Kognitive Kompetenz-Entwicklung in der KiTa

Kinder kommen mit erheblich unterschiedlichen Startbedingungen in die Grundschule. Eine im Rahmen des Forschungsverbund „Frühkindliche Bildung Niedersachsen“ durchgeführte Studie der Universität Hildesheim mit dem Titel „Differentielle Entwicklungsverläufe kognitiver Kompetenzen im Kindergartenalter (Koko)“ gibt nun Auskunft über Entwicklungsstadien, -tempi und über individuelle Vorsprünge und -rückstände im Vor- und Grundschulalter. Die von 2008 bis 2013 durchgeführte Untersuchung zeigt auch, welche Kompetenzen in der frühen Kindheit für spätere Schulleistungen – z.B. im Lesen, Schreiben und Rechnen – entscheidend sind.

Die Forschergruppe um Psychologieprofessorin Dr. Claudia Mähler hat in der Längsschnittstudie „Koko“ die Entwicklungsverläufe von Vor- und Grundschulkindern betrachtet. Etwa 200 Kinder aus Hildesheim werden seit ihrem Eintritt in den Kindergarten über fünf Jahre halbjährlich getestet; inzwischen besuchen sie das zweite Schuljahr. In der Studie wurden bereichsübergreifende (Intelligenz, Arbeitsgedächtnis, Konzentrationsfähigkeit) und bereichsspezifische (u.a. Zählfertigkeiten, phonologische Verarbeitung, sprachliche Fertigkeiten) Vorläuferfertigkeiten untersucht. Seit Beginn der Schulzeit werden auch die Schulleistungen im Lesen, Schreiben und Rechnen mit erhoben. Auch der Einfluss von Umweltvariablen wie soziökonomischer Status, Migrationshintergrund und häusliche Lernumgebung wurde erfasst.


Forschungsfragen:

  • Welche Entwicklungsverläufe lassen sich im Vorschulalter identifizieren und geben Hinweise auf Risikofaktoren?
  • Wie lassen sich die Schulleistungen aus den vorschulischen Kompetenzen vorhersagen?
  • Ist die Förderung von (numerischen)  Kompetenzen im Kindergarten wirksam?

Ausgewählte Ergebnisse:

Schulanfänger kommen mit Wissen über Mengen, Zahlen und Laute in die Schule – das Ausmaß an numerischem und phonologischem Vorwissen unterscheidet sich jedoch erheblich voneinander. Welche Merkmale bedingen diese unterschiedliche Entwicklung bis zum Schulanfang, wo liegen Risikofaktoren? Anders als früher angenommen hat weniger Intelligenz, sondern die Leistung des Arbeitsgedächtnisses Einfluss auf spätere Schulleistungen. Bereits 4- bis 6-Jährige mit hoher  Arbeitsgedächtniskapazität zeigen in allen Bereichen bessere Leistungen und stärkere Entwicklungssprünge. Sie haben z.B. stärker entwickelte numerische und phonologische Kompetenzen, kennen sich also mit Zahlen und mit den Klängen der Sprache besser aus.

Zudem wurden Entwicklungsverläufe von 115 deutschen Kindern mit 52 Kindern mit „Migrationshintergrund“ verglichen. „Eine Benachteiligung tritt nicht erst mit Schulbeginn ein, sondern beginnt in der Entwicklung schulrelevanter Vorläuferkompetenzen. Trotz vergleichbarer Lernmöglichkeiten während der 2 Jahre im Kindergarten bleiben Kinder mit Zuwanderungsgeschichte in den schulischen Vorläuferkompetenzen hinter den deutschen Kindern zurück“, sagt Prof. Mähler.

In einem zweiten Teil der Studie wurde geprüft, ob sich Schulleistungen aus den vorschulischen Kompetenzen vorhersagen lassen. Schulleistungen am Ende der 1. Klasse können zu 25 % aus der Leistung des Arbeitsgedächtnisses im Alter von 4 Jahren vorhergesagt werden. Die Prognose wird  nicht sicherer, wenn sie erst mit 6 Jahren erfolgt. Das Arbeitsgedächtnis ist für die kurzfristige Speicherung und Bearbeitung von lautlichen und visuellen Informationen und deren Transfer (z.B. vom Phonologischen ins Visuelle = Schreiben) zuständig und damit von zentraler Bedeutung für das Lesen-, Schreiben- und Rechnenlernen. Auffällig ist, dass Mathematikleistungen bereits sehr früh im Alter von 4 Jahren anhand von numerischen Kompetenzen wie Zählen, Mengenvergleich und Benennen von Ziffern vorhergesagt werden können (35 %). Ein signifikanter Einflussfaktor auf Lese-, Rechtschreib- und Rechenleistungen ist mit 10-16 % der sozioökonomische Status der Familie.

Insgesamt können durch Erfassen von Arbeitsgedächtnis, phonologischen und numerischen Kompetenzen, sozioökonomischem Status und Migrationshintergrund bei 4-Jährigen bereits 34 % der Lese-, 52 % der Rechtschreib- und 35 % der Mathematikleistung am Ende der 1. Klasse vorhergesagt werden. Mit dem Alter der Kinder verbessert sich die Güte der Prognose nicht wesentlich. Dabei weisen die Forscher auf die Bedeutung weiterer Einflussfaktoren wie Motivation, Selbstkonzept, Unterrichtsqualität und Klassenklima hin.

In einem  dritten Teil der Studie wurde geprüft, wie wirksam die Förderung von numerischen  Kompetenzen im Kindergarten in zahlen- und mengenbezogenen Spielen ist. Dabei gingen die  Forscher in „Brennpunktkindergärten“ und „Mittelschichtskindergärten“. „Kinder aus  Brennpunktkindergärten weisen vor Beginn des Trainings geringere numerische Kompetenzen aus, profitieren aber in etwas höherem Maße von der Förderung“, so ein Ergebnis.


Quelle: Projekt-Selbstbericht