Christine Uhl (1906-1976)

Pädagogik des Bauens

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Christine Uhl (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
Das Bauen gehört von jeher zu den häufigsten Formen des Spiels. Darum gibt es in jeden Kindergarten einen Platz oder sogar ganzen Raum für diese kindliche Aktivität. Dort befindet sich in den meisten Einrichtungen der sogenannte "Uhl-Bauwagen". Heute ist kaum einem/r Erzieher/in bekannt, was sich hinter dieser Titulierung verbirgt. Und so verwundert nicht, dass die geniale Erfinderin des Baukastens, Christine Uhl, in Vergessenheit geraten ist. Die ausgebildete Kindergärtnerin und Hortnerin hat durch eine logische Weiterführung der von Friedrich Fröbel (1782-1852) entwickelten 3. und 4. Gaben einen Baukasten geschaffen, der als „kritische Fortführung über Fröbel hinaus, den bewegenden ursprünglichen Gedanken klarer und reiner verwirklicht“ (Hoffmann 1952, S. 66). Mit ihrer „Erfindung“ wollte die Pädagogin “den tiefsten Sinn des Bauens, das von jeher eine Lieblingsbeschäftigung unserer Kinder ist, wieder lebendig machen“ (Schulze 1951, S. 36).

Christine Uhl entwickelte noch weiteres bildendes Spielgut, u.a. Legematerialien und Fadenspiele, die das Fröbelsche Gabensystem erweitern und fortführen.

Leben und Wirken

Christine Hanna Theodora erblickte am 18. Februar 1906 als sechstes von sieben Kindern des Pastors Ernst Uhl und seiner Ehefrau Mathilde Uhl (geb. Gericke) in Cobbel das Licht der Welt. In Groß Quenstedt besuchte sie die Volksschule, anschließend das Städtische Lyzeum in Halberstadt. Von 1924 - 1926 absolvierte sie am Bremer „Sozialpädagogischen Seminar des Frauen-Erwerbs-und Ausbildungs-Vereins“, das von Mintje Bostedt (1897-1955) geleitet wurde, die Kindergärtnerinnen- und Hortnerinnenausbildung. Es folgte ein einjähriges Praktikum im Seminarkindergarten der Städtischen Frauenschule in Halle. Ferner ließ sich die Kindergärtnerin und Hortnerin noch in Hamburg zur Krankenschwester (1928-1930) und in Halle zur Jugendleiterin (1930-1931) ausbilden. Nachdem sie ihren Bruder für ein Jahr den Haushalt in Budapest geführt hatte, war sie zwei Jahre als Heimleiterin in Trüpers Erziehungsheimen auf der "Sophienhöhe" bei Jena tätig. Von 1. Oktober 1934 bis Ende Juli 1945 leitete sie verschiedene sozialpädagogische Einrichtungen, die als Praxisstätten für die Seminaristinnen der in Weimar ansässigen "Frauenfachschule für sozialpädagogische Berufe", dessen Leitung seit Ende September 1934 Mintje Bostedt innehatte, dienten. Zuerst zeichnete Christine Uhl für den Seminarkindergarten, dann für die Kindertagesstätte „Falkenheim“ sowie für das zugehörende „Internat mit einzelnen Kinderpflegeschülerinnen und den meisten Schülerinnen der Kindergärtnerinnenoberstufe“ (Fischer-Buck/Schultheis/Stoevesandt/Ungern 1995, S. 118) verantwortlich. 1941 entstand unter ihrer Leitung die ebenfalls zur „Frauenschule für sozialpädagogische Berufe“ gehörende Kinderbastelstube, „die von insgesamt 70 Kindern umschichtig in Gruppen von etwa 22 Kindern besucht wurde. Sie kamen, weil sie hier ihren Interessen nachgehen konnten und nicht – wie im Hort – Schularbeiten machen mußten. Deshalb waren sie leichter für verschiedene Aktivitäten zu begeistern“ (ebd., S. 110).

Zusätzlich zu ihrer Berufsarbeit kümmerte sich Christine Uhl um die Erziehung ihrer drei verwaisten Neffen (darunter der später bekannte und 1932 in Budapest geborene evangelische Theologe Ernst Uhl), die sie nach Weimar holte.

Während der Zeit der Nazi-Diktatur war sie ab 1941 Mitglied in der NSV und im Deutschen Frauenwerk, ohne irgendein Amt.

1945 wurde Christine Uhl als Referentin für das Kindergartenwesen im Thüringer Ministerium für Volksbildung angestellt und im gleichem Jahr, am 20. Juli, in das „Beamtenverhältnis zum Regierungsrat ernannt“ (zit. n. Dokument, archiviert im Ida-Seele-Archiv). In dieser Funktion setzte sie sich für eine bessere Versorgung der Praxis mit Bildungsmitteln sowie einer systematischen Fort- und Weiterbildung der Kindergärtnerinnen ein. Vehement wehrte sich die Kindergartenreferentin gegen die von den politisch Verantwortlich vorgesehenen Veränderungen innerhalb der Kindergärtnerinnenausbildung sowie des Kindergartens. Vor allem war sie dagegen, die Kindergärtnerinnenausbildung für Mädchen ab dem 15. Lebensjahr zu öffnen. Ihr „renitentes Verhalten“ hatte Folgen und sie wurde kurzerhand ohne Gehalt beurlaubt.

DokumentPolitische und fachliche Beurteilung von Frau Uhl durch das Ministerium für Volksbildung (Quelle: Ida-Seele-Archiv)Politische und fachliche Beurteilung von Frau Uhl durch das Ministerium für Volksbildung (Quelle: Ida-Seele-Archiv)Folgend übernahm Christine Uhl die Leitung der Abteilung Kindergarten des in Weimar ansässigen Verlages „Werden und Wirken“. Dort zeichnete sie für die Schriftenreihe „Der Kindergarten“ sowie für die „Werkblätter für Kindergärtnerinnen“ verantwortlich. Hierbei handelte es sich um eine beachtliche Anzahl von Broschüren (weit über 20) mit volkstümlichen Spielen (Hüpf-, Streichholz-, Pfänder-, Schatten-, Gesellschafts-, Geschicklichkeitsspiele etc.), die seinerzeit die Vorschulpädagogik in „Ostdeutschland“ maßgebend bestimmten. Ferner entwarf sie Sachbilderbücher, einen Bauwagen, ein System von Legetafeln, Fadenspiele sowie auch andere Spiel- und Beschäftigungsmaterialien. Außerdem setzte sie sich in Wort und Schrift für eine kindgerechte "Spielpflege" ein, die besagt, dass die Kindergärtnerin „dem spielenden Kind keine Vorschriften macht. Sie begleitet des Kindes Spiel durch (fragende) Anteilnahme und vor allem durch Sorge für ein ungestörtes Spielarrangement“ (zit. n. Wührl 1987, S. 14).

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„Der Kindergarten“ (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
Christine Uhls geriet erneut in Konflikt mit einigen politischen Funktionären und ihr wurde Ende Juni 1949 gekündigt. Man bot ihr die Übernahme einer Tätigkeit als Kreisreferentin für vorschulische Erziehung im Kreis Rudolstadt, Hildburghausen, Weißensee oder eine Stelle als Jugendleiterin in Osterode an. Doch die Spannungen, die sich aus den politischen Forderungen an sie ergaben, wurden immer größer. Und so zog sie den beruflichen Angeboten die „Republikflucht“ vor und setzte sich in den „Westen“ ab.

Christine Uhl ging nach Bremen, wo auch Mintje Bostedt und mehrere Lehrkräfte der Weimarer "Frauenfachschule für sozialpädagogische Berufe" eine neue Heimat fanden. Die Pädagogin leitete bis zu ihrer Pensionierung (1966) zuerst das Kinderheim „Fichtenhof“ im Stadtteil Schönebeck, dann den Schulkindergarten an der Schule Schwachhauser Heerstraße. Nach der Schließung letztgenannter Bildungseinrichtung (1958) leitete sie den Kindergarten an der Schule Freiligrathstraße. Außerdem gründete sie den Verlag „Welt des Kindes“, der „Handbücher zur Spielpflege“ publizierte sowie „Bildendes Spielgut für Familie, Kindergarten, Hort und Heim“ wie zum Beispiel Würfelbaukisten, Backsteinbaukästen oder Zusatzbaukästen.

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Verlag „Welt des Kindes (Quelle: Ida-Seele-Archiv)
Im Jahre 1969 übersiedelte Christine Uhl nach Todtmoos-Rütte, um aktiv an der dortigen Bildungs- und Begegnungsstätte von Karlfried Graf Dürckheim (1896-1988) mitzuwirken. Als sie schwer erkrankte, wurde sie auf eigenem Wunsch in ein Krankenhaus nach Bremen verlegt. Dort starb sie an ihrem Geburtstag, am 18. Februar 1976.
Zur Entstehung und Entwicklung des „Uhl-Bauwagens“

Noch in der "Ostzone" begann Christine Uhl ihren Bauwagen zu entwickeln, der dort unter der geschützten Bezeichnung "Eule" vertrieben wurde:
„Damit wurde einerseits den Kindern reichlich das ersehnte Spielmaterial geboten und andererseits ein Grundstein gelegt für ein Baukastensortiment, das heute in ganz Deutschland in den Kindergärten und Tagesstätten verbreitet ist und den Fortbestand der Fröbelschen Tradition gewährleistet. Mit der Übersiedlung Christine Uhls nach Westdeutschland gingen ihre Vorstellungen von einem sinnvollen Bausortiment auch in die dortige industrielle Fertigung ein“ (Thier-Schroeter/Diedrich 1995, S. 67).

Über die Entstehungsgeschichte des Bauwagens schrieb Christine Uhls ehemalige Schülerin und spätere Kollegin, Klara Stoevesandt (1921-2014), in einem Brief vom 30. April 1993 an den Verfasser vorliegenden Beitrags:

„Christa (so ihr Name im Freundeskreis; M. B.) las 1941 ein Buch von Kükelhaus ‚Urzahl und Gebärde‘... Durch dieses Buch geriet sie an das Fünfeck. Mit dem Fünfeck als Figur konnte sie mehr anfangen als mit dem Goldenen Schnitt, der im Fünfeck veranschaulicht wird. Sie schnitt unendliche Mengen von Fünfecken aus, zerteilte sie mit Hilfe der fünf Diagonalen in fünf spitzwinklige und fünf stumpfwinklig Dreiecke und ein kleines Fünfeck und legte mit diesen Formteilen Muster über Muster, teilte ganz rein geometrisch, teils Blattformen... Sie versuchte ihre Neffen damit zu packen, merkte aber, daß diese Formen für Kinder viel zu kompliziert waren, und machte sich ans Sechseck und ans Quadrat – und entwickelte damit ihre hinreißenden Legetafeln. Aber dann wurde ihr durch die Beobachtungen an den Neffen und an den Bastelstubenkindern klar, daß ein Kind sich zuerst mit dreidimensionalen Formen auseinandersetzen muß, bevor es den Zugang zu zweidimensionalen findet. So griff sie... zu den Fröbel-Baukästen; aber durch die Vielzahl von Elementen beim Legen mit dem Fünfeck wußte sie – und das war eigentlich ihre geniale Entdeckung – daß man von einer Form eine ganz große Menge braucht, um immer neue Möglichkeiten zu entdecken. Daraus wurde ihr Baukasten und schließlich der Bauwagen... Ganz schlimm war, daß sie, als sie in den Westen kam, keine Firma fand, die den Bauwagen herstellen wollte. Es gab unendliche, zumeist unerfreuliche Verhandlungen, bis schließlich Dusyma bereit war, das Experiment zu wagen. Der Erfolg spricht eindeutig und klar für Christas Genialität. Mit Dusyma war und blieb es schwierig, sogar über ihren Tod hinaus“ (Brief archiviert im Ida-Seele-Archiv).

Im Laufe der Zeit entstand der bewegliche "Uhl-Bauwagen", bestehend aus: sechs Baukästen und einem Zusatzbaukasten. Dabei ging Christine Uhl davon aus, dass es "sich beim Bauen wie bei jeder kindlichen Tätigkeit um ein Spiel der Kräfte zwischen subjektiver freier Lebensäußerung einerseits und Anerkennung und Einordnung in die objektive Gesetzmäßigkeit der Sache andererseits" (Uhl/Stoevesandt 1991, S. 8) handelt.

Sinn und Zweck des Bauens

Es besteht kein Zweifel darüber, dass Bauspiele „der Selbstverwirklichung der Kinder, der Realisierung ihrer Spielidee [dienen; M.B.]. Unter allen Spielwünschen der Kindergartenkinder nehmen Bausteine einen der vorderen Ränge ein“ (Thier-Schroeter 1992, S. 10). Allgemein ermöglicht das Bauen durch seine Ordnung und innere Gesetzmäßigkeit des Materials dem Kind eine systematische Eroberung des Raums:

"Das Bauen ist eine besondere Form der kindlichen Raumerforschung, indem das Kind dabei den Raum nicht nur mit seinen Gliedern oder mit Dingen durchmisst, sondern indem es selber Raum schafft. Bauen ist eine spielende Raumgestaltung, in der die Wechselwirkung zwischen Kind und Umwelt ganz besonders fruchtbar und deutlich wird. Das Kind nimmt seine Umwelt, Raum und Dinge, in sich auf, indem es sie umgeformt, umgestaltet, aus sich herausstellt" (Uhl 1948, S. 11).

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Spiel mit dem Uhl-Baukasten (Quelle: Veronika Wührl/Ida-Seele-Archiv)
In Anlehnung an Friedrich Fröbel vermerkte Christine Uhl über Sinn und Zweck des Bauens und die sich daraus ergebende „entwickelnd erziehende Spielpflege“:

"Fröbel war der erste, der ein besonderes Spielgut zur 'erzieherischen Pflege des kindlichen Spieles' ersann. Er hatte erkannt, dass die Entwicklung der kindlichen Kräfte im Spiel sich nach einer besonderen Gesetzmäßigkeit vollzieht. In seinem Spielgabensystem verwirklichte er konsequent sein Wissen um die Wesensganzheit des Kindes, die sich an der Vielfalt der Welt entwickelt. Deshalb ist das Spiel mit den Gaben ein tätiges Zergliedern von Ganzheiten und umgekehrt ein Zusammenordnen von Teilen zum Ganzen. Im Spiel mit Körper, Fläche, Linie und Punkt zerlegt das Kind den Körper in seine Elemente und fügt ihn andererseits wieder aus ihnen zusammen. Die durchdachte Ordnung im Aufbau der Gaben führt das Kind, tätig fortschreitend, immer tiefer hinein in die Gesetzmäßigkeit der räumlichen Welt und dementsprechend differenziert sich die Bildung der kindlichen Kräfte. Wenn Fröbel schon vor 150 Jahren eine Spielpflege für nötig hielt, damit das Kind organisch in die Zusammenhänge des Lebens hineinwachsen sollte, so ist sie heute lebensnotwendig. Denn seit Fröbel ist die Welt erheblich komplizierter geworden. Mit der Entwicklung der Industrie und der fortschreitenden Technisierung und Mechanisierung des Lebens hat sie ein Spezialistentum herausgebildet, dem schon der erwachsene Mensch kaum zu folgen vermag. Und wenn wir, in der heutigen Zeit der Umordnung, nicht wollen, dass dem Kinde die Welt als ein Chaos erscheint, sondern als ein sinnvolles Ganzes, dem es sich organisch eingliedern kann, so sind wir in der praktischen Erziehungsarbeit aufgefordert, uns dem kindlichen Spiel mit größter Aufmerksamkeit zuzuwenden und neue Wege zu finden, um in der Praxis eine 'entwickelnd erziehende Spielpflege' durchzuführen" (Uhl o. J., S. 6).

Anschaulich hat Veronika Wührl in ihrer Facharbeit über das kindliche Bauen mit dem „Christine-Uhl-Baukasten“ in seiner Bedeutung für das Kind herausgearbeitet und kommt zu folgendem Fazit:

"Zusammenfassend dient das Bauen mit dem 'Christine-Uhl-Baukasten' der ganzheitlichen Förderung des Kindergartenkindes:
a. Förderung im sozialen Bereich: z. B. gegenseitige Rücksichtnahme und Umsicht beim gemeinsamen Bauen und Gebrauch des Baukastens.
b. Förderung im kreativen Bereich: z. B. Anregung der Phantasie, um neue Gebilde und Bauwerke zu entwickeln.
c. Förderung im kognitiven Bereich: z. B. Übertragung von Umwelteindrücken und der Realität, Grundgesetze der Statik und Mechanik werden entdeckt, durch gemeinsame Absprachen wird der Ausdruck gefördert.
d. Förderung im motorischen Bereich: z. B. Üben der Fingerfertigkeit und -geschicklichkeit; vorsichtige Körperbewegungen, damit ein entstandenes Bauwerk nicht zerstört wird" (Wührl 1987, S. 2).

Prozess des kindlichen Bauens

Zum Prozess des kindlichen Bauens vermerkt Christine Uhl, dass es nicht darauf ankommt, dass das Kind von Anfang an “richtig“ baut, „das heißt, die Steine fehlerlos mit versetzter Fuge ineinander verzahnt. Darauf kommt es ebensowenig an wie auf die systematische Reihenfolge der Entdeckungen und Erfahrungen“ (Uhl/Stoevesandt 1961, S. 44). Damit sich die Bautätigkeit entfalten kann, muss dem Kind genügend Zeit und Raum eingeräumt werden. Der „Uhl-Bauwagen“ ist jederzeit frei zugänglich. Dabei ist zu beachten, dass das Kleinkind lange Gelegenheit benötigt, mit nur wenigen Bauklötzen spielen/hantieren zu können, „um nicht von der Menge erdrückt zu werden. Das Kind baut z. B. mit acht oder noch weniger Klötzen eine Straße über einige Meter, indem es immer den letzten Klotz vorn ansetzt und sein Auto von Klotz zu Klotz langsam vorschiebt. Für das Reihen und Sichvortasten braucht das Kind viel Platz, oft genügt der Tisch nicht“ (ebd.). Der Erwachsene sollte keine voreiligen Fragen an das Kind stellen: Was soll das sein oder werden? Kinder bauen „oft mehr um der Tätigkeit als um des fertigen Bauwerks willen. Der Erwachsene muß zusehen können, ohne vorschnell kritisierend oder helfend einzugreifen. Er muß Fehler lange, sehr lange ansehen können und nicht verbessern wollen trotz besseren Wissens“ (ebd., S. 44 f). Ein falscher Weg ist, dem Kind Vorbauen, denn das eigene Erfinden oder die Lösung eines Bauproblems erhöht im Kind die Freude an der Tätigkeit, als auch an der eigenen Leistung. Ebenso abwegig sind Erklärungen, denn das Kind „soll durch sein tun die Gesetzte ahnen, durch immer wiederholte Einzelerfahrungen soll sich die Ahnung festigen. Das ist die gesundeste Grundlage für die spätere wache Erkenntnis“ (ebd., S. 45).

„Uhl-Legetafeln“ und „Uhl-Fadenspiele“

Christine Uhl entwickelte noch Legematerial, gedacht für Formspiele, die das Kind zum freien Gestalten von figürlichen und/oder zu kreativen Darstellungen/Mustern animiert, zu Lebens-, Schönheits- und Erkenntnisformen, wie Friedrich Fröbel einst formulierte. Die noch heute in den Kindergärten beliebten (meist bunten) Legetäfelchen fordern zum Spielen, Experimentieren und Gestalten heraus (vgl. Thier-Schroeter/Thier 2002). Das sich mit den Legetäfelchen beschäftigende/spielende Kind, „wendet mit diesem Material mathematische Gesetzmäßigkeiten an und ‚be-greift‘ sie und bereitet damit das viel spätere intellektuelle Erfassen sinnvoll vor“ (Uhl/Stoevesandt 1961, S. 51). Im Gegensatz zu Friedrich Fröbel war Christine Uhl konsequenter:

„Sie verstand die Flächen nicht als Begrenzungen dreidimensionaler Körper, sondern als Teile einer größeren, einer im Prinzip unbegrenzten Fläche. Deshalb beinhalten die Legetafeln ihren Sinn nur, wenn sie so dünn sind, daß es dem Kind unergiebig erscheint oder gar nicht erst einfällt, dreidimensional mit ihnen zu bauen. – Auf Farben wurde bewußt verzichtet, damit die Formen um so deutlicher hervortreten. Der Kontrast von hell und dunkel ergibt sich lediglich durch die Lücken zwischen den Legetafeln und den dadurch sichtbaren Untergrund“ (Stoevesandt 1979, S. 93).

Eine weitere Fortführung des Fröbelschen Gabensystem im Bereich der Linie sind die „Uhl-Fadenspiele“. Auf quadratischen Brettchen sind Ziernägel im Fünf-, Acht-, Zehn- oder Zwölfeck angeordnet. Das Kind spannt einen Faden, der an einem der Nägel festgebunden wird, von einem zum anderen Nagel. Hier erlebt das „Kind tätig, die verschiedenartigen Gesetzmäßigkeiten der verschiedenen Vielecke und gewöhnt sich daran, Formen zu vergleichen, zu variieren und wiederzufinden. Dadurch entwickelt sich in ihm ein Empfinden für schöne Formen“ (Uhl/Stoevesandt 1961, S. 51).

Literatur

  • Berger, M.: Über die Entstehung des Uhl-Bauwagens, in: Spielmittel 1994/Nr. 3, S. 56-57
  • Fischer-Buck, A./Schultheis, R./Stoevesandt, K./Ungern, R. (Hrsg.): Mintje Bostedt 1897-1955. Kommunikative Sozialpädagogik/Wahrnehmen – Denken – Handeln, Norderstedt 1995
  • Hoffmann, E.: Unsere Ausstellung in der Paulskirche a. M.. Ein Ganzes entwickelnd-erziehender Spielgaben von Friedrich Fröbel, in: Blätter des Pestalozzi-Fröbel-Verbandes 1952, S. 62-66
  • Stoevesandt, K.: Bauen und Legen. Spielerisches Gestalten für verschiedene Altersstufen, Bielefeld 1979
  • Thier-Schroeter, L.: Schöpferisch spielen mit dem Wehrfritz-Bausatzwagen, in: Wehrfritz Wissenschaftlicher Dient 1992/Nr. 51/52, S. 10-13
  • Dies./Diedrich, R.: Kinder wollen bauen. Kreatives Spielen nach Fröbel, München 1995
  • Dies./Thier, H.: Kleine Lege Spielschule. Für Eltern, Erzieher und Kindergärtnerinnen, Jena 2002
  • Schulze, H.: Zur Bildungsaufgabe im Kindergarten. Bauen als Bildungsmittel, in: Kinderheim 1951, S. 33-39
  • Uhl, Ch.: Das Bauen. Ein Weg der Entwicklung des kindlichen Raumerlebens, Weimar 1948
  • Dies.: Ordnung und Gesetz im Spiel, in: Psczolla, E. (Hrsg.): Das Seminar, Heft 1, Witten o. J., S. 3-6
  • Dies.: Neue Legtafeln, in: Psczolla, E. (Hrsg.): Das Seminar, Heft 1, Witten o. J., S. 7-20
  • Dies.: Ordnung und Gesetz im Spiel, in: Blätter des Pestalozzi-Fröbel-Verbandes 1950, S. 39-43
  • Dies./Stoevesandt, K.: Das Bauen mit Würfel und Quader, Witten 1961
  • Dies.: Von Fröbel lernen: Das Bauen mit Würfel und Quader, Bielefeld 1991
  • Wührl, V.: Das Bauen des Kindes in der Bauecke mit dem "Christine-Uhl-Baukasten", Sontheim 1987 (unveröffentlichte Facharbeit)
  • O. V.: Nachruf: Christine Uhl † 18. Februar 1976 in: Sozialpädagogische Blätter 1976, S. 157-158

Webseite
  • http://www.kindergartenpaedagogik.de/140.html
  • http://www.spielundlern.de/product_info.php/products_id/15736


Archiv
  • Ida-Seele-Archiv, Dillingen/Donau




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