Bukarest Early Intervention Project

Welche Folgen hat die frühe Unterbringung in einem Kinderheim auf die kindliche (Hirn-) Entwicklung? Diese Frage steht im Fokus des „Bukarest Early Intervention Project“ (BEIP), dass in mehreren für ihre besonders schlechten Verhältnisse berüchtigten rumänischen Kinderheimen durchgeführt wurde und Hinweise auf nachhaltige Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung durch Vernachlässigung gibt.

In dem Längsschnitt-Projekt wurden 136 Kinder, die von Geburt an in Kinderheimen in Bukarest lebten, von den ForscherInnen bis zum achten Lebensjahr begleitet und regelmäßig untersucht. Rund die Hälfte dieser Kinder kam im Alter zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren in Pflegefamilien, die andere Hälfte verblieb im Heim. Im Alter von 30 und 42 Monaten sowie mit acht Jahren wurden die Kinder einem Gehirnscan unterzogen und ihre Gehirnströme mittels Elektroenzephalogramm (EEG) gemessen. Diese Werte wurden dann mit Werten von in Familien aufgewachsenen Kindern verglichen.

Die Ergebnisse bestätigen Vermutungen, dass die zuwendungs- und anregungsarmen Verhältnisse in (rumänischen) Heimen die psychische, soziale und kognitive Entwicklung auf gravierende und teils unwiderrufliche Weise beeinträchtigen. Zurückzuführen ist dies höchstwahrscheinlich darauf, dass die Vernachlässigung im Heim die normale Entwicklung der Hirnstrukturen stört.

So berichten die ForscherInnen des BEIP im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences", dass alle Heimkinder durchschnittlich 35 Kubikzentimeter weniger „graue Materie“ (= Hirnrinde) als normal aufgewachsenen Kinder aufwiesen. Dieser Teil des Gehirn gilt als Sitz des Bewusstseins und höherer Funktionen.

Auch die „weiße Materie“, in dem die Signalleitungen des Hirns zentral verlaufen, ist demnach zu Anfang auch bei allen Heimkindern kleiner gewesen. Kinder, die danach in Pflegefamilien wechselten, konnten diese Defizite aber durch die hier vermehrte Zuwendung wieder ausgleichen.

Die Forschungsergebnisse zeigen einmal mehr, dass in den ersten Jahren die Grundlagen für die gesamte spätere psychische, soziale und kognitive Entwicklung des Kindes gelegt werden und dass verlässliche Beziehungen, Zuwendung und Anregung hier ausschlaggebende Faktoren sind.


Tipp zum Weiterlesen:
Zur ethischen Problematik dieses Forschungsprojektes hat Hilde von Balluseck  hier auf erzieherin.de Stellung genommen.

Lesen Sie hierzu auch unserern Fachbeitrag Zur Ethik der Forschungspraxis