Auguste Wilhelmine Herz (1824-1880)

herz 150Auguste Wilhelmine Herz (Quelle: Ida-Seele-Archiv)Auguste Wilhelmine Kachler erblickte am 8. Juni 1824 in Leipzig das Licht der Welt. Sie war das jüngste von vier Kindern des „Academicus und Musiklehrers“ Johann Christian  Kachler und dessen Ehefrau Johanna Marie, geb. Hoffmann. Als sie neun Jahre alt war, übersiedelte die Familie nach Friedrichstadt bei Dresden. Das musikalische Mädchen, das unter somnambulen Zuständen litt, erhielt Klavierunterricht von Friedrich Wieck, dem Vater von Clara Schumann. Anfang November 1843 heiratete Auguste Kachler den Philosophen und Privatgelehrten Dr. Heinrich Wilhelm Herz. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor. Das politisch und sozial engagierte Ehepaar unterstützte den Auf- und Ausbau eines Erziehungsvereins, der 1847 in Dresden gegründet worden war. Zu Beginn des Jahres 1849 besuchte Herz, die sich sehr für die Pädagogik Friedrich Fröbels interessierte, Kindergärten und ähnliche Einrichtungen u. a. in Gotha, Erfurt, Homburg vor der Höhe, Frankfurt/Main und Darmstadt. Angeregt und ermutigt durch die gewonnenen Erkenntnisse, gründete sie in Dresden einen nach der Fröbel’schen Konzeption ausgerichteten Volkskindergarten. Die Einrichtung nahm zunächst nur Kinder unbemittelter Eltern auf. Als jedoch das Gehalt ihres Gatten, der nach der Niederschlagung des Dresdner Maiaufstandes (3. bis 9. Mai 1849) wegen Hochverrats zunächst zu einer lebenslänglichen Zuchthausstrafe verurteilt worden war, entfiel, musste sich die vielfache Mutter „ab Ostern 1850 entschließen, nun auch Kinder von bemittelten Eltern in ihren Kindergarten aufzunehmen“ (Ludwig 2000, S. 12), um durch die Mehreinnahmen ihre familiären Unterhalt sowie die nicht gerade stabile finanzielle Lage ihres Kindergartens abzusichern.

Volkskindergarten für Unbemittelte


Neben der Leitung des Kindergartens war Herz noch Vorsitzende des „Demokratischen Frauenvereins“, bildete ferner junge Frauen und Mädchen in der Fröbel’schen Pädagogik aus und besuchte Kindergärten, um diesen praktische als auch theoretische Anregungen zu vermitteln. Zu dem hielt sie Vorträge zu Erziehungsfragen für „Frauen und Jungfrauen“. Ihre Referate erschienen erstmals 1851 in einem Buch mit dem Titel „Hauserziehung und Kindergarten. Vorträge für Frauen und Jungfrauen, welche für die Familie oder den Kindergarten sich zu Erzieherinnen bilden wollen“.

Immer mehr gerieten in der Reaktionszeit ihr Kindergarten sowie ihre pädagogischen Vorträge unter massive Beobachtung und Repressionen. Man warf ihr vor, dass ihr Kindergarten eine „Pflanzstätte der Demokratie“ oder „der freien Gemeinde“ und „diesem Grundgedanken entsprechend, durchdrungen von einem unweiblichen politischen oder religiösen Parteigeiste“ (Herz 1851, S. V) sei.  Daraufhin verließ die Verfemte Dresden. Sie zog nach Buschbad bei Meißen. Dort baute Herz eine Heilanstalt für geistig behinderte Kinder auf, der pro forma ihr vorzeitig aus dem Zuchthaus entlassene Mann vor stand. Nach privater „heilärztlicher Ausbildung“ bei Carl Ernst Bock, Professor für „Pathologische Anatomie“ an der Universität Leipzig, legte sie 1865 das Examen ab, „das ihr die ‚beschränkte Ausübung des ärztlichen Berufes’“ (Ludwig 2000, S. 8) gestattete. Schnell verbreiteten sich ihre ärztlichen Erfolge. Sogar am sächsischen Königshof sowie in vielen anderen Adelshäusern erbat man ihre Hilfe, die ansonsten weniger bemittelten Frauen und vor allem Kindern, die unter einer Wirbelsäulenverkrümmung litten, galt.

Bedingt durch Kriegswirren und Cholera musste  1866 die Heilanstalt in Buschbad, geschlossen werden. Daraufhin übersiedelte die Familie Herz in die Residenzstadt Altenburg des Herzogtums Sachsen-Altenburg. Dort war Herz als anerkannte Fachkraft für Gymnastik und Orthopädie im herzoglichen Frauenstift tätig. Während des Krieges 1870/71 behandelte sie Kriegsversehrte. Dafür wurde ihr der Orden des „Eisernen Kreuzes“ verliehen.

Herz starb am 6. April 1880 im Alter von 55 Jahren in Altenburg.

 

Vorläufer-Idee einer „Erziehungspartnerschaft“

Verhältnismäßig wenige Jahre wirkte Herz für Friedrich Fröbel und seine Idee des Kindergartens. Doch mit ihrer in „plaudernd-pathetischer Weise“ (Heiland 1972, S. 83) verfassten Schrift „Hauserziehung und Kindergarten“, welche ein Beispiel für „die konzeptionelle Verflechtung von familienbezogenen mit schulbezogenen Aufgaben im Fröbelschen Kindergarten“ (Franke-Meyer 2010, S. 81) ist, hatte sie seinerzeit durchaus innovative Impulse gesetzt.  Herz betrachtete den Kindergarten als ein notwendiges „Vermittlungsglied zwischen Hause und Schule“ (Herz 1851, S. 200). Doch sie verschmähte jeden Elementarunterricht im Kindergarten und wies eindringlich darauf hin, „daß Haus und die Familie, nicht alle diejenigen Kräfte und Elemente besitzen, welche für die Erziehung der Kinder im Alter von 3 - 6 Jahren in Bewegung gesetzt werden müssen, wenn Letztere ohne Nachtheil in späterer Zeit der Fortbildung durch die Schule überlassen werden sollen“ (Herz 1851, S. 200). Demzufolge ist die Aufgabe des Kindergartens, auf die Familie einzuwirken, da er doch eine ersetzende, ergänzende, verbessernde sowie vervollständigende Funktion habe. Diesbezüglich führte Herz näher aus:

 „Was aber seine eigentliche erzieherische Aufgabe betrifft, so will der Kindergarten die Hauserziehung da, wo sie gut, oder doch nur nicht eben schlecht ist, ergänzen und vervollständigen; wo dieselbe, wegen eigenthümlicher Familien- oder Geschäftsverhältnisse unzulänglich, oder endlich wegen Mangel an Lust und Liebe und wegen häuslicher Zerrüttung und Unsittlichkeit geradezu schlecht ist, will er dieselbe ersetzen und beziehendlich verbessern und damit zugleich auf den sittlichen Zustand des Hauses und der Familie einwirken. Wir sagen, der Kindergarten will eine an sich nicht schlechte Hauserziehung ergänzen und vervollständigen“ (Herz 1851, S. 210).

Und konkret bezogen auf die schulbezogenen Aufgaben des Kindergartens konstatierte sie:

„Die Fähigkeiten des Geistes so zweckmäßig anzuregen und zu beschäftigen, wie es für den Eintritt des Kindes in den späteren Unterricht wünschenswerth ist, dürfte nicht allen Familienkreisen, wenigsten denen nicht gelingen, die durch ihre bürgerliche Stellung außer Stand gesetzt sind, aller der Erziehungs- und Bildungsmittel sich zu bedienen, welche der Kindergarten für seine Pflegebefohlenen benutzt“ (Herz 1851, S. 200 f).

Spiel als Erziehungs- und Bildungsmittel


Dabei besteht die schulvorbereitende Aufgabe des Kindergartens nicht in der Vermittlung von Kenntnissen im Rechnen, Schreiben und Lesen, da der Kindergarten „eine auf einer eigenthümlichen Erziehungsmethode beruhende Anstalt“ und „der Schule ausdrücklich entgegengesetzt“ (Herz 1851, S. 219) ist. Anknüpfend an die „Spieltheorie“ ihres Lehrmeisters Friedrich Fröbel, hob Herz die Bedeutung des kindlichen Spiels, als das charakteristische Erziehungs- und Bildungsmittel des Kindergartens hervor:

„Das wesentlichste und charakteristische Merkmal der Erziehungsmethode des Kindergartens ist: daß er das Spiel, - der glückliche Schatz der Kinderwelt, mit, an und in welchem das Kind alle seine Kräfte zuerst übt und entfaltet, - zugleich aber ein nützliches und wirksames Erziehungs- und Bildungsmittel in Anwendung bringt“ (Herz 1851, S. 232).

 

Literatur


  • Franke-Meyer, D.: Kleinkindererziehung und Kindergarten im historischen Prozess. Ihre Rolle im Spannungsfeld zwischen Bildungspolitik, Familie und Schule, Bad Heilbrunn 2010

  • Heiland, H.: Literatur und Trends in der Fröbelforschung, Weinheim 1972

  • Herz, A.: Über die sittliche Bildung der Kinder, deren ersten Religionsunterricht in dem Kindergarten, in: Friedrich Fröbels Wochenschrift 1850, S. 97 ff.

  • Herz, A.: Hauserziehung und Kindergarten. Vorträge für Frauen und Jungfrauen, welche für die Familie oder den Kindergarten sich zu Erzieherinnen bilden wollen, Leipzig 1851

  • Herz, A.: Friedrich Fröbel und sein Kindergarten. (Zwei Briefe an eine Mutter), in: Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt 1853/H. 6, S. 57 ff. u. H. 8, 80 ff.

  • Herz, A.: Aus der Kinderstube, in: Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt 1855/H. 37, S. 490 ff.

  • Herz., A.: Winke für Eltern über die Geistesschwäche kleiner Kinder. Erkennung und Behandlung der ersten Spuren der Geistesschwäche, in: Die Gartenlaube. Illustrirtes Familienblatt 1859/H. 14, S. 206 ff.

  • Ludwig, J.: Auguste Herz (1824-1880). Fröbelpädagogin, erste ärztlich tätige Frau Sachsens und Mutter von 9 Kindern, in: Louise-Otto-Peters Gesellschaft e. V. (Hrsg.): Leipziger Lerchen. Frauen erinnern, 2. Folge Leipzig 2000, S. 8 ff.

 

 



Verwandte Themen und Schlagworte