Bilderbücher für die Klein(st)en

In andere Welten eintauchen

Bilderbücher sind wichtig für die Entwicklung von Kindern. Sie fördern den Spracherwerb, regen die Fantasie an und dazu macht das gemeinsame Lesen Spaß.  Timm Albers gibt Tipps, auf was Fachkräfte bei der Auswahl der Bücher achten sollten.

Bilderbücher nehmen für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern und damit in der Kita eine wichtige Rolle ein. Kinder kommen jedoch mit völlig unterschiedlichen Vorerfahrungen aus ihrer Familie in die Kita. Die US-Wissenschaftlerinnen Susan B. Neuman und Donna C. Celano haben 2006 in einer großen amerikanischen Erhebung herausgearbeitet, dass einige Kinder einen fast uneinholbaren Wissensvorsprung haben, weil in ihren Herkunftsfamilien 40 Mal mehr vorgelesen wurde als in anderen. Während für manche Kinder der Umgang mit Bilderbüchern ein fester Bestandteil des Alltags ist, ist der Kontakt zu Büchern in anderen Familien weniger selbstverständlich. Hier kommt den frühpädagogischen Fachkräften eine wichtige Bedeutung zu, die Lust an Büchern zu wecken und Eltern von der Bedeutung des Vorlesens zu überzeugen.

Bilderbücher im Altersverlauf

Bücher und Geschichten begleiten Kinder das ganze Leben. Es gibt Bücher, die auf ein bestimmtes Alter abgestimmt sind und die die kindlichen Interessen an bestimmten Themen wecken oder auch das Bedürfnis nach kindlichem Spiel und Erkundung altersgerecht aufgreifen. Dabei sollte aber betont werden, dass Kinder sich häufig nicht in schematische Überlegungen von Erwachsenen einordnen lassen und sich oft auch für Bücher interessieren, die nicht der Altersangabe oder Themenauswahl entsprechen. Dennoch können folgende Kriterien bei der Auswahl und dem richtigen Einsatz von Büchern in Kindertageseinrichtungen helfen:

Altersbereich 2 bis 3 Jahre
  • Bücher mit kurzen Geschichten
  • Bücher mit Reimen, die sich leicht merken und nachsprechen lassen
  • Geschichten, die sich an einer bestimmten Struktur orientieren, wie beispielsweise die kleine Raupe Nimmersatt (Am Montag fraß sie sich durch..., am Dienstag...)
  • Bücher über Größen, Mengen, Zahlen und Buchstaben
  • Bücher über Kinder in aller Welt, Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten und in unterschiedlichen Lebenslagen, ohne dabei Vorurteile zu bedienen oder zu schüren
Altersbereich 3 bis 4 Jahre
  • Bücher mit lustigen Texten, die vielleicht Widerspruch auslösen und Ironie als Stilmittel nutzen können
  • Bilderbücher, die typische Rollenbilder und –erwartungen auch einmal umkehren (zum Beispiel „Echte Kerle“ von Manuela Olten oder: „Wenn ich Du wäre“ von Richard Hamilton und Babette Cole)
  • Bilderbücher, die mit Sprache spielen, wie zum Beispiel die Geschichte über Herrn Beckermann in „Der Wechstabenverbuchsler“ von Mathias Jeschke und Karsten Teich, der seit einem Unfall in einer Drehtür die Buchstaben verwechselt und sich selbst mit Herr Mackerbenn, Backermenn oder Meckerbann vorstellt.
  • Illustrationen, auf denen die Kinder viele Akteure entdecken können, die wiederum eine Vielzahl an kleinen Geschichten erzählen, wie in den bekannten großformatigen Wimmelbüchern von Ali Mitgutsch, etwa „Das Riesenbilderbuch“
  • Bilderbücher, die zum Nachdenken anregen (zum Beispiel „Frederick“ von Leo Lionni)

Altersbereich 5 bis 6 Jahre
  • Bilderbücher, die kindliche Interessen aufgreifen
  • Bilderbücher, die immer neue Geschichten von den gleichen Titelfiguren erzählen, wie beispielsweise „Pippi Langstrumpf“ von Astrid Lindgren, „Pettersson und Findus“ von Sven Nordqvist oder „Dr. Brumm“ von Daniel Napp
  • Kinder in diesem Altersbereich können auch schon längere Geschichten erfassen, die weniger
  • illustriert sind. Geeignet sind dafür zum Beispiel auch Bücher, die mehrere Geschichten von unterschiedlichen Autoren beinhalten, wie „Von Tuppi, Krawitter und Schweinchen Jo“, das neugierig macht auf klassische Kindergeschichten der DDR von Ludmilla Herzenstein („Das neugierige Entlein“), Barbara Augustin („Das Seepferdchenrennen“) oder Hannes Hüttner („Pommelpütz“) .

Mehrsprachigkeit als Bereicherung

Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch tragen zu einer großen sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Kitas bei. Mehrsprachig aufwachsende Kinder können von der überschaubaren Situation des Vorlesens in einer Kleingruppe oder in der Einzelsituation profitieren. Sie bringen jedoch auch eigene wertvolle Erfahrungen mit Geschichten und Büchern mit, die Fachkräfte in die Arbeit der Kita einbeziehen können. Wenn Eltern beispielsweise gebeten werden, ein Buch in der Muttersprache vorzulesen, steigert das nicht nur das Selbstbewusstsein und die Sprachkompetenz des Kindes, sondern es weckt auch das Interesse der anderen Kinder an Sprachen.

Erfahrungen aus dem Alltag von Kindertageseinrichtungen, die von einer großen sprachlichen Vielfalt profitieren, belegen eindrucksvoll, wie gebannt Kinder einem Erwachsenen zuhören, obwohl sie die Sprache überhaupt nicht verstehen. Mittlerweile gibt es in Bibliotheken mit einer guten Auswahl an Kinderliteratur auch eine Vielzahl an Büchern in unterschiedlichen Sprachen, zum Beispiel: „Buzcan, der kleine Drache“ (Ibrahim Cayir, Mustafa Cebe, Türkisch), „Prinzessin Ardita. Ein albanisches Märchen auf Deutsch und Albanisch“ (Silvia Hüsler) oder „Mein neuer Freund, der Mond.“ (Walid Taher, Deutsch und Arabisch).

Familien einbinden

Damit die Eltern selbst ein Modell für ihre Kinder werden, kann der Einsatz von Bilderbüchern in der Kindertageseinrichtung geübt werden: Zunächst präsentiert die frühpädagogische Fachkraft auf einem Elternabend ein Bilderbuch aus dem Kindergarten. Sie liest es vor und kommt mit den Eltern dabei ins Gespräch über die Geschichte. Wurde alles verstanden? Worum ging es in der Geschichte? Darüber hinaus kann sie fragen, welche Rolle Bücher zu Hause spielen und ob dort vorgelesen wird. Welche Rolle spielen mündliche Erzählungen? Die Überwindung der Distanz zwischen Kindertageseinrichtungen und Familien kann nur durch die Beteiligung von Eltern in der Einrichtung gelingen. Bilderbücher können dabei eine Brücke sein.

Zum Weiterlesen:
  • Timm Albers: Das Bilderbuch-Buch. Sprache, Kreativität und Emotionen in der Kita fördern. Beltz, 2015

Erstveröffentlichung in: Meine Kita – Das didacta Magazin für den Elementarbereich, Ausgabe 01/16, S. 10 -13. Übernahme mit freundlicher Genehmigung von "Meine KiTa"



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