Musikalische Früherziehung (Review)

Einen Überblick über Forschung und Praxis in Bezug auf die Förderung der musikalischen Entwicklung in den ersten Jahren gibt Lisa Huismann Koops in Frühe Bildung 3-2016. Sie bezieht sich dabei ausschließlich auf englischsprachige Veröffentlichungen.

Als bahnbrechend stellt sie die schon zwischen 1937 und 1945 in den USA an der Pillsbury Foundation School in Kalifornien durchgeführte Langzeitstudie von Gladys Moorhead und Donald Pond vor. Sie untersuchten, inwiefern Kinder sich in einer kindzentrierten musikalischen (Lern-)Umgebung Wissen aus den eigenen Erfahrungen und Interaktionen aneignen konnten. Das Resümee: „Wenn sie die Gelegenheit dazu hatten, waren die Kinder musikalisch kreativ und veranstalteten aufwändige Konzerte mit Gesang, Tanz und Instrumenten. Wenn dann Erwachsene die Situation stärker strukturierten, nahmen die Leistungen der Kinder ab.“ (ebd., S. 126)

Seit dieser Langzeitstudie widmete sich die Forschung verschiedensten Aspekten, wie Koops in einer repräsentativen Zusammenschau zeigt. Innerhalb der letzten fünf Jahre hatten dabei insbesondere die Untersuchung der Wahrnehmung und der musikalischen Fähigkeiten von Säuglingen aus psychologischer und soziologischer Perspektive Konjunktur. Grundsätzlich scheint sich aus den Ergebnissen der Schluss ziehen zu lassen, „dass Säuglinge zu spezifisch musikalischer Antwort und Wahrnehmung fähig sind.“ (ebd. S. 127) Weitere Studien beleuchteten die (musikalischen) Wahrnehmungen und Fähigkeiten von Kindergarten- bzw. Vorschulkindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren. Unter anderem hatte eine taiwanesische Studie zum Ergebnis, dass „Vorschulkinder ein komplexes musikalisches Verständnis zeigten“ (ebd.) und sie schon eigene Notationen mit mehreren Parametern (Tonhöhe, Rhythmus) entwickeln konnten. Andere Studien widmeten sich schwerhörigen Kindern, der Rolle der Familie oder der Unterstützung und Anleitung von ErzieherInnen bei der musikalischen Früherziehung.

Forschungsbasierte Empfehlungen

Basierend auf den Forschungsergebnissen gibt Koops recht allgemein gehaltene Empfehlungen für musikalische Initiativen und Interventionen in der frühen Kindheit ab. Zunächst einmal solle so dass Spannungsfeld akzeptiert werden, „dass Kinder einerseits als von Natur aus musikalische Lebewesen [...] anzusehen sind und andererseits die Bedeutung des Zugangs zu einem vielfältigen, entwicklungsgemäßen musikalischen Umfeld für Kinder anzuerkennen ist“ (ebd. S. 129). Inwiefern hier ein Spannungsfeld gegeben ist, führt die Autorin allerdings nicht aus.

Zweiten empfiehlt Koops, dass MusikpädagogInnen „generell mit sachkundigen Dritten [...] zusammen arbeiten“ (ebd.) sollten. Der Einbezug von Musik-, Sprach- oder Ergotherapeuten könne helfen „Kinder unterschiedlichster (Leistungs-) Fähigkeit besser zu erreichen“ (ebd.).

Mit der dritten Schlussfolgerung unterstreicht die Autorin, dass für die musikalische Entwicklungsförderung neben dem Fachpersonal auch informierte Eltern notwendig sind. Schließlich ruft sie noch zur kritischen Prüfung von musikalischen Frühförderprogrammen und deren Vermarktung auf. Denn derzeit „fehlen Meta-Analysen zur Wirkung von Musikerziehung in der frühen Kindheit; die Behauptung solche Angebote würden die kognitive Entwicklung von Kindern verstärken, könnte irreführend sein. Besser wäre es, stattdessen den Wert des Erlebens ‚im Moment‘ hervor zu heben“ (ebd. S. 130).

Im Fazit plädiert Koops dafür MusikpädagogInnen, FrühpädagogInnen, Familien und andere gesellschaftliche Kräfte zusammen zu bringen, um das musikalische Umfeld der Kinder weiter zu verbessern und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Wichtig wären auch praxisvorbereitende Kursangebote für Musik- und FrühpädagogInnen, da erstere häufig keine angemessene Ausbildung für die Arbeit mit kleinen Kindern und zweitere zwar umfangreiches Wissen über die kindliche Entwicklung, aber häufig keine musikalische Ausbildung oder Kenntnisse der musikalischen Entwicklung hätten.


Zum Beitrag in Frühe Bildung 3-2016 (kostenpflichtig)




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