Bildungspläne

Bildungspläne werden hier als Sammelbegriff für normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.e Setzungen zur fachlichen Bestimmung der Kindertagesbetreuung in Deutschland verstanden. Sie stellen eine neue Entwicklung dar, die den rechtlich-politischen Strukturen der Kindertagesbetreuung im Grunde fremd ist. Die im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 kodifizierte Zuordnung des Kindergartens zum Wohlfahrtswesen machte ihn in erster Linie zu einer Einrichtung für die bedürftigen, in der Familie nicht hinreichend erzogenen, gebildeten und betreuten Kinder. Dem Staat wurde damit, anders als im Schulwesen, kein eigenständiges Gestaltungsrecht zugebilligt.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde zwar immer wieder der Bildungsauftrag des Kindergartens reklamiert (Bildungsreform 1970) und durch das Gesetz zur Neuordnung der Kinder- und Jugendhilfe (KJHGKJHG||||| Das Kinder- und Jugendhilfegesetz umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen, die die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland betreffen. Das SGBVIII (Achte Buch Sozialgesetzbuch) ist der Artikel 1 des KJHG. Es umfasst ein Angebote- und Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, welches der früheren Kontroll- und Eingriffsorientierung entgegensteht. Daher steht das Inkrafttreten  (Januar 1991) auch für einen Paradigmenwechsel in der Kinder-und Jugendhilfe. ) 1992 auch gesetzlich bestimmt; in der Praxis aber stand die Betreuung und der Ausgleich familiärer Defizite jeder Art im Vordergrund. Ganz anders in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), die Kindergarten und Hort dem Bildungssystem zuordnete und inhaltlich und organisatorisch durch Bildungs- und Erziehungspläne normierte.
Eine umfassende Diskussion über die Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungswesens Ende des 20. Jahrhunderts richtete zwangsläufig ihr Augenmerk auch auf die Grundlegung schulischer und universitärer Bildungsanstrengungen und befasste sich umfassender und ernsthafter mit Fragen der frühen Bildung.
Die zuvor noch streng gehütete Hoheit der Träger in der Gestaltung der Arbeit, die Zurückhaltung der örtlichen (Landkreise, kreisfreie Städte) und überörtlichen Träger (Länder) der Jugendhilfe in inhaltlichen Steuerungsfragen, wurde in relativ kurzer Zeit durch eine dynamische öffentliche und fachöffentliche Diskussion verdrängt, die einen breiten Konsens darüber herstellte, dass ein so wichtiger Bereich für die Entwicklung individueller Bildungschancen wie für die gesellschaftliche Zukunft insgesamt, nicht der Beliebigkeit überlassen bleiben dürfe.
Innerhalb von wenigen Jahren wurden in allen Bundesländern Bildungspläne entwickelt. Im Jahr 2003 wurden die Pläne von Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen vorgelegt, und schon 2006 hatte mit Baden-Württemberg auch das letzte Bundesland einen Bildungsplan. Die Jugendministerkonferenz und wenig später die KultusministerkonferenzKultusministerkonferenz|||||Die KMK  ist die ständige Konferenz der Länder in der BRD, wurde 1948 gegründet und ging aus der "Konferenz der deutschen Erziehungsminister" hervor. Sie basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss der zuständigen Minister/Senatoren der Länder für Bildung, Erziehung und Forschung. Da nach dem Grundgesetzt und sog." Kulturhoheit der Länder" die Zuständigkeiten für das Bildungswesen bei den einzelnen Ländern liegt, behandelt die KMK Angelegenheiten von  überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer "gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, sowie der Vertretung gemeinsamer Anliegen".  verabschiedeten im Frühsommer 2004 in gleichlautenden Beschlüssen einen „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“ um die Verständigung der Länder über die Grundsätze der Bildungsarbeit zu dokumentieren. Tatsächlich war die orientierende Wirkung dieses gemeinsamen Rahmens ebenso gering wie die Abstimmung der Länder über die Perspektiven der Weiterarbeit und Weiterentwicklung.
Ein zusammenfassender Blick auf die Bildungspläne lässt auf der einen Seite eine deutliche fachliche Übereinstimmung über den Bildungsauftrag der Kindertagesbetreuung in den Ländern Deutschland deutlich werden. Allen Bildungsplänen gemeinsam ist die Kritik an einer traditionellen Befähigungspädagogik, und sie stellen die Unterstützung kindlichen Lerninteresses in den Mittelpunkt; sie verzichten weitestgehend auf die Beschreibung von Kompetenzen, die die Kinder zu erreichen haben, sondern fokussieren auf die Leistungen und Angebote des Kindergartens. Auf der anderen Seite gibt es erhebliche Differenzen in Art, Ausmaß und Umfang der Steuerung, die durch die Bildungspläne beabsichtigt ist. Der Regelungscharakter wird bereits in den Namen der Pläne deutlich, die von Vereinbarungen über Empfehlungen bis zu Orientierungs- und Rahmenplänen reichen; entsprechend unterschiedlich sind Art und Ausmaß der Normierungsabsicht. Wo einige Länder den Plan durch Gesetz zur verbindlichen Arbeitsgrundlage erklären, verbinden andere die Berücksichtigung des Bildungsplans mit der Finanzierung der Einrichtungen. Überwiegend wird allerdings noch eine nur faktisch normierende Wirkung von einer Vereinbarung mit den Trägerverbänden erwartet.
Die Regelungsdichte findet ihren Ausdruck in den Umfängen, die von wenigen Seiten (Nordrhein-Westfalen) bis knapp 500 Buchseiten (Bayern) reichen. Entsprechend abstrakt oder konkret sind die Vorgaben. Während einige Länder bei konzeptuellen und methodischen Fragen sehr zurückhaltend sind, stellen andere Bildungspläne tatsächlich eher umfassende pädagogische Konzepte dar. Es ist offensichtlich, dass dieses für den Kindergarten wie für die gesamte Kinder- und Jugendhilfe neue Steuerungsinstrument, noch in seinen beabsichtigten wie unbeabsichtigten Wirkungen begriffen und weiterentwickelt werden muss. Die Erfahrungen des Schulwesens mit curricularer Steuerung können dabei nutzbar sein, wie aber auch die unterschiedlichen Traditionen und Arbeitsweisen beider Bereiche eine einfache Übertragung verbieten.

 

 


Literatur

  • Diskowski, D. (2008): Bildungspläne für Kindertagesstätten – ein neues und noch unbegriffenes Steuerungsinstrument. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Beiheft 11, 47-62.

 

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)




Zum Weiterlesen:

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Bildungspläne: Intention - Inhalte - Umsetzung

Exemplarische Realisierung von Bildungsplänen am Beispiel MINT