Erzieherin

Der Begriff Erzieherin bezeichnet seit 1967 einen staatlich anerkannten Berufsabschluss, der berechtigt, in allen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern zu arbeiten. Historisch basiert dieser Abschluss auf der Kindergärtnerinnen-/ Hortnerinnen-Ausbildung einerseits und dem Abschluss der Heimerzieherin andererseits.
Im Kontext der Kleinkindererziehung lässt sich das Berufsbild bereits im frühen 19. Jahrhundert bei Friedrich Oberlin und Christian Heinrich Wolke aufzeigen und beschreibt jenseits von Mütterlichkeit die Beherrschung von Reflexions-, Lehr- und Erziehungsmethoden. Friedrich Fröbel sah in der Erzieherin gleichzeitig ein Vorbild für die Kinder und die Mütter, und auch bei Julius Fölsing ist der Versuch einer Verberuflichung erkennbar. Verknüpft mit der Forderung der Diakonissen, mit Erziehung ein Berufsfeld für Frauen zu schaffen, lassen sich drei Motive aufzeigen, die die gesamte Berufsgeschichte begleiten: Müttererziehung, Schaffung eines Frauenberufes als Emanzipationsversuch sowie Kleinkindererziehung mit unterschiedlichen Funktionen, Zielsetzungen und Umsetzungen.
Mit der Orientierung hin zu benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie im caritativen Kontext oder im Volkskindergarten stieg die Bedeutung der Integration der Arbeiterkinder in das gesellschaftliche System. Damit bekam der Kindergarten und mit ihr die Erzieherin eine systemstabilisierende, ordnungspolitische Funktion. Somit lässt sich auch hier das für die Sozialpädagogik virulente doppelte Mandat von Hilfe und Kontrolle bis heute hin feststellen.
Strukturell verbindlich wurde dies im Rahmen der Reichsschulkonferenz von 1920 beschlossen, bei der der Kindergarten dem Wohlfahrtssystem und nicht dem Bildungssystem zugeordnet wurde. Damit war auch eine deutliche Trennung des Berufsbildes der Kindergärtnerin und späteren Erzieherin von der der Lehrerin vollzogen, die bis heute anhält. In der Zeit des Nationalsozialismus fand eine besondere Betonung der Mütterlichkeit statt. Gleichzeitig wurde 1942 die Ausbildung in Fachschulen integriert und damit eine stärkere Orientierung an schulischen Lehrmethoden vorgenommen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde in der Bundesrepublik Deutschland die bereits für die Weimarer Zeit konstatierte Trennung der Ausbildung fortgesetzt. In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) blieben die Begriffe Kindergärtnerin und Hortnerin erhalten. Der Begriff des Erziehers – die weibliche Form war in der DDR nicht üblich – begrenzte sich auf die stark defizitorientierte Jugendhilfe, z.B. Heimerziehung.
Mit der Rahmenvereinbarung der KultusministerkonferenzKultusministerkonferenz|||||Die KMK  ist die ständige Konferenz der Länder in der BRD, wurde 1948 gegründet und ging aus der "Konferenz der deutschen Erziehungsminister" hervor. Sie basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss der zuständigen Minister/Senatoren der Länder für Bildung, Erziehung und Forschung. Da nach dem Grundgesetzt und sog." Kulturhoheit der Länder" die Zuständigkeiten für das Bildungswesen bei den einzelnen Ländern liegt, behandelt die KMK Angelegenheiten von  überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer "gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, sowie der Vertretung gemeinsamer Anliegen".  von 1967 ist in der Bundesrepublik dann mit dem Abschluss der Staatlich anerkannten Erzieherin eine Breitbandausbildung geschaffen worden, in der formal betrachtet für alle sozialpädagogischen Arbeitsfelder qualifiziert wird. Tatsächlich bleibt aber auch nach 1967 die vorschulische Erziehung der Schwerpunkt, gefolgt von der Kinder- und Jugendarbeit und der Heimerziehung. Berufssystematisch bleibt die Erzieherinnenausbildung eine Zweitausbildung und setzt somit formal einen abgeschlossenen Erstberuf voraus. Hinsichtlich der Zulassung sind aber als Ersatz hierfür zahlreiche Ausnahmeregelungen in Kraft, die jenseits berufssystematischer Zuordnung die Erzieherinnenausbildung real zu einer Erstausbildung machen. Ausbildungsort sind Fachschulen, in Bayern Fachakademien für Sozialpädagogik. In der Regel dauert die Ausbildung drei Jahre. Typisch für den Beruf ist die Heterogenität der Lehrkräfte an den Ausbildungsstätten. So unterrichten einerseits Diplom-Sozialpädagogen, vor allem in den eher auf die Praxis hin orientierten Fächern wie z.B. Didaktik / Methodik, aber ebenso auch an Universitäten ausgebildetes Personal aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen (z.B. Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie). Zunehmend werden allerdings ausgebildete Lehrkräfte der Beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik (Lehramt der Sekundarstufe II) eingesetzt, die einerseits die sozialpädagogischen Anteile lehren und andererseits über ein zweites Lehramtsfach verfügen (z.B. Deutsch, Kunst Religion, Sport). Diese Lehrkräfte werden zurzeit an sechs universitären Standorten in der Bundesrepublik, nämlich Bamberg, Bremen, Dortmund, Dresden, Lüneburg und Tübingen ausgebildet.
National wie international steht die deutsche Erzieherinnenausbildung immer wieder im Mittelpunkt bildungspolitischer Kritik: Einerseits wird ihr vorgeworfen, im Rahmen einer Universalausbildung nicht genügend auf die spezifischen Erfordernisse der einzelnen Arbeitsfelder vorzubereiten. Andererseits wird sie auch im internationalen Kontext aufgrund ihrer strukturellen Einordnung auf Fachschulniveau immer wieder kritisiert und eine Ausbildung auf akademischen Niveau eingefordert.
Politik und Fachpolitik selbst reagierten bislang darauf vor allem mit Reformversuchen der Ausbildung im gegenwärtigen Status quo des Fachschulniveaus.
Zuletzt wurde durch die Kultusministerkonferenz eine Revision vorgenommen, weg von einer Fächerorientierung hin zu einer stärker auf die Arbeitsfelder hin orientierten Lernfelddidaktik, die folgende Lernbereiche umfasst: Kommunikation und Gesellschaft, sozialpädagogische Theorie und Praxis; musisch-kreative Gestaltung; Ökologie und Gesundheit; Organisation, Recht und Verwaltung; Religion und Ethik. Zudem wurde eine stärkere Verzahnung der Schulen mit den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vereinbart. Die Konkretisierungen sind entsprechend der föderalistischen Strukturen in den einzelnen Bundesländern vorzunehmen.
Jenseits dieser fachschulinternen Reformierungsversuche gibt es seit 2004 auch die ersten akademischen Ausbildungsgänge an Fachhochschulen, die ein Studium anbieten, das für den Bereich, den jetzt die Erzieherinnen abdecken, qualifizieren soll. Innerhalb von fünf Jahren stieg die Anzahl dieser Studiengänge auf etwa 70 an. Dabei lassen sich im Rahmen dieses Akademisierungsversuches gleichzeitig Spezialisierungstendenzen festhalten. So zeigt sich in den meisten Studiengängen eher das Berufsbild einer Bildungsfachkraft im frühpädagogischen Bereich, wodurch ein Kontrastbild zur Breitbandqualifikation der Erzieherin geschaffen ist. Folglich konzentrieren sich die meisten Studiengänge auch eher auf das Arbeitsfeld der Tageseinrichtungen für Kinder, aber auch auf die erzieherische Betreuung von Kindern im Rahmen von Ganztagsschulen. Insofern zeichnet sich für diese Gruppe auch eher ein Berufsbild in Richtung Kindheitspädagogin ab.
Es bleibt abzuwarten, ob und in welcher Weise diese Studiengänge die alte Erzieherinnenausbildung verdrängen. Die Möglichkeit eines Paradigmenwechsels ist jedenfalls so realistisch wie nie zuvor. Dies gilt umso mehr, als der Geburtenrückgang bei gleichzeitigem längerem Verbleib der im Beruf stehenden Erzieherinnen den Bedarf an neu auszubildenden Kräften perspektivisch senkt, und somit auch die Hochschulen in der Lage wären, mittelfristig diese Kapazitäten abzusichern. Inwieweit die Ausbildung der Erzieherin für die Kinder- und Jugendarbeit und für die Heimerziehung davon betroffen sein wird, ist derzeit unklar. Diese Arbeitsfelder zeigen bereits jetzt einen höheren Akademisierungsgrad und werden vielfach mit Absolventen und Absolventinnen des Studiums der Sozialen Arbeit bedient. Es könnte daher sein, dass es historisch gesehen ein Zurück zur Spezialisierung, allerdings auf akademischen Niveau, geben könnte. Dies entspräche dann internationalen Standards. Der Beruf der Erzieherin wäre dann nur noch eine knapp 40jährige Übergangsphase in der langen Geschichte erziehender Berufe.

 


Literatur

  • Beher, K. / Hoffmann, H. / Rauschenbach, Th. (1999): Das Berufsbild der Erzieherinnen. Neuwied, Kriftel, Berlin.
  • Frey, A. (1999): Von der Laienhelferin zur Erzieherin. Landau.
  • Fthenakis, W. / Oberhuemer, P. (Hg.) (2002): Ausbildungsqualität. Neuwied, Kriftel, Berlin.
  • Netz, T. (1998): Erzieherinnen auf dem Weg zur Professionalität. Frankfurt.
  • Rauschenbach, T./ Beher, K. / Knauer, D. (1995): Die Erzieherin. Weinheim, München.

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)