Gewalt in der Familie

Familien sind insbesondere durch emotionale Beziehungen der Mitglieder untereinander gekennzeichnet. Ergebnisse zur Häufigkeit von Gewalt in der Familie widersprechen dem Verständnis von und den normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Erwartungen an Familien. Nähe kann zu einem erhöhten Risiko des Auftretens von Gewalt führen.

Gerade durch die besonderen Bedingungen des Zusammenlebens in Familien ergeben sich spezifische Erklärungsmodelle für Gewalt in der Familie auf Mikro-, Meso- und Makroebene. Einigkeit herrscht mittlerweile darüber, dass Gewalt in der Familie nicht monokausal erklärt werden kann, vielmehr wirken verschiedene Risiko- und Schutzfaktoren. Individualisierende, psychopathologische Ansätze haben an Bedeutung verloren, soziostrukturelle Ansätze dagegen beziehen den Kontext der Familie und der einzelnen Mitglieder mit ein und haben daher eine höhere Erklärungskraft. Stresstheorien sehen Gewalt in der Familie als Folge von Belastungen (jugendliche Eltern, Alleinerziehende, Arbeitslosigkeit etc.).

 Ressourcen- und austauschtheoretische Ansätze interpretieren Gewalt in der Familie als Mittel zur Aufrechterhaltung von Ordnung in der Familie. Nur wenn nicht auf andere Ressourcen zurückgegriffen werden kann, wird Gewalt angewendet.

Systemtheoretische Ansätze sehen Gewalt in der Familie als ein Produkt des Systems Familie, das in vielfältige Beziehungen mit seiner Umwelt eingebunden ist und über Rückkoppelungsprozesse beeinflusst wird.

Das wissenschaftliche und gesellschaftliche Problembewusstsein bezüglich Gewalt in der Familie ist in Deutschland erst Ende des 20. Jahrhunderts erwacht. Daten über das Ausmaß kann man aus Hellfeld- (z.B. polizeiliche Kriminalstatistik) und Dunkelfeldstudien (z.B. Befragungen) gewinnen.

Da die Privatheit der Familie zu geringerer sozialer Kontrolle und Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Gewalt in der Familie führt, sind Hellfeldstudien wenig aussagekräftig. Auch in Dunkelfeldstudien ist die Validität der Ergebnisse teilweise problematisch.

Gewalt in der Familie kann sowohl Partner-Gewalt, Eltern-Kind-Gewalt, Geschwister-Gewalt und Kind-Eltern-Gewalt umfassen. Im Gegensatz zur Eltern-Kind-Gewalt handelt es sich bei den anderen Gewaltbeziehungen meist um wechselseitige Gewalt. Geschwister-Gewalt ist die häufigste Gewaltart innerhalb der Familie, gefolgt von Eltern-Kind-Gewalt, die aber mit zunehmendem Alter der Kinder abnimmt, und Partner-Gewalt (unabhängig vom Geschlecht des Täters). Untersuchungen gibt es vorwiegend zu Gewalt gegen Frauen und Kinder.

Neben direkten Gewalterfahrungen sind Kinder indirekter Gewalt ausgesetzt, wenn sie elterliche Partner-Gewalt beobachten. Von Gewalt gegen Kinder am häufigsten betroffen sind Kinder bis etwa 6 Jahre. Auch wenn die soziale Vererbung von Gewalt kein deterministischer Automatismus ist, steigt im Sinne eines intergenerationellen Kreislaufs der Gewalt die Wahrscheinlichkeit sowohl in der Gründungsfamilie als auch im außerhäuslichen Bereich Gewalt anzuwenden und Opfer zu werden, wenn in der Herkunftsfamilie Gewalterfahrungen gemacht wurden.

Die gesellschaftliche Reaktion auf Gewalt in der Familie besteht zumeist in Intervention, nicht in Prävention. Allgemein können Präventionsstrategien auf den Dimensionen des gesellschaftlichen Bewusstseins, der normativen Struktur der Gesellschaft und der psychosozialen Unterstützung und Betreuung angesiedelt sein.

Gewalt in der Familie ist kein neues Phänomen. Lange wurde Gewalt von Männern gegenüber ihren Frauen oder von Eltern gegenüber ihren Kindern als legitim angesehen. Erst seit Kurzem  greift der Staat mit gesetzlichen Regelungen in den Schonraum Familie ein (Recht auf sexuelle Selbstbestimmung in der Ehe, §177 Strafgesetzbuch; Recht auf gewaltfreie Erziehung, §1631 Bürgerliches Gesetzbuch; Gewaltschutzgesetz).

 

Literatur

  • Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Generationen (Hg.) (2001): Gewalt in der Familie. Wien.  
  • Lamnek, S./Luedtke, J./Ottermann, R. (2006): Tatort Familie. Wiesbaden.

 

Copyright-Hinweis:
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)

 



Verwandte Themen und Schlagworte