Sicherheit und Selbstwirksamkeit als Schlüssel

nifbe-Interviewreihe zu Kindern und Familien mit Fluchterfahrung Teil II

Im zweiten Teil unserer Interviewreihe zum Umgang mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung in der KiTa geht Prof. Dr. Claudia Solzbacher im Gespräch mit Karsten Herrmann insbesondere auf die Bedeutung der Haltung und der Selbstkompetenz von ErzieherInnen sowie der Sicherheit- und Selbstwirksamkeitserfahrungen bei den Kindern ein. Sie plädiert grundsätzlich dafür, Kinder als Kinder wahr zu nehmen und nicht mit einem Etikett zu stigmatisieren.


  • Wo sehen Sie beim Umgang mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung in der KiTa derzeit die größten Herausforderungen, Schieflagen oder auch Unsicherheiten?
solzbacher 200Grundsätzlich kommen Kinder und Familien mit Fluchterfahrung erst einmal in ein für sie in der Regel völlig fremdes Land, mit einer fremden Kultur und einer fremden Sprache. Viele stehen zudem vor einer ungewissen Aufenthaltsperspektive. Dies führt neben möglicherweise schrecklichen Erfahrungen der Flucht zu zusätzlicher Unsicherheit und Belastung. Konkret auf die KiTa bezogen sind den Kindern und ihren Eltern nicht selten unsere Art des freien Spielens, der spielerische Zugang zu Bildungsinhalten oder auch die auf aktives Tun angelegte Lernkultur fremd.

Diese Ausgangssituation führt wiederum nicht selten auch zu Unsicherheiten bei den ErzieherInnen: „Sind wir überhaupt in der Lage angemessen mit diesen Kindern umzugehen, wir sind doch keine Psychologinnen“, hören wir nicht selten in Bezug auf mögliche Traumatisierungen. Nicht wenige stellen sich die Erlebnisse, die diese Kinder hatten, als extrem schlimm im Sinne von unüberwindbar vor. Damit verbunden wird Trauma schnell zur Vorstellung eines lebenslangen Makels: Der Traumatisierte wird zum lebenslangen Opfer.

Hier ist sicher einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn wir wissen aus Forschungen, wie anpassungsfähig Kinder oft auch an die schwierigsten Situationen sind. Ja, und so zynisch es sich anhören mag, die erfolgreiche Bewältigung dieser bisherigen Schwierigkeiten kann die Entwicklung sogar zusätzlich fördern durch den Erwerb von ausgeprägten Handlungskompetenzen und Bewältigungsstrategien. Die sogenannte Empowerment-Bewegung, aber auch die Trauma-Forschung, weist immer wieder drauf hin, dass es darauf ankommt, dass Menschen sich einschränkenden Bedingungen nicht ausliefern. Kinder dürfen sich auf die Dauer nicht als Opfer erfahren, sondern müssen sich schnell wieder als Gestalter fühlen. Einige dieser Kinder leiden aber zweifellos unter posttraumatischen Belastungsstörungen und deshalb stellen diese Kinder eine besondere Herausforderung für Erzieherinnen dar. Manche brauchen Therapien, die nicht in allen Fällen sofort und einfach zu organisieren sind. Aber wie betont: Wiederum andere verändern sich hingegen durch die Belastungssituationen kaum oder werden sogar selbstbewusster. Also auch hier verbietet es sich, alle nur unter der „Trauma-Perspektive“ zu betrachten. Gleichzeitig gilt es, Traumata und ihre möglichen Folgen ernst zu nehmen.


  • Welche Rolle spielt eine professionelle pädagogische Haltung im Umgang mit (kultureller) Vielfalt und im Speziellen mit Familien mit Fluchterfahrung?

Der Haltung wird allerorten eine sehr große Bedeutung zugeschrieben, leider bleibt zumeist undefiniert, was sich dahinter versteckt. Wir definieren aus unserer nifbe-Forschung heraus Haltung ganz grundsätzlich als ein individuelles Muster von Einstellungen, Werten und Überzeugungen, das durch einen authentischen Selbstbezug und objektive Selbstkompetenzen wie zum Beispiel Selbstmotivation oder Frustrationstoleranz zustande kommt. Haltung wird in diesem Sinne nicht nur deklamiert, sondern gelebt und ermöglicht wie ein innerer Kompass einen stabilen Kurs durch die ganzen komplexen und unvorhersehbaren Situationen des pädagogischen Alltags. Grundlegende Dimensionen einer professionellen pädagogischen Haltung sind aus meiner Sicht zum Beispiel Respekt, Wertschätzung, Empathie, Ressourcenorientierung, Empowerment und – ganz wichtig – die stetige Selbstreflexion der pädagogischen Fachkraft. Ziel muss es hier sein, von einer intuitiven und persönlichkeitsabhängigen „Erst“-Reaktion in einem zweiten Schritt zu einer reflektierten und professionellen „Zweit“-Reaktion zu kommen, die mir erweiterte und kontextsensible Handlungsspielräume eröffnet.


  • Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Ein gutes Beispiel hierfür ist der Blick auf das Kind, der noch immer häufig von einer Defizitorientierung geprägt ist. „Der kann dies nicht“ oder „Der kann das nicht“ kann leicht zur ersten spontanen Reaktion pädagogischer Fachkräfte werden. Mit einer professionellen Zweitreaktion kann die Perspektive von der quasi sozialisierten Fehlerfahndung hin zu einer reflektierten Suche nach den Stärken des Kindes erweitert werden. Eine Zweitreaktion kann gelernt werden. Mit Offenheit und mentaler Beweglichkeit als Kennzeichen einer selbstbewussten professionellen Haltung wird eigenständig nach Möglichkeiten gesucht, die Ressourcen der Kinder besser zu erkennen und zu fördern und sich weniger von Problemen beeinflussen zu lassen.

Damit speist sich eine professionelle Haltung also einerseits ganz stark aus Empathiefähigkeit und andererseits aus einer hohen Reflexionsfähigkeit, aber auch durch die hohe Kunst der Wahrnehmung. Diese Kunst setzt eine sorgfältige Trennung von Vorgangsbeschreibung und Deutung voraus, die sich im Alltag allzu schnell vermischen und den Blick auf die Dinge – oftmals unbewusst und oftmals defizitorientiert – prägen. Die eigene Wahrnehmung und Beobachtungsfähigkeit kann gezielt geschult werden – ebenso aber auch, dass die Interpretation von Vorgängen zu einem bewusst gemachten zweiten Schritt wird. Eine von uns interviewte Erzieherin hat das folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Man muss irgendwie den Blick so ein bisschen drehen“. Diese „Drehung“ kann allerdings nicht verordnet werden, sondern muss erlernt werden

  • Welche Rolle spielen die oben schon erwähnten Selbstkompetenzen in diesem Lernprozess?

Gut ausgebildete Selbstkompetenzen von PädagogInnen sind hierfür die Grundlage. Selbstkompetenzen bezeichnen die Kompetenzen, die dazu beitragen in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Sie heißen deshalb so, da sie von dem Entwicklungsstand eines Systems abhängen, dem Selbst. Das Selbst wertet alle persönlich relevanten Erfahrungen so aus, dass in jeder schwierigen Situation – auch beim Lernen – immer diejenigen persönlichen Kompetenzen eingesetzt werden, die gerade benötigt werden. Grundsätzlich gilt das Selbst als Kern der menschlichen Persönlichkeit, als Ort, an dem sich die individuellen Möglichkeiten des Einzelnen befinden. Selbstkompetenzen sind ausschlaggebend dafür, wie gut es uns gelingt, eigene Absichten zu bilden und umzusetzen, uns selbst zu motivieren, uns in ärgerlichen und stressigen Situationen selbst zu beruhigen und damit auch wie gut wir zu Selbstentwicklung und somit auch zur ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.  , fähig sind. Die Fähigkeit eigene Affekte und Emotionen zu regulieren und selbst zu steuern, ist dabei von entscheidender Bedeutung. Wir sind davon überzeugt, dass eine stabile pädagogische Haltung besonders in der momentanen Gemengelage der vielen Ansprüche an Elementarpädagogik, Schulpädagogik und Sozialpädagogik vor allem ein „integrationsstarkes Selbst“ von PädagogInnen ist.

  • Was brauchen Kinder mit Fluchterfahrungen neben dieser rahmenden professionellen Haltung zuallererst?

Geflüchtete Kinder brauchen zuallererst Sicherheit um überhaupt ins Handeln zu kommen. Damit sie sich nicht ohnmächtig gegenüber den Verhältnissen fühlen, brauchen sie vor allem ganz schnell Selbstwirksamkeitserfahrungen. Wir müssen in der Kita also Erfahrungen ermöglichen, die Kinder dazu animieren, daran zu glauben, auch weitere schwierige Situationen bewältigen zu können. Damit aus dem pädagogisch aufmunternden „Du schaffst das schon“ ein selbstwirksames „ich schaff‘ das schon“ wird.

Selbstwirksamkeit meint ein ganz grundlegendes Gefühl der Kompetenz und der Macht über Situationen. Was diese Kinder also brauchen, ist die Möglichkeit, Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit zu erleben. Dass wir sie dabei unterstützen, darauf haben sie nach der UN-Kinderrechtskonvention übrigens ein Recht. Und die Erfüllung dieses Rechts berührt einen zentralen Kern des pädagogischen Auftrags von Kita.

Die Fähigkeit, die eigene Selbstwirksamkeit überhaupt wahrzunehmen, hängt eng zusammen mit anderen Fähigkeiten, etwa der zur Stress- und Angstbewältigung oder der, die eigenen Gefühle zu verstehen und auszudrücken, oder auch konstruktiv Probleme lösen zu können. Hier sind wir nun wieder bei den oben schon ausgeführten Selbstkompetenzen, die für die Persönlichkeitsentwicklung von Anfang an eine entscheidende Rolle spielen.


  • Wie können diese Selbstkompetenzen, die sie in ihrer nifbe-Forschung ja auch als Grundlage des Lernens definiert haben, konkret gefördert werden?

Ganz maßgeblich für den Aufbau dieser Selbstkompetenzen ist die pädagogische Beziehung zu einer Erzieherin oder einem Erzieher. Von diesen Beziehungen hängen die Entwicklung von Selbstvertrauen und der Glauben von Kindern an die eigenen Fähigkeiten ab. Die Hirnforschung spricht in diesem Zusammenhang von der „Macht der inneren Selbstbilder“, die durch soziale Beziehungen zu Erwachsenen geprägt werden und sich bis in die Hirnstrukturen hinein verfestigen. Und diese Fähigkeit der in Beziehung erlernten Ich-Stärke ist Ausgangspunkt aller Lernprozesse von Kindern. Es sind diese inneren Bilder (positive wie negative), die das Selbstvertrauen in das eigene Potenzial beeinflussen. Gelungene Beziehungen sind grundlegende Voraussetzungen für erfolgreiche Entwicklungs- und Bildungsprozesse und damit auch für gelungene Integration. Spürt das Kind, dass es als Person wahrgenommen wird, wird es aufgeschlossen für Ermutigungen oder beruhigende Signale von Erzieherinnen. PädagogInnen entwickeln im Laufe ihrer Berufsjahre meist ein sehr gutes Gefühl dafür, was eigentlich eine Beziehung zwischen ihnen und dem Kind befördert. Sie wissen, dass dazu gegenseitige Höflichkeit und Freundlichkeit gehört, wir Ihr Sinn für Gerechtigkeit, ein Verständnis für die Belange von Kindern und Jugendlichen, aber auch eine situationsangemessene Strenge und das Beharren auf Regeleinhaltung. Und insgesamt die Komplexe: Achtung, Wärme, Rücksichtnahme und vollständiges Verstehen sowie Echtheit und Aufrichtigkeit.

  • Was aber ist, wenn wir uns nicht sprachlich verständigen können, und wenn wir möglicherweise ganz große Fremdheitsgefühle unter Umständen diesem Kind und auch seinen Eltern gegenüber haben? Und noch wichtiger: Wie kann dies in einer Gruppe geleistet werden, in der noch mehr Bedürfnisse zu berücksichtigen sind als die der neu angekommenen Flüchtlinge?

Kinder haben ein sehr feines Gespür und Verständnis dafür, wenn Kinder gerade mehr Hilfe und Unterstützung brauchen als sie selbst –das vermittelt allen Kindern einer Gruppe auch zugleich das Gefühl wertgeschätzt zu werden und das Vertrauen, dass auch sie bei Bedarf entsprechende Hilfe und Unterstützung bekommen.

Im Umgang mit Kindern mit Fluchterfahrung suchen PädagogInnen sinnvollerweise zuallererst nach Möglichkeiten die Sprachbarrieren zu umgehen – auch mit dem Motiv Kinder schnell selbstbestimmt zu machen und ihnen Unsicherheiten zu nehmen. Viele Einrichtungen arbeiten z.B. schon mit Piktogrammen, um z.B. Verhaltensstandards auf Bildern darzustellen oder Orientierung im Gebäude zu geben etc.. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Kommunikationsangeboten wie Wortschatzhilfen und Kommunikationstafeln in verschiedenen Sprachen der Flüchtlingskinder oder Bildwörterbücher, auch schon als kostenlose Apps oder Willkommenskärtchen mit Sätzen und Bildern, die zum Gespräch über Dinge des täglichen Lebens einladen usw. Diese finden wir ja auch auf der nifbe-Homepage: Kinder mit Fluchterfahrung

  • Welche pädagogischen Settings sind hier besonders zu empfehlen?

Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es auch beim Sprachenlernen, aber überhaupt für das Lernen von geflüchteten Kindern wichtig ist, dass dem Kind nicht alles fremd ist, sondern dass sie bereits bekannte Ankerpunkte haben. Solche Anker können zum Beispiel Büchlein mit Fotos der Familie sein oder dass Kinder gebeten werden Lieder in ihrer Erstsprache der Gruppe beizubringen oder ein Kinderbuch aus ihrem Land mitbringen können und den anderen zeigen usw.

In interessanten Projekten haben KollegInnen von der Universität Osnabrück zudem nachweisen können, dass auch Musik und Tanz helfen können, den Selbstzugang zu verbessern. Sie schaffen nicht nur Entspannung und Vertrauen in die eigene Körperlichkeit, sondern zudem ermöglichen sie einen Zugang zur eigenen Emotionalität und können deren Ausdruck vereinfachen und eben auch darüber Selbstwirksamkeitserfahrungen sprachfrei hervorrufen.

Besonders Kinder, die relativ wenig emotionale Regungen zeigen, weil diese ihnen in Situationen der Angst oder Flucht abhandengekommen ist, können in Tanzprojekten wieder „zu sich selbst“ kommen. In diesem Zusammenhang können sich Kooperationen mit Netzwerkpartnern als besonders hilfreich erweisen. Wie zum Beispiel mit Sportvereinen und Tanzschulen etc. Auch für ästhetische Projekte gilt dies. Hier gibt es gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Museen, wo sich Kinder in Workshops praktisch tätig – zeichnend oder malend etc. – ausdrücken können.

Sport und Bewegung oder künstlerisches Arbeiten liefern wertvolle Könnenserfahrungen, die einen großen Einfluss auf die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes haben. Wichtig ist, dass das Können aber auch gewürdigt wird! Die Kinder müssen spüren, dass ihre Leistungen geschätzt werden und dies vielleicht besonders dann, wenn sie aus sehr unsicheren Situationen kommen.

  • Grundsätzlich gilt es also an den vorhandenen und wie Sie oben schon andeuteten oftmals unterschätzten Ressourcen und Begabungen von Kindern anzuknüpfen und sie nicht auf eine „Opferrolle“ und einen entsprechende Fürsorge zu reduzieren?


Ja, denn hilfreich für den Aufbau von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen und Selbstkompetenzen insgesamt ist es, wenn Kinder feststellen, dass die PädagogInnen an sie anspruchsvolle aber erfüllbare Anforderungen stellen und sich für das Erreichen ihrer Ziele auch interessieren. Trauen wir ruhig allen Kindern etwas mehr zu – die geflüchteten Kinder haben schon so viel geleistet auf ihrer Flucht.

Wir sollten grundsätzlich lernen, Kinder als Kinder wahr zu nehmen und nicht als Flüchtlinge. Sie haben Bedürfnisse und Hoffnungen wie andere Kinder auch. Ebenso wie wir mitunter Gefahr laufen, alle Kinder mit Migrationshintergrund über einen Kamm zu scheren und sogar mit dieser Etikettierung zu stigmatisieren, genauso leicht verlieren wir möglicherweise aus den Augen, dass wir mit der Etikettierung ‚Flüchtlingskinder‘ eine scheinbar homogene Gruppe schaffen, die wir dann auch noch als Problem bezeichnen.

  • Wie können wir die Eltern als Bildungs- und Erziehungspartner einbeziehen und welche Rolle spielt auch hier die Vernetzung und Kooperation?

Was für die Kinder und Jugendlichen gilt, gilt auch für die Eltern. Auch sie benötigen Sicherheit und Vertrauen und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, um eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft eingehen zu können – die im übrigen für viele geflüchtete Eltern alles andere als selbstverständlich ist.

Ein sicherer Ort ist für Eltern zuallererst einer, den sie verstehen. Hierzu brauchen Sie erst einmal grundlegende Informationen. Viele Einrichtungen suchen dafür Übersetzer und Sprach- und Kulturmittler. Hiervon gibt es leider noch viel zu wenige. Deshalb versuchen viele Kitas auch Eltern oder Großeltern mit ähnlichen Erfahrungen einzubeziehen, die die verunsicherten Eltern in wichtige Fragen zu Kita und Schule einführen. Elternvereine können u.U. stärker einbezogen werden damit die Eltern geflüchteter Kinder Vertrauen entwickeln und auch so indirekt die Kinder wieder stärken.

Elternvereine , kommunale Partner, SozialpädagogInnen, Kirchen, Moscheen und andere Unterstützergruppen können helfen den geflüchteten Eltern Vertrauen zu geben in ein ihnen oft unbekanntes System. Auch hier kommt es darauf an, Eltern Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen und dafür auf ihre vielfältigen vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen zurückzugreifen. Vielleicht gibt es unter ihnen z.B. gute Musiker, die die ErzieherInnen unterstützen können bei Tanz und Bewegung mit der Musik ihrer Herkunftsländer PädagogInnen können also viel dazu beitragen, dass auch die Eltern aus der Opferrolle kommen und sich nicht permanent als Hilfeempfänger und Abhängige empfinden. Dadurch wird es ihnen ermöglicht Kraft zu schöpfen und somit Erziehungspartner sein zu können.

Bei all dem bisher Gesagten ist Kultursensibilität wichtig- Dies bedeutet zuallererst, dass man immer im Hinterkopf hat, dass mögliche Konflikte allein aus kulturellen Missverständnissen resultieren können Wir alle können uns allerdings nicht so schnell in alle Herkunftsländer mit ihren Gepflogenheiten einarbeiten, wie dies nötig wäre. Wir können aber darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre bei Konflikten zunächst einmal auf Missverständnisse zu schließen, die es zu beheben gilt, statt auf Ignoranz der Flüchtlingseltern oder gar auf Undankbarkeit – was auch nicht selten ein erster Reflex ist. Das ist aber manchmal auch gar nicht so einfach, gerade wenn PädagogInnen sich so sehr engagieren. Deshalb ist es oft hilfreich gerade in Beziehungskontexten auf einen professionellen Modus umzuschalten. Zur Professionalität gehört Offenheit für neue Eindrücke und Herausforderungen, Klarheit im Umgang, seine eigenen Grenzen zu kennen und Grenzen zu setzen und da, wo es nötig ist auch Distanz zu verteidigen. Zu professionellem Verhalten gehört es aber auch, zunächst einmal davon auszugehen, dass das Verhalten des Gegenübers einen Sinn hat, den es erst noch zu verstehen gilt. Hier muss die oben beschriebene professionelle „Zweitreaktion“ einsetzen. So sehen wir einmal mehr, dass eine professionelle Haltung mit ihren verschiedenen Dimensionen ein zentraler Gelingensfaktor im Umgang mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung und allgemein im Umgang mit Vielfalt darstellt.



Zur Person:

  • Claudia Solzbacher, Professorin für Schulpädagogik an der Universität Osnabrück, leitete zusammen mit dem Psychologen Prof. Dr. Julius Kuhl von 2008 – 2015 die Forschungsstelle Begabungsförderung.


Teil I und Tei III der Interviewreihe lesen Sie hier:


„Die Welt funktioniert nicht überall so, wie wir sie sehen!“

„Je verschiedener wir sind, umso mehr können wir voneinander lernen“