Is(s)t KiTa gut?

Im Sommer 2014 hat die Bertelsmann-Stiftung eine viel beachtete Studie zum Thema „Essen" in Kindergärten und Krippen heraus gebracht – und dabei gravierende Mängel festgestellt. In Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr Kinder immer früher und im länger in einer KiTa sind, stellt sich daher die dringende Frage danach, wie man die Klein(st)en gut versorgen kann.

Im Interview mit Jenna Hartmann von nifbe-Regionalnetzwerk NordWest erläutert die Ökotrophologin Meike Ernestine Tecklenburg die Ergebnisse der Bertelsmann-Studie und fasst zusammen, worauf es bei der gesun-den Ernährung in der KiTa ankommt.

 

  • Was war der konkrete Anlass für die Bertelsmann Studie?

TecklenburgEs ist eine deutliche Zunahme der Inanspruchnahme der Ganztagsbetreuung durch Kinder im Alter von wenigen Monaten bis zum Schuleintritt zu verzeichnen. Diese Entwicklung verleiht der Verpflegung im Rahmen der frühkindlichen Bildung und Erziehung einen besonderen Stellenwert.

Im Jahr 2013 haben über 1,8 Millionen Kinder täglich ein Mittagessen in der KiTa verzehrt; Tendenz steigend: 2014 waren es bereits über 1,9 Millionen Kinder. Das ist ein Anstieg um ca. 5 Prozent. Über die Qualität und die Rahmenbedingungen in der KiTa-Verpflegung war aufgrund des andauernden Aus- und Umbaus von Angeboten in der frühkindlichen Bildung und Betreuung bisher allerdings wenig bekannt.

Die Bertelsmann Studie hatte zum Ziel Transparenz hinsichtlich des Status quo in der KiTa-Verpflegung herzustellen. Mithilfe von Modellrechnungen sollten Informationen über notwendige Rahmenbedingungen und Ressour-cen ermittelt werden, die für ein gutes Verpflegungsangebot in KiTas erforderlich sind.

 

  • Welche Datenlage wurde der Studie zugrunde gelegt?

Ausgehend von einer Grundgesamtheit von 51.944 KiTas in Deutschland (Stand 2012) wurde eine Zufallsstichprobe gezogen. Angestrebt wurde, dass sich mindestens 2% aller KiTas in den 16 Bundesländern an der Befragung beteiligen.

Im Frühjahr 2013 haben wir dann 5.000 KiTas aus allen Bundesländern einen Fragebogen zugesendet und 1082 KiTas nahmen an der schriftlichen Befragung teil. Bezogen auf die Grundgesamtheit haben wir so eine Rückmeldung von 2,1% der KiTas in Deutschland bekommen.

Zusätzlich haben wir die KiTas um Speisenpläne gebeten. 560 KiTas reichten vollständige Vierwochenspeisepläne ein. Die Speisepläne haben wir anhand zentraler Anforderungen aus dem „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder" ausgewertet.

Parallel zu der Befragung wurden in Modellrechnungen der Preis und die Kosten einer Verpflegung in KiTas auf Basis von Musterspeiseplänen, welchen der DGE-Qualitätsstandard zugrunde lag, kalkuliert. Hierzu haben wir im Winter 2012 bis Frühjahr 2013 unter anderem die Durchschnittspreise für Lebensmittel, Betriebsmittel, Energiekosten und Entsorgung, aber auch für Dienstleistungen, wie die Anlieferung von warmen Speisen ermittelt.

 

  • In welchem Umfang wird das Angebot einer Essensversorgung in der KiTa laut der Studie in Anspruch genommen?

Die Befragung hat gezeigt, dass wenn ein Verpflegungsangebot vorhanden ist, dieses von der Mehrheit der Kinder auch in Anspruch genommen wird. So gaben die befragten KiTas mit Frühstücksangebot an, dass dieses im Durchschnitt von 80% der Kinder genutzt wird. Am Mittagsangebot der befragten Kindertageseinrichtungen nahmen durchschnittlich 73% der Kinder teil und das Verpflegungsangebot am Nachmittag wird im Durchschnitt von 60,5% der Kinder in Anspruch genommen.

 

  • Wie gestalten sich die Essensangebote in den KiTas derzeit?

Wird ein Frühstück angeboten, dann geben die befragten KiTas an, dass sie Obst, Milch und Milchprodukte, Gemüse als Rohkost sowie Brot und Brötchen dazu reichen. Als Getränke werden überwiegend Trink- und Mineralwasser sowie Kräuter- und Früchtetees angeboten. Diese Lebensmittelauswahl ist sehr zu begrüßen und entspricht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Dadurch leistet das Frühstück einen wichtigen Beitrag zur täglichen Nährstoffversorgung.

Bei der Zwischenverpflegung am Nachmittag zeigt sich ein ähnliches Bild wie beim Frühstück. Allerdings wird hier von knapp 50% der KiTas angegeben, dass auch Kuchen und Kekse angeboten werden. Aufgrund des hohen Zucker- und Fettgehalts ist aus ernährungsphysiologischer Sicht von Süßigkeiten im Rahmen der Zwischenmahlzeiten abzuraten. Auf jeden Fall sollten hierzu KiTa-interne Regeln erarbeitet werden.


Das Mittagessen wird in 70% der befragten KiTas im Gruppenraum eingenommen. Dabei wird häufig ein Hauptgericht verzehrt, das durch unterschiedliche Komponenten ergänzt wird. Am häufigsten wurde hier von einem Drittel der KiTas genannt, dass es zusätzlich zum Hauptgericht noch Rohkost und ein Dessert gibt.

Die Speisen werden in knapp 74% der KiTas in Schüsseln serviert. Die Kinder füllen sich entweder selbst auf oder die Speisen werden im Beisein der Kinder aufgefüllt. Zum Trinken gibt es in den allermeisten KiTas Trink- und Mineralwasser. Etwa zwei Drittel der KiTas bieten zusätzlich auch Kräuter- oder Früchtetee an.

Um mehr über die Zusammenstellung der Mittagessen in den KiTas aussagen zu können, haben wir 560 Vierwochenspeisepläne ausgewertet. Die Analyse ergab, dass die Speisepläne in Bezug auf die Häufigkeit, in der bestimmte Lebensmittel bzw. Lebensmittelgruppen angeboten werden sollen, deutlich hinter den Anforderungen der DGE zurückbleiben.

So wird nur in etwa der Hälfte der Speisepläne täglich Gemüse zum Mittagessen angegeben. Auch Obst wird den Speiseplänen zufolge zu selten angeboten. Die DGE-Anforderung, dass Obst an mindestens acht Tagen in 20 Verpflegungstagen zur Verfügung steht, erfüllen nur 19% der Speisepläne. Während Seefisch zu selten angeboten wird, sind Fleisch und Fleischerzeugnisse zu häufig Bestandteil der Mittagsversorgung. Nur etwa die Hälfte der Speisepläne erfüllt die DGE-Anforderung Fleisch und Fleischerzeugnisse nicht häufiger als acht Mal in 20 Verpflegungstagen anzubieten.

Das Ziel allen KiTa-Kindern ein genussvolles und gesundheitsförderndes Mittagessen anzubieten ist noch nicht erreicht. Es ist noch viel zu tun.

 

  • Worauf muss bei der Kleinkindernährung allgemein geachtet werden?

Kleinkinder sollten ab der Einführung der ersten Beikost ein vielfältiges Lebensmittelangebot kennenlernen. Ihnen wird so ermöglicht neue Erfahrungen mit Gerüchen, Geschmacksnuancen und Texturen zu machen und im Zuge dessen ihren eigenen Geschmack auszubilden. Dabei sollten ihnen reichlich pflanzliche Lebensmittel, wie Obst und Gemüse, sowie Getränke angeboten werden. Tierische Lebensmittel, wie Fleisch, Käse und Wurst sollten in Maßen und Süßigkeiten sowie fettrei-che Kost sparsam angeboten werden.

Auch Geduld ist wichtig. Denn, dass ein Kind über eine längere Zeit die gleichen, vertrauten Lebensmittel auswählt und Angst vor Neuem hat, ist evolutionsbiologisch angelegt.

Es ist wichtig ein Vorbild zu sein und durch positive Geschichten die Neugierde am Essen zu wecken. Essen und Genuss wird beim Essen gelernt und so verbinden die Kinder die Speisen mit den beim Essen gemachten Erfahrungen, den erlebten Emotionen, Gerüchen und Eindrücken. Eine positive emotionale Atmosphäre während des Essens und ein ansprechendes Aussehen der Speisen unterstützt daher die Ge-schmacksbildung.

 

  • Welche Empfehlungen würden Sie aus der Sicht einer Ökotrophologin für die Ernährung in KiTas aussprechen?

Die KiTa ist ein Ort an dem Kinder ein eigenverantwortliches, ungezwungenes und genussvolles Essen und Trinken erlernen können. Um diesen Ort entsprechend zu gestalten, sollte die Einrichtung ein ausgewogenes Verpflegungsangebot bereitstellen. Um dies sicherzustellen, sollte die KiTa den DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder umsetzen.

Daneben sollte auch die Situation bei Tisch selbst berücksichtigt und für alle angenehm gestaltet werden. Hier haben vor allem die ErzieherIinnen, sowie in einigen KiTas auch die hauswirtschaftlichen Mitarbeiterinnen, eine Vorbildfunktion. Diese sollten sie in den gemeinsamen Mahlzeiten auch übernehmen.

Die Ernährungsbildung sollte in der KiTa zudem über die Mahlzeiten hinausgehen. Denn durch die gemeinsame Vor- und Zubereitung, das Kennenlernen von neuen Lebensmitteln und deren Herkunft, sowie andere Aktionen, Exkursionen, Projekte rund um das Thema Essen und Lebensmittel können vielfältige Kompetenzen bei den Kindern gefördert werden.

 

  • Welche Rahmenbedingungen sind für eine gute KiTa Verpflegung von Nöten?

In der Studie wurden die folgenden Faktoren am häufigsten als Herausforderungen in der KiTa-Verpflegung genannt:

  • das Kostenmanagement,
  • der Platzmangel (z.B. kein extra Speiseraum),
  • die Ernährungsbildung und -erziehung,
  • die Qualitätssicherung,
  • das Hygienemanagement,
  • die Personalbemessung sowie
  • die Menü- und Rezeptplanung.

Die Ergebnisse zeigen, dass gerade in Bezug auf die Bereitstellung ausreichender finanzieller, räumlicher und personeller Ressourcen gehandelt werden muss, will man eine gute Versorgung gewährleisten. Ohne ausreichende Ressourcen in diesen drei Bereichen kann eine gute Verpflegung nicht sichergestellt werden.

So hängt es meist von den räumlichen Begebenheiten in der KiTa ab, welches Verpflegungssystem die KiTa wählen kann. Es ist beispielsweise nicht möglich in der KiTa vor Ort zu kochen, wenn es dort keine eigene Kü-che mit einer entsprechenden (Großküchen-) Ausstattung gibt. Die Qualität der Verpflegung wird zudem nicht nur von den Speisen sondern auch von der Atmosphäre beim Essen beeinflusst. Ein separater Speise-raum, in dem die Kinder ihre Mahlzeiten in Ruhe einnehmen können ist daher wünschenswert.

Des Weiteren wird deutlich, dass es um die Frage der Umsetzung geht. Wie soll Ernährungsbildung in der KiTa umgesetzt werden? Wie erstelle ich einen ausgewogenen Speisenplan bei dem nicht zu viele Abfälle anfal-len? Dies sind Fragen, die zeigen, dass für eine gute Verpflegung Fachwissen von Nöten ist. Denn guter Ge-schmack, ansprechendes Aussehen, Abwechslungsreichtum und eine hohe ernährungsphysiologische Quali-tät bei einer einwandfreien Hygiene verlangt Professionalität. Einschlägig ausgebildete Fachkräfte für den Verpflegungsbereich würden dies erfüllen.

Auch sollten für das hauswirtschaftliche sowie pädagogische Personal regelmäßige Weiterbildungen zur Ver-pflegung und zur Ernährungsbildung angeboten werden. Darüber hinaus ist eine Verständigung über die Qualität der Verpflegung als solche wichtig. Hierzu ist es empfehlenswert, dass die KiTa den DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder umsetzt.

Parallel dazu sollte sie ein Verpflegungskonzept entwickeln, in dem neben den strukturellen Rahmenbedingungen die Qualität und Angebotsbreite der Mahlzeiten sowie die Ernährungsbildung in der KiTa beschrieben werden. Es sollte deutlich werden, wie die Verpflegung und Ernährungsbildung in die pädagogischen Konzep-te der KiTa eingebettet sind.

Entscheidet sich eine KiTa für die Belieferung durch Externe ist es erforderlich, dass ein ausdifferenziertes Leistungsverzeichnis erstellt wird, das die Anforderungen der KiTa an die Dienstleistungen des Anbieters wie z.B. die Qualität der Speisen beinhaltet.

 

  • Welche Veränderungen sind in diesem Zusammenhang am Drängendsten?

Um die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen, ist vor allem die Finanzierung entscheidend. Über die Finanzierung der KiTa-Verpflegung müssen sich meiner Meinung nach alle Beteiligten einigen. Eine alleinige Finanzierung aus den Essensentgelten der Eltern halte ich nicht für sinnvoll, denn es sollte jedes Kind unabhängig von der finanziellen Situation seiner Eltern in den Genuss einer ausgewogenen KiTa-Verpflegung kommen.

 

  • Worauf müssen sich in der Konsequenz Träger von KiTas einstellen, wenn es in den Einrichtungen eine gesunde Ernährung geben soll?

Die Träger sollten für ihre KiTas, die genannten erforderlichen Ressourcen bereitstellen und in ihren Einrichtungen für die Umsetzung des DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder werben. Überdies ist es notwendig, dass sie ihren Mitarbeiter*innen die Möglichkeit bieten sich im Bereich der Ernäh-rung und Verpflegung regelmäßig weiterzubilden.

 

Zur Person:

Dipl. oec. troph. (FH) M. Ernestine Tecklenburg arbeitet seit 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in dem Projekt „Essen und Trinken in Kinder-tageseinrichtungen". Ihre Promotion zum Thema „Weiterbildung für nachhaltiges Handeln in der Außer-Haus Verpflegung am Beispiel der KiTa-Verpflegung" schreibt sie an der Leuphana Universität Lüneburg.

 



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