Präventionsprogramme in der Frühpädagogik


Da den ersten Lebensjahren eine wegweisende Bedeutung in der Persönlichkeitsentwicklung zukommt, kann diese Lebensphase für Kinder mit hohen Entwicklungsrisiken behaftet sein, wenn sie in Umgebungen aufwachsen, die den Erwerb von Kompetenzen und Ressourcen erschweren oder sogar verhindern. Derartige Lebensbedingungen stellen nicht nur ein hohes Risiko für die Entstehung von Beeinträchtigungen des Erlebens und Verhaltens dar, sie erhöhen auch das Risiko für kompetenzdefizite im Bereich der Kulturtechniken und der Sprache. Daher geraten präventive pädagogische Angebote zunehmend ins Zentrum der Frühpädagogik.
Ziel dieser Maßnahmen ist der frühzeitige Aufbau von Kompetenzen und/oder die Kompensation von Risikofaktoren, sowohl bei den Kindern selbst, als auch in ihren Familien. Idealerweise sollten auf diese Weise negative Entwicklungsverläufe verhindert werden können.
Üblicherweise unterscheidet man drei Ebenen der Prävention: die primäre, die sekundäre und die tertiäre Prävention. Primäre Präventionsangebote versuchen, das Auftreten von Entwicklungsrisiken und Entwicklungsproblemen frühzeitig zu verhindern, während man von sekundärer Prävention spricht, wenn versucht wird, die Wirkung von bereits bestehenden Risikofaktoren zu kompensieren bzw. zu verhindern, dass subkritische Problemlagen zur Entstehung von kindlichen Defiziten führen können. Tertiäre Präventionsprogramme dienen schließlich der Nachversorgung, d.h., sie sollen die Wahrscheinlichkeit für das Wiederauftreten von Problemlagen vermindern, nachdem bereits eine problembezogene Intervention stattgefunden hat. Diese Einteilung ist jedoch nicht unproblematisch, da etwa die Abgrenzung zwischen primärer und sekundärer Prävention in der Praxis ebenso schwierig ist wie die Unterscheidung von Interventionen und sekundären bzw. tertiären Präventionen. Neuere Typologien unterscheiden universalistische Präventionen (die ein breites Spektrum von Kompetenzen fördern und/oder für die Gesamtpopulation gedacht sind) von zielgruppen- oder störungsspezifischen Präventionsansätzen.
Präventionsprogramme für die Bearbeitung psychosozialer Risiken sind in der Frühpädagogik verhältnismäßig neu. Während in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits in 1960er Jahren mit dem sog. Head-Start-Programm eine universelle Frühförderstrategie mit dem Ziel der intellektuellen Förderung von in Armut lebenden Kindern implementiert wurde, sind vergleichbare Ansätze in der deutschen Frühpädagogik erst in jüngerer Zeit entstanden.
Frühpräventionsprogramme zur Bearbeitung psychosozialer Risiken versuchen ein breites Spektrum von personalen und sozialen Ressourcen aufzubauen und zu stärken. Auf der Seite des Kindes sind dies beispielsweise Problemlösefähigkeiten, Selbstvertrauen, Selbstregulation, emotionale Kompetenzen und EmpathiefähigkeitEmpathiefähigkeit|||||Der Begriff bezeichnet die Fähigkeit empathisch auf andere Menschen oder Tiere einzugehen. Dazu gehört es Gedanken, Emotionen, Absichten und Persönlichkeitsmerkmale zu erkennen oder zu verstehen. Auch eigene Reaktionen auf Gefühle, wie Mitleid, Trauer und Schmerz gehören dazu.

. Aber auch der Aufbau von sprachlichen Kompetenzen und Literalität gewinnt in der Frühpädagogik mehr und mehr an Bedeutung, da diese Kompetenzen ein wichtiges kulturelles Kapital darstellen, dessen Erwerb bei einem relativ hohen Prozentsatz von Kindern gefährdet ist. Vermutlich sind multimodale Präventionsprogramme, die auch die Eltern einbeziehen, erfolgreicher als rein kindzentrierte Ansätze. Solche Programme zie-en auf die Verbesserung des elterlichen Erziehungsverhaltens, um es den Eltern zu ermöglichen, ihren Kindern eine sichere Bindung und eine entwicklungsanregende Erziehung bieten zu können.

Literatur

  • Caplan, G. (1964): Principles of preventive psychiatry. New York.
  • Opp, G./Fingerle, M. (Hg.) (2007): Was Kinder stärkt. München.

 

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)