Früh übt sich, wer ein Meister werden will

WiFF-Expertise Nr. 26


Die unten zum Download angebotene WiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Expertise bietet einen Einstieg und Überblick zu den neurobiologischen Grundlagen der Gehirn- und Verhaltensentwicklung. Sie vermittelt ErzieherInnen ein grundlegendes Fachwissen zur Funktionsweise des Gehirns, insbesondere mit Blick auf Lern-und Gedächtnisprozesse.
 

Einleitung

Wenn ein Kind zur Welt kommt, vereint es die genetische Information seiner Eltern, die während der Embryonalentwicklung unter anderem sein Geschlecht bestimmt und dafür sorgt, dass die Nase an der korrekten Stelle im Gesicht sitzt, und welche Farbe die Haut, die Augen und die Haare haben.

Bereits vor der Geburt – und vor allem während der ersten Lebensjahre – setzt der Einfluss epigenetischer Prozesse ein, d. h. die Umwelt, in der das kindliche Gehirn aufwächst, bestimmt ganz maßgeblich, in welcher Richtung sich die funktionelle Reifung und Optimierung des Gehirns und Verhaltens vollzieht.

Zu den entscheidenden Umweltfaktoren, die sich auf die Gehirnentwicklung auswirken, gehört auch die vorschulische und schulische Bildung. In diesem Zusammenhang soll vorab bereits auf die häufig in der entwicklungspsychologischen und pädagogischen Literatur geäußerte Kritik hingewiesen werden, dass die Erkenntnisse der Hirnforschung ja nicht neu seien, sondern lediglich längst bekannte Erkenntnisse aus den Erziehungswissenschaften bestätigen. Dies trifft zwar auf einige, aber keinesfalls auf alle neurowissenschaftlichen Befunde zu, und selbst in den Fällen, in denen dies zutrifft, ist es dennoch von grundlegender Bedeutung, wenn man ein gehirnmechanistisches Konzept pädagogischen Handelns entwickelt.

Ein Arzt beispielsweise wird umso wirkungsvoller seine Patienten gesund erhalten und heilen können, je mehr Detailkenntnisse er über die Körperorgane und ihre Funktionen hat, und ein Ingenieur wird umso leistungsfähigere Maschinen bauen können, je mehr physikalische und mechanische Grundkenntnisse er besitzt. Analog sollten Eltern, Erzieher und Lehrer, die am und mit dem Organ Gehirn arbeiten, ein realistisches Konzept von den hirnbiologischen Mechanismen des Lernens und der Gedächtnisfunktionen besitzen.

Die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse versuchen endlich zu erklären, weshalb manche pädagogischen und didaktischen Konzepte „gehirngerechter“ und daher wirkungsvoller sind als andere, und welche Eigenschaften und Kompetenzen einen Lehrer zu einem „guten“ Lehrer machen. Gerade in Deutschland besteht nach wie vor großer, insbesondere interdisziplinärinterdisziplinär|||||Unter Interdisziplinarität versteht man das Zusammenwirken von verschiedenen Fachdisziplinen. Dies kann auch als „fächerübergreifende Arbeitsweise“ verstanden werden, z.B wenn Psychologen, KinderärztInnen, ErzieherInnen und Lehrende zusammen an einer Fragestellung arbeiten.er Forschungsbedarf, um diese Zusammenhänge im Detail zu verstehen, sowie um alte und neue pädagogische Erziehungskonzepte endlich systematisch und quantitativ auf ihre Wirksamkeit (oder Unwirksamkeit) zu überprüfen. In diesem Zusammenhang sollte allerdings auch bedacht werden, dass nicht alle Lernmethoden, Gedächtnistechniken und „Gehirnjogging-Methoden“, die heutzutage als „gehirngerecht“ angepriesen werden, dies auch wissenschaftlich fundiert nachweisen können.


Grundverständnis der neuronalen Mechanismen – Fragestellung

Ein Grundverständnis der neuronalen Mechanismen, die in dieser Expertise dargestellt werden, soll helfen, dem Wildwuchs von nicht immer wissenschaftlich erwiesenen „Neuro-Gütesiegeln“ mit einer kompetenten Kritikfähigkeit zu begegnen. Die Hirnforschung widmet sich mit einem breiten Methodenspektrum der Beantwortung einer Vielzahl von Fragen:

  • Welche Umweltfaktoren und Lernprozesse greifen in die Gehirnentwicklung ein?
  • Welche neuronalen Entwicklungszeiträume sind von kritischer Bedeutung für die Verhaltensentwicklung (Konzept der sensitiven Zeitfenster)?
  • Welche molekularen und (epi)genetischen Mechanismen sind an der funktionellen Reifung der
  • Nervenzellen und ihren komplexen synaptischen Verschaltungen beteiligt?

 

Diese essenziellen Fragen, die im Fokus der Hirnforschung stehen, sind eng gekoppelt an Fragen, die sich Eltern und Erzieher stellen:

  • Was ist angeboren und was ist erworben / erlernt?
  • Verkümmert das Gehirn bei mangelnder Förderung?
  • Wie können wir die Entwicklung des Gehirns und des Verhaltens individuell und optimal fördern?


Dazu zeigen die neueren Erkenntnisse der Hirnforschung, dass bei der erfahrungsgesteuerten Gehirnentwicklung nicht nur die kognitiven Prozesse, sondern vor allem auch die emotionalen Vorgänge eine essenzielle Rolle spielen.

 



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