist leider nicht in allen Familien gegeben.

Kindertageseinrichtungen haben den Bildungsauftrag, bereits den Kleinen die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und in dieser Hinsicht für Chancengleichheit zu sorgen. Denn nicht alle Kinder haben die gleichen Startvoraussetzungen. Das ist auch bezogen auf Mediennutzung der Fall. Es gibt Eltern, die unsicher sind, welche Medien für ihre Kinder geeignet sind. Andere machen sich darüber keine Gedanken und lassen die Kinder das sehen oder spielen, was gerade verfügbar ist. Hier kann die Institution Kita einen Beitrag leisten, die „digitale Kluft“ zu überwinden. Erzieherinnen sind genau wie Eltern Vorbilder, die auf eine altersgerechte und vielseitige Mediennutzung hinwirken sollten.

Was bedeutet Medienbildung in der Kita?

Medienbildung hat das Ziel, die Medienkompetenz von Heranwachsenden, aber auch anderer Zielgruppen zu fördern, um eine Orientierung in der digitalen Gesellschaft zu ermöglichen und zu einem selbstbestimmten Leben mit Medien zu befähigen (vgl. Demmler/Stuckmeyer 2015). Die Verwendung des Bildungsbegriffs macht bereits deutlich, dass es darum geht, den Menschen in der Ausbildung seiner (ganzen) Persönlichkeit zu unterstützen und zu stärken. Medien bilden dabei einen Teilaspekt. Medienkompetenz ist der Rahmen medienpädagogischer Aktivitäten, die aus einem Bündel von Fähigkeiten und Fertigkeiten besteht. Dazu gehört das Wissen über Medien, die Kenntnisse technischer Nutzungsweisen, aber auch Medien im eigenen Sinne zu nutzen und kreativ gestalten zu können.

Bezogen auf die Elementarpädagogik sollte Medienbildung so aussehen: „Auf der Basis des entdeckenden Lernens und eingebunden in alltagsrelevante Kontexte gilt es, die Kinder anzuregen, die Medien und Techniken gesellschaftlicher Kommunikation zu begreifen, zu nutzen und selbstbestimmt und kreativ zu gestalten“ (Demmler/Struckmeyer 2015, S. 230).

Die Kita ist ein geeigneter Ort einer spielerischen Bearbeitung und Begleitung der kindlichen Medienerfahrungen. Wichtig ist, dass medienpädagogische Arbeit in das allgemeine Bildungskonzept einer Kita integriert wird, um die Kinder in ihrer Identitätsbildung ganzheitlich zu fördern. Letztlich bedeutet dies, dass Medien ein Werkzeug unter vielen sind. Sie können dazu beitragen, die Sprachentwicklung von Kindern zu fördern, das entdeckende Lernen zu unterstützen und vieles mehr. Medien müssen dabei nicht immer im Vordergrund stehen, sondern sollten vielmehr selbstverständlich genutzt werden. Medienbildung in der Kita bedeutet zudem, die Zielgruppe der Eltern im Blick zu behalten, sie in Hinblick auf die kindliche Mediennutzung zu unterstützen und zu beraten.

Sinnvoller Umgang mit Medien

Kinder eignen sich Medien einerseits beiläufig an, indem sie von anderen in ihrem Umfeld genutzt werden und sie so damit in Kontakt kommen. Andererseits entwickeln sie ein eigenständiges Medienhandeln, indem sie bewusst Medien nutzen (möchten). Beides geschieht vor dem Hintergrund des individuellen Entwicklungsstandes eines jeden Kindes (vgl. Demmler/Struckmeyer 2015).
Auf Grundlage von Erfahrungswerten und empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.en Erhebungen kann man verschiedene Phasen der Medienaneignung beschreiben, die als Orientierung für die Integration von Medien in die Kita herangezogen werden sollten:
Ein Medienkontakt findet von Anfang an statt. Eltern und Geschwister nutzen verschiedene Geräte im Beisein des Säuglings. Das beeinflusst bereits das spätere Nutzungsverhalten des Kindes.

  • In den ersten beiden Lebensjahren werden Kinder auf Medien und Medieninhalte aufmerksam, d.h. sie nehmen sie nicht mehr nur als bloße Reizquelle wahr, sondern entdecken Funktionen und Inhalte (vgl. Demmler/Stuckmeyer 2015).
  • Etwa ab dem zweiten Lebensjahr entwickeln sie eigene Medienwünsche. Hinzu kommt, dass sie zunehmend motorische Fähigkeiten ausbilden, die sie auch dazu befähigen, Medien zu bedienen.
  • Spätestens mit einem Jahr beherrschen Kleinkinder die Wischtechnik, um Geräte mit Touchscreen zu verwenden. Das Bedienen eines Tablets ist für kleine Kinder quasi intuitiv erlernbar (vgl. Anfang 2016). Auch wenn Medien in diesem Alter zunehmend „bewusst“ genutzt werden, bedeutet es nicht, dass die Inhalte immer verständlich sind. Kinder sind fasziniert von bunten Bildern und vielen Geräuschen. Das Verstehen von Inhalten entwickelt sich nach und nach.
  • Etwa ab dem dritten Lebensjahr fangen Kinder an, mediale Botschaften zu entschlüsseln. Sie begreifen einfache Figurenkonstellationen und Geschichten (vgl. Demmler/Stuckmeyer 2015). Medieninhalte und Medienfiguren werden zunehmend zum Erlebnis und Kinder nutzen sie für die Weltaneignung. Mediennutzung wird zur Freizeitaktivität. Medienpädagogische Studien wie miniKIM (Kleinkinder und Medien), KIM (Kinder und Medien) und JIM (Jugend, Medien, Information) zeigen allerdings, dass bis ins Schulalter der Umgang mit Freunden wichtiger ist, als sich überwiegend mit Medien zu beschäftigen.

Eine Integration von Medien in der Kindertageseinrichtung erscheint vor dem beschriebenen Hintergrund um Medienaneignung ab einem Alter von circa drei Jahren sinnvoll, wenn Kinder anfangen, Medien bewusst und zielgerichtet zu nutzen. Medienfiguren, -themen und -formate gelangen als Gesprächsthema in die Kita und sollten aufgegriffen werden.

Medienerfahrungen werden häufig als die schlechteren Sekundärerfahrungen beschrieben. Dabei sind sie genauso wichtig. Die Unterscheidung in Primär- und Sekundärerfahrungen ist von Erwachsenen konstruiert. Kinder erleben die verschiedenen Erfahrungen als Ganzheit, deshalb dürfen sie in der Kita nicht ausgeklammert werden (vgl. Weise 2015).

Medienpädagogische Arbeit

Medienbildung im Kindergarten muss an die altersgemäßen Aneignungs- und Verarbeitungsmechanismen der Kinder anschließen: Spielen, Fantasieren, Malen (vgl. Bader 2015).

Die kindlichen Medienerfahrungen, die z. B. im Spiel, in Gesprächen oder Zeichnungen ausgedrückt werden, eröffnen pädagogische Chancen. Kinder zeigen dadurch, welche Entwicklungsthemen sie gerade bearbeiten (vgl. Eder/Roboom 2016). Diese dienen als Gesprächsanlässe und es kann daran angeknüpft werden. Wie genau die medienpädagogische Arbeit in einer einzelnen Einrichtung aussehen kann und sollte, hängt von den dort arbeitenden Fachkräften, der Ausstattung, dem Bildungskonzept und weiteren Faktoren ab. Allgemein lässt sich formulieren, dass Medienbildung nicht herausgehoben von anderen Bildungsaufgaben ablaufen sollte. Sie lässt sich mit den Bildungsbereichen der Elementarpädagogik verknüpfen und kann diese ergänzen. Zum Beispiel, indem die Erkundung der Natur um den Einsatz eines Tablets oder einer Digitalkamera erweitert wird.

Beispiel
Bei einem Waldspaziergang können Entdeckungen dokumentiert und später in der Kita weiterbearbeitet werden. Zusätzliche Informationen in Form von Videos und Fotos können recherchiert werden, um das Erfahrungsspektrum zu einem bestimmten Thema zu erweitern.

Medienkompetenz ist mehrdimensional. Entsprechend sollte auch die Medienarbeit mit Kindern vielfältig sein. Angebote des aktiven, eigenständigen Gestaltens mit Medien gehören ebenso dazu wie das Sprechen über Medien, um Inhalte zu verstehen und Hintergrundwissen zu erhalten. Sowohl die rezeptive als auch die aktive Medienarbeit sollte sich dabei an der wichtigsten Lernform für Kinder orientieren: dem Spiel.

Einfache Handhabbarkeit

Medienpädagogische Aktivitäten müssen technisch niederschwellig angelegt sein, damit der Grad der Anleitung, Erklärung und Bedienung möglichst klein und der Grad der Selbsttätigkeit der Kinder möglichst groß ausfallen kann (vgl. Neuß 2016). Die einfache Handhabbarkeit, die Mobilität und ihr Umfang macht Tablets inzwischen zu einem idealen Gerät für die Medienarbeit mit Kindern. Sie können für Ton- oder Bildaufnahmen genauso genutzt werden wie für die Sprachförderung. Aber auch Medien wie Fotokamera und CD-Player haben nach wie vor ihre Daseinsberechtigung in der Medienarbeit. Entscheidend sind die technische Infrastruktur und die Möglichkeiten der Anleitung durch die pädagogischen Fachkräfte.

Erziehungspartnerschaft

Da die Kinder die meiste Zeit in den Familien verbringen, ist auch Erziehungspartnerschaft ein wichtiges Element von frühpädagogischer Medienbildung. Als Experten werden die pädagogischen Fachkräfte angesprochen, wenn Eltern unsicher sind, wie viel Medienkonsum für das Kind sinnvoll ist und welche Medien geeignet sind. Hier eine pauschale Antwort zu geben, ist schwierig. Es geht vielmehr darum, Eltern dafür zu sensibilisieren, dass der eigene Medienkonsum die Medienwahrnehmung des Kindes beeinflusst. Sie sollten beobachten, wie ihr Kind auf Medien reagiert und wie es damit umgeht. Erzieherinnen erleben in der Kita, auf welche Weise Medieninhalte die Kinder außerhalb der Familie beschäftigen. (Hinweis: Informationen zu Materialien für Eltern finden Sie am Ende des Textes.)

Fachwissen für Medienpädagogik

Ohne eine angemessene Verankerung in der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften werden die Berührungsängste nicht verschwinden. Wichtig ist aber auch die grundlegende Haltung eines jeden Einzelnen. Auch wir Erwachsenen nutzen Medien und das nicht nur sinnvoll und „pädagogisch wertvoll“. Vielleicht ist das gerade der Grund, warum man den Wunsch hat, Kinder davor zu bewahren. Auch die Pädagogen müssen ihr eigenes Mediennutzungsverhalten reflektiert betrachten und in ihrer Medienkompetenz gestärkt werden, um medienpädagogische Arbeit machen zu können.

Medienbildung setzt voraus, dass man um die verschiedenen Aspekte der Mediennutzung weiß, wie sie zum Teil oben beschrieben wurden:

  • Welche Medien und wie nutzen Kinder sie in welchem Alter?
  • Wie wirken Medien?
  • Welche Vorteile kann Mediennutzung haben?
  • Welche Risiken sind damit verbunden und was kann man tun, um sich davor zu schützen?
  • Welche Medienfiguren lieben Kinder?
  • Was interessiert sie und warum?

Einblicke bieten u. a. die KIM-Studien (s. Literaturverzeichnis).

Medienarbeit sollte nicht losgelöst von anderen Bildungsthemen in der Kita stattfinden. Hier bedarf es des Wissens um Ansatzpunkte, aktiv-kreative, aber auch rezeptive Medienarbeit in die Kita einzubinden. Empfehlenswert ist es, Medien in ein ganzheitliches Bildungskonzept zu integrieren und somit den gezielten Einsatz zu unterstützen.


Literatur

  • Anfang, Günther: Frühe Medienerziehung digital. Konzeption eines medialen Erfahrungsraums für Krippenkinder. In: Lauffer, Jürgen/Röllecke, Renate (Hrsg.):
  • Aufenanger, Stefan: Wie die neuen Medien Kindheit verändern. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati:
  • Wischen, klicken,knipsen. Medienarbeit mit Kindern. kopaed Verlag, 2015
  • Demmler, Kathrin/Struckmeyer, Kati: Medien entdecken, erproben und in den Alltag integrieren. Null- bis Zwölfjährige in der Medienpädagogik. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin/Lutz, Klaus/Struckmeyer, Kati: Wischen, klicken, knipsen. Medienarbeit mit Kindern. kopaed Verlag, 2015
  • Dieter Baacke Preis: Handbuch 11. Krippe, Kita, Kinderzimmer – Medienpädagogik von Anfang an. kopaed Verlag, 2016
  • Eder, Sabine/Roboom, Susanne: Kamera, Tablet & Co. im Bildungseinsatz. Frühkindliche Bildung mit digitalen Medien unterstützen. In: Lauffer, Jürgen/Röllecke, Renate (Hrsg.): Dieter Baacke Preis Handbuch 11. Krippe, Kita, Kinderzimmer – Medienpädagogik von Anfang an. kopaed Verlag, 2016
  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest: miniKIM 2014, Kleinkinder und Medien, Basisuntersuchung zum Medienumgang 2- bis 5-Jähriger in Deutschland. Stuttgart, 2015
  • Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen: Bildungsgrundsätze für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen. Herder Verlag, 2016
  • Neuß, Norbert: Frühkindliche Medienbildung weiterentwickeln. Vom Umgang mit Bildungsplänen. In: Lauffer, Jürgen/Röllecke, Renate (Hrsg.): Dieter Baacke Preis Handbuch 11. Krippe, Kita, Kinderzimmer – Medienpädagogik von Anfang an. kopaed Verlag, 2016
  • Weise, Marion: Finding, checking and connectin. Ansatzpunkte für Medienbildung in pädagogischen Ansätzen der Elementarpädagogik. In: Anfang, Günther/Demmler, Kathrin, Lutz/Klaus, Struckmeyer, Kati. Wischen, klicken, knipsen. Medienarbeit mit Kindern. kopaed Verlag, 2015


Tipps für die Medienerziehung
  • Als etabliertes Beratungsinstrument bietet FLIMMO neben der Programmberatung für Eltern nun auch einen eigenen Bereich für professionell Erziehende im Netz. Das FLIMMO-Fachportal richtet sich an Erziehungsfachkräfte aus Kindergarten und Hort. Unter www.flimmo-fachportal.de finden pädagogisch Tätige fundiertes Wissen, um das Thema Fernseh- und Medienerziehung praxisnah in den erzieherischen Alltag einzubinden.

Tipps für die Erziehungspartnerschaft
  • „SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht.“ ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der öffentlich-rechtlichen Sender Das Erste und ZDF sowie der Programmzeitschrift TV SPIELFILM. Hilfreiche Flyer rund um das Thema „Kinder und Medien“ können über die Homepage der Initiative heruntergeladen werden, so z. B.: „Wie viel Fernsehen ist gut für mein Kind?“, „Wie surfen unsere Kinder sicher mobil?“, „Wie geht mein Kind sicher mit Computerspielen um?“ Mehr dazu unter: www.schau-hin.info

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus klein&groß 12-2016, S. 6-12




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