Margarete Schörl (1912 – 1991)

M. Schörl 200Margarete Schörl (Familienarchiv Hörmann/Fachstelle BEF der Diözese St. Pölten)Margarete Maria Leopoldine Schörl erblickte am 27. September 1912 in Wien das Licht der Welt. Bereits in jungen Jahren verlor sie ihre Eltern. Daraufhin kam sie in die Obhut einer Tante nach Rohrendorf bei Krems. In letztgenannter Stadt wurde sie 1923 im Institut der Englischen Fräulein eingeschult. Nachdem Schörl die Schule abgeschlossen hatte, absolvierte sie von 1929 bis 1932 die zum Institut der Englischen Fräulein gehörende Höhere Lehranstalt für Frauenberufe. 1933 entschloss sie sich als Kandidatin in das Institut der Englischen Fräulein einzutreten. Ein Jahr später erfolgte die Einkleidung, am 26. April 1936 die erste Profess und am 2. Februar 1940 legte Schörl die ewigen Gelübde ab. Fortan trug sie den Namen Mater Margarete Schörl.

Die berufliche Laufbahn der Ordensfrau begann mit der Staatsprüfung zur Kindergärtnerin, die sie 1937 als Externe an der Privat-Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen der Armen Schulschwestern in Amstetten ablegte. Danach arbeitete sie als Kindergärtnerin in Schlitern sowie Bad Reichenhall. In den letzten Kriegsjahren war sie als Privaterzieherin von zwei Schulkindern in einer Kremser Familie tätig.

Mit Unterstützung des Ordens eröffnete Mater Schörl nach 1945 in einem völlig leeren Raum des Institutshauses der Englischen Fräulein in Krems ihren Kindergarten, der schnell zu einer Vorzeigeeinrichtung avancierte. Dieser wurde 1948 zum Versuchskindergarten für Erziehungsreform und zum Übungskindergarten der Privaten Lehrerinnenbildungsanstalt des Instituts der Englischen Fräulein erklärt.

Der Bekanntheitsgrad von Mater Schörl und ihrem Kindergarten erhöhte sich erheblich durch drei Filme, die die Pädagogin 1948 und 1950, u. a. auf Anregung des in Wien ansässigen Bundesministeriums für Unterricht, drehte: „Im Kindergarten“, „Kindergartenstudie I: Das Raumteilverfahren“ und „Kindergartenstudie II: Wie spielt das drei-, vier- und fünfjährige Kind“. Die Filme wurden von der Universität Wien wissenschaftlich begleitet und von keiner geringeren als Maria Montessori, die seit Ende der 1940er Jahre Kontakt zu der Ordensfrau hatte, positiv bewertet. Später erinnerte sich Mater Schörl, dass sich die „Dottoressa“ etwa wie folgt äußerte: “So habe ich es doch auch gemeint“ (zit. n. Riedel 2003, S. 48). Experten aus dem In- und Ausland kamen nach Krems, z. B. Hans Asperger oder Maria Montessoris Sohn Mario Montessori, um den „Schörl-Kindergarten“ und seine pädagogische Arbeit vor Ort kennen zulernen. Damit verbunden waren Einladungen für unzählige Vorträge, Kurse und Referate, die Mater Schörl, neben Österreich, auch nach Deutschland, Holland und in die deutschsprachige Schweiz führten.

Im Jahre 1950 begegnete Mater Schörl bei der Planung zu einem Fachbuch über „Gegenwartsfragen der Kindergartenerziehung“ der in Wien tätigen „Kindergartendirektorin“ Margarete Schmaus. Fortan verband die beiden Frauen eine intensive Arbeitsgemeinschaft und lebenslange Freundschaft.

1979 musste ihr Kindergarten u. a. wegen finanzieller Schwierigkeiten, Raumnot und fehlenden Nachwuchses für eine Kindergartenleitung innerhalb der Englischen Fräulein, seinen Betrieb einstellen. Daraufhin verstärkte die Pädagogin ihre Vortrags- und Kurstätigkeit, die sie drei Jahre später aus gesundheitlichen Gründen einstellte. Außerdem wollte sie sich der Pflege ihrer schwer erkrankten Freundin, für die sie vom Orden frei gestellt wurde, widmen. schörlDenkmal an die österreichische Pionierin der Kleinkindpädagogik (Foto: Manfred Berger)Nach dem Tod von Margarete Schmaus kehrte Mater Schörl nach Krems zurück. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich zusehends. Am 30. Oktober 1991 wurde sie zur besseren Pflege und Versorgung in das Institutshaus der Englischen Fräulein nach St. Pölten verlegt. Dort starb sie am 4. Dezember des gleichen Jahres an den Folgen einer Lungenentzündung und wurde fünf Tage später auf dem Institutsfriedhof, dem Lilienhof in St. Pölten-Stattersdorf beigesetzt. Zu ihrem 105. Geburtstag wurde die Ordensfrau mit einem Denkmal geehrt. Es befindet sich auf dem Gelände der „Bundesbildungsanstalt für Sozialpädagogik und Elementarpädagogik“ in St. Pölten. Im deutschsprachigem Raum wurde diese Ehre bis jetzt - neben Mater Margarete Schörl - nur noch zwei ausgebildeten Kindergärtnerinnen zuteil: Angelika Hartmann und Ida Seele.


Das Raumteilverfahren

Mater Schörl hatte die sozialpädagogischen Methode der (indirekten) Spielführung entwickelt: das Raumteilverfahren. Mit ihr ging die Pädagogin erstmals 1950 an die Öffentlichkeit, die sie nachfolgend in weiteren Publikationen und Filmen, in Zusammenarbeit mit der Universität Wien, festgehalten hatte. Unter Raumteilverfahren ist zu verstehen, die Teilung bzw. Gliederung des Gruppenraums in einzelne kleine Spiel-/Aktivitätsgruppen, „äußerlich gesehen, zu Raumteile“ (Schmaus/Schörl 1978, S. 30). Der Gruppenraum ist tagtäglich für eine bestimmte Zeit die „Wohnstube“ des Kindes und der wichtigste Lebensraum im Kindergarten. Darum sollte seine Gestaltung genau überlegt sein, er „insgesamt und täglich neu vorbereitet werden“, zumal der „Gruppenraum hinsichtlich Farbe, Form, Fülle und Übersicht Eindrücke vermittelt, die auf das Kind einwirken“ (Hilbers/Jostock 1989, S. 33).

Mater Schörl teilte den Gruppenraum in immobile und mobile Raumteile. Erstgenannte werden von der Erzieherin eingerichtet und sind von vornherein feststehende Bereiche. Es sind dies der Bauplatz, die Puppenwohnung und der Bilderbuchplatz. Die Pädagogin begründete diese feste Anordnung damit, dass der wiederholte Auf- und Ausbau so großer Flächen für die Kinder eine nicht gering einzuschätzende Belastung darstellen würde, so dass letztlich für das eigentliche Tun ihr Interesse dann schon erlahmt ist. Entsprechend der einzelnen Bereiche wird das dazugehörende überschaubare Spiel-/Beschäftigungsmaterial immer wieder ausgetauscht oder ergänzt, um neue Impulse und Anregungen zu geben.

Mobile Raumteile sind Spiel-/Aktivitätsbereiche, die einem besonderen Interesse der Kinder oder aktuellen kindlichen Erlebnissen entspringen. Diese werden von der Erzieherin mit Kindern bzw. von Kindern allein auf – und ausgebaut. Dazu bedarf es natürlich genügend freier Plätze und auch entsprechender Raumteiler, die jederzeit für die Kinder erreichbar sind: Tische, Stühle, Kisten, Tücher, Bretter. Auch ein einzelner Arbeitsplatz, beispielsweise der Maltisch, kann durch die Aktivität der Kinder zum Raumteil werden. Ein solcher Platz ist dann mobil, „wenn nicht von vornherein nur eine bestimmte Tätigkeit… daran möglich ist. An demselben Tisch, an dem einmal genäht wird, kann zu später Zeit beispielsweise gewebt oder gemalt werden“ (Schmaus/Schörl 1978, S. 36).

Mater Schörls Verdienst ist, dass ihr Raumteilverfahren „in Beziehung stand zu den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie und Verhaltensforschung ihrer Zeit und die besagten, dass Kinder nur in einer Kleingruppe – der sogenannten ‚face-to-face-group’ – selbständig geordnet agieren können“ (Rumpl 1992, S. 91). Ihre „Erfindung“ betrachtete die Pädagogin jedoch „nicht als ein starres Prinzip, das einmal hergestellt keine Veränderung und Weiterentwicklung erfährt, vielmehr sollte es auf der Grundlage einer wachen Beobachtung der Kinder ständig reflektiert und angepasst werden“ (Kapfer-Weixelbaumer 2005, S. 92). Diesbezüglich schrieb die Ordensfrau in pädagogischer Weitsicht und Offenheit treffsicher:

„Jedes pädagogische System, und sei es noch so gut, ist eine Erstarrungsform und gerät damit in Widerspruch zu sich selbst und seinem Schöpfer. Die Pädagogik soll Dienst am Leben sein. Das Leben aber fließt, unentwegt verändert es sich, und damit ändern sich auch die pädagogischen Bedürfnisse und Notwendigkeiten, aber auch die pädagogischen Möglichkeiten“ (Schörl 1956, S. 214).

Mater Schörl war nicht nur die „Erfinderin“ des Raumteilverfahrens. Sie hatte seinerzeit allgemein die Kindergartenpädagogik innovativ und umfassend beeinflusst. Heute ist die „Schörlpädaogik“ eine geschätzte Kindergartenkonzeption.

 

Literatur


  • Berger, M.: Das Kind ist der Mittelpunkt. Mater Margarete Schörls Leben und Wirken für den Kindergarten, in: Pastorale Dienst, Bereich Familie (Hrsg.): Festschrift zum 100. Geburtstag von M. Margarete Schörl, St. Pölten 2012, S. 8-26

  • Ders: Margarete Schörl, in: kindergarten heute 2012/H. 9, S. 34-39

  • Hilbers, E./Jostock V.: Alltag im Kindergarten pädagogisch gestalten. Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis, Lingen 1989

  • Kapfer-Weixelbaumer, A.: Kinderleben und Kinderspiel im Kinderhaus, in: Braun, K.-H./Wetzel,

  • Riedel, B.: Selber denken macht gescheit! Pädagogisch arbeiten im Kindergarten. Ein Fachbuch zur Schörlpädagogik, Bad Salzdetfurth 2003

  • Rumpl, M.: Meine Erinnerungen – mein Dank an Mater Margarete Schörl, in: Unsere Kinder 1992/H. 4, S. 91

  • Schmaus, M./Schörl, M.: Die sozialpädagogische Arbeit der Kindergärtnerin, München 1964

  • Dies.: Sozialpädagogische Arbeit im Kindergarten, München 1978

  • Dies.: Erneuerung der Glaubenerziehung im Kindergarten, München 1968

  • Schörl, M.: Aus meinem Kindergarten, in: Niegl, A. (Hrsg.): Gegenwartsfragen der Kindergartenerziehung, Wien 1950, S. 81-92

  • Dies.: Die Lehren Fröbels und Montessoris in der Erziehungssituation unserer Zeit, in: Kinderheim 1956/H. 6, S. 214-223

  • Dies.: Das Raumteilverfahren, in: Kinderheim 1960, S. 6, S. 15- 18

 



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