Ist die Inklusion schon in den KiTas angekommen? (Review)

Pilotstudie zeigt Entwicklungsbedarf

Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006 hat sich Deutschland zur Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems verpflichtet, in dem die gemeinsame Bildung, Erziehung und Betreuung aller Kinder ungeachtet ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer möglichen Beeinträchtigungen erfolgt. Inwieweit dieser Paradigmenwechsel schon in der KiTa-Praxis angekommen ist, beleuchten Slivia Wiedebusch u.a. in Frühe Bildung 4-2015 anhand einer von ihnen durchgeführten Pilotstudie.

Ziel der Studie war es, so die AutorInnen, das Leitbild und die Ziele von Einrichtungen in Bezug auf die Betreuung von Kindern mit Beeinträchtigungen sowie die Angebotsstruktur zur Förderung und Unterstützung dieser Kinder aufzuzeigen „und somit den Stand der konzeptionellen Verankerung eines inklusiven Betreuungs- und Bildungsangebots“ (ebd. S. 204) zu beschreiben. Dafür wurden alle 235 Kindertageseinrichtungen in Stadt und Landkreis Osnabrück zur Teilnahme an der Studie mit Leitfragen zum Leitbild der Einrichtungen und ihrer pädagogischen Arbeit sowie zur Personal- und Organisationsentwicklung eingeladen. Es beteiligten sich schließlich 54 Regeleinrichtungen, 54 Einrichtungen mit Integrationsgruppen und vier Einrichtungen mit einem Förderschwerpunkt.

Ergebnisse

  • Die Studie ergab, dass der Begriff „Inklusion“ lediglich in 9,8% der 112 Konzeptionen verwendet wird, der Begriff „Integration“ dagegen (noch) in 52,7%. Nur fünf der Einrichtungen, die den Begriff „Inklusion“ verwendeten, beschrieben damit auch tatsächlich eine inklusive Arbeitsweise.
  • In 48,2% der pädagogischen Konzeptionen werden Förder- und Unterstützungsbedarfe von Kindern, die aus einer körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung bzw. einer Entwicklungs- oder Verhaltensauffälligkeit resultieren und besondere Förderangebote erfordern, benannt.
  • In 87,5% der pädagogischen Konzeptionen wird auf eine regelmäßig stattfindende Entwicklungsbeobachtung und –dokumentation hingewiesen. Hinweise auf standardisierte Entwicklungsscreenings waren dabei aber selten.
  • In 39,3% der Konzeptionen wird der Anspruch erhoben, Kinder individuell zu fördern und in 59,8% werden strukturierte Förderprogramme (zumeist Sprachförderung) benannt, die regelhaft in den Einrichtungen zum Einsatz kommen.
  • Auf die Elternarbeit wird in allen Konzeptionen eingegangen, in 84,8% sind regelmäßige Elterngespräche ausgewiesen, die in wiederum 53,6% explizit als Entwicklungsgespräche benannt sind.
  • In 43,8% wird die interprofessionelle Zusammenarbeit im Team der KiTa thematisiert und fast alle KiTas benennen Kooperationsbeziehungen zu externen Netzwerkpartnern, so zum Beispiel auch mit therapeutischen Einrichtungen (80,4%), Bildungseinrichtungen (80,4%) und kommunalen Einrichtungen (61,6%). 80,2 % der Kitas thematisieren auch die Fort- und Weiterbildung des Personals ohne dabei - bis auf wenige Ausnahmen - dezidiert das Thema Inklusion zu erwähnen.
  • Nur 14,3% der KiTas thematisieren schließlich die Qualitätsentwicklung ihrer Einrichtung in den Konzeptionen. Keine erwähnt dabei dezidiert den Einsatz von Instrumenten zur Qualitätssicherung.

Resümee

Zusammenfassend schreiben die AutorInnen, „dass in einem Teil der Konzeptionen erste Gestaltungsvorschläge zur Umsetzung der Inklusion berücksichtigt werden, aber in der Gesamtheit der Einrichtungen noch erhebliche konzeptionelle Weiterentwicklungen erforderlich sind, um den Anspruch eines inklusiven Angebotes gerecht werden zu können“ (ebd. S., 207). Es zeige sich, dass der in der Literatur beschriebene Paradigmenwechsel von der Integration zur Inklusion sich „zumindest auf der Ebene der Konzeptionen von Praxiseinrichtungen noch nicht widerspiegelt“ (ebd.). Einschränkend weisen die AutorInnen aber darauf hin, dass abgesehen von der räumlich und quantitativ begrenzten Pilotstudie, grundsätzlich „nur Aussagen über den gegenwärtigen Stand der konzeptionellen Umsetzung von Inklusion, nicht aber über deren Implementation im pädagogischen Alltag der Einrichtungen“ (ebd. S. 209) gemacht werden könnten.


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