Kindergartenkonzeption


Kindergartenkonzeptionen als Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen, Ziele, Inhalte und Methoden der Arbeit des Kindergartens sind von gesellschaftlichen und bildungspolitischen Einflüssen abhängig. Von Anfang an gab es sowohl Überlegungen für Einrichtungen von Kindern und Familien in besonderen Notlagen, damit die Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen konnten, als auch umfassende Konzeptionen für Kinder aller Schichten. Robert Owen, Samuel Wilderspin, Johann Friedrich Oberlin, Georg Wirth, Friedrich Fliedner und Julius Fölsing waren es vor allem, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit ihren didaktisch-methodischen Konzeptionen die theoretischen Grundlagen für die Bewahranstalten und Kleinkinderschulen im 19. Jahrhundert schufen.
Friedrich Fröbels Konzeption ist Teil seiner anthropologisch-metaphysisch begründeten Familien- und Menschenerziehung. Ihm ging es um eine kategoriale Bildung nicht durch Unterricht, sondern durch Bewegungsspiele und eine Spielpflege, die bei der Bildungsfähigkeit und Selbsttätigkeit des Kindes ansetzt. Maria Montessoris psychologisch-naturwissenschaftlich und metaphysisch begründete Pädagogik ging von einem sog. inneren Bauplan, sensiblen Perioden in der Entwicklung und dem Willen des Kindes zur Selbsttätigkeit aus. Durch ein System von Sinnesmaterialien sollte in Verbindung mit Übungen des täglichen Lebens in einer vorbereiteten Umgebung durch die Polarisation der Aufmerksamkeit eine normale, seiner Natur entsprechende Entwicklung erfolgen.
Die Konzeption der 1927 gegründeten Waldorf-Kindergärten basiert auf Rudolf Steiners Anthroosophie, einer alle Lebensgebiete umfassenden theosophisch begründeten Geisteswissenschaft. Die Entwicklung des Menschen ist für R. Steiner ein sich im Sieben-Jahres-Rhythmus vollziehender Stufungs-prozess. Wera Schmidts und Siegfried Bernfelds Versuche, psychoanalytische und sozialistische Theorien mit dem Ziel einer repressionsfreien Kindergartenerziehung zu verbinden, konnten sich in den 1920er Jahren eben so wenig durchsetzen wie Nelly Wolffheims Bemühungen, nach psychoanalytischen Grundsätzen Kindergärten umzugestalten. Diese Ansätze wurden erst in den 1960er und 1970er Jahren wieder aktuell.
Die Kindergartenpädagogik im Nationalsozialismus war geprägt von Irrationalismus, Anti-Intellektualismus und einer universalen, rassistischen Biologie. Eine in sich konsistente Konzeption wurde aber nicht ausgearbeitet.
Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Kindergärten in den westlichen Besatzungszonen vor allem sozialfürsorgerische Aufgaben. Die Fragen nach den konzeptionellen Grundlagen standen zunächst im Hintergrund. Ganz im Gegenteil zur Sowjetisch Besetzten Zone und der späteren Deutschen Demokratischen Republik, in der bereits direkt nach Kriegsschluss konzeptionelle Grundlagen für eine Kindergartenpädagogik geschaffen wurden. Diese gingen in ihrer theoretischen Grundlegung in Anknüpfung an Friedrich Fröbel, Karl Marx und Konzepte der sowjetischen Pädagogik von der Eigentätigkeit des Kindes aus.
Die sog. allseitige Erziehung und die Bildung der sozialistischen Persönlichkeit fanden unter Führung der Erzieherin durch eine lehrplangebundene, alters-differenzierte Vermittlung im Kollektiv statt. Die dem Kind in der Theorie zugesprochene Selbsttätigkeit wurde durch Planung, Kontrolle und Schematisierung der Arbeit immer mehr zurückgedrängt. In der Bundesrepublik Deutschland lösten u.a. wirtschaftliche Faktoren, neuere lerntheoretische Erkenntnisse und die Einsicht in die Abhängigkeit der Kindheit von sozioökonomischen Faktoren zahlreiche Modellversuche und Projekte aus, die nach unterschiedlichen konzeptionellen Richtungen unterschieden werden können: 1. Funktionsorientierte Ansätze als Versuch, einzelne Bereiche der kindlichen Entwicklung durch Trainingsprogramme zu fördern und durch eine kompensatorische Erziehung eine Startgerechtigkeit bei Schuleintritt herzustellen. 2. Wissenschafts- oder disziplinorientierte Ansätze, in deren Mittelpunkt Lernbereiche bzw. Fächer standen. 3. Unterschiedlich begründete situationsorientierte Ansätze, die im Rückgriff auf die Lebenssituation der Kinder zum Ziel haben, diese zu einem autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.en, kompetenten und solidarischen Handeln in für sie wichtigen Lebenssituationen zu befähigen.
Die Erschließung der Situationen und ihre didaktische Umsetzung soll im DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  der Beteiligten erfolgen. Als Alternative zu den traditionellen Kindergartenkonzeptionen entstanden innerhalb der Studentenbewegung unterschiedlich begründete KinderlädenKinderläden||||| Die Kinderladenbewegung entstand in den 1986 in Frankfurt mit ersten selbstverwalteten Kindergärten, oftmals Elterninitiativen, in denen Kinder verschiedenster Alter  betreuut wurden. Es wurde die Maxime eines antiautoritären Erziehungsstil vertreten, um neue Erfahrungen für Kinder zu ermöglichen, sowie die Ansicht, dass Regeln von "Autoritäten" nicht blind verinnerlicht werden dürften. Dies führte und führt noch heute zu Diskussionen und fälschlichen Verwechslungen mit dem Laissez-Faire Erziehungsstil.   mit dem Ziel einer repressionsfreien, selbstverwalteten Kindererziehung. Ihre Programme resultierten aus einer Mischung psychoanalytischer Ansätze, marxistischer Thesen und kritischer Gesellschaftsanalysen bei Betonung der Selbstregulierung der Bedürfnisse des Kindes. Teile ihrer Konzeptionen sind von Elterninitiativen übernommen worden. Ende der 1970er Jahre kamen die Bemühungen um eine konzeptionelle Weiterentwicklung zum Stillstand. In der Folgezeit wurden Einzelaspekte wie die interkulturelle Erziehung, Umwelterziehung, integrative Pädagogik und die Übernahme von einzelnen Elementen der Reggio-PädagogikReggio-Pädagogik|||||Die Reggio-Pädagogik ist ein reformpädagogisches  Gesamtkonzept von Ideen und Praxisstrukturen, die seit den 1960 er Jahren in der Norditalienischen Stadt Reggionell`Emilia in Krippen und Kindergärten entwickelt wurde. Dem Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild und eine demokratische Gesellschaftsvorstellung inne. diskutiert, erprobt und z.T. in die bisherigen Konzeptionen integriert. Dies hatte eine große Heterogenität und PluralitätPluralität|||||Pluralität bezeichnet die Koexistenz von Vielfalt. In der heutigen Gesellschaft bedeutet das, dass es häufig  vielfältige, individuelle  Interessen und Lebensstile, Bildungswege, Familienkonstellationen etc. in der Gesellschaft geben kann. der Konzeptionen zur Folge, bei denen es wissenschaftlich begründet um ein System der Planung und Vermittlung bestimmter Qualifikationen geht.
In der Gegenwart entwickeln immer mehr Einrichtungen im Rahmen interner und externer Evaluationen zur Qualitätsentwicklung – unterstützt von unterschiedlichen Management-Service-Diensten und -Instituten – ihre je eigene Konzeption. Dabei ist jedoch zu hinterfragen, welche Konzeptionen den jeweiligen Indikatoren zur Qualitätserfassung zugrunde liegen. Gleichzeitig bieten die unterschiedlichen Bildungspläne der Länder unterschiedliche konzeptionelle Rahmen, bei denen allerdings weitgehend ungeklärt ist, inwieweit sie eher der Handlungsorientierung oder eher der Steuerung dienen.
Die Entwicklung im Hinblick auf eine Konzeptualisierung von Qualität der Kindergärten spiegelt einen Perspektivenwechsel, der die Bildung des Kindes, die individuelle Förderung einzelner Bereiche und die Vorbereitung auf die Schule wieder verstärkt in den Mittelpunkt rückt.


Literatur

  • Erning, G./Neumann, K./Reyer, J (Hg.) (1987): Geschich-te des Kindergartens. Bd. II. Freiburg. Höltershinken, D./Hoffmann, H./Prüfer, G. (1997): Kindergärten und Kindergärtnerinnen in der DDR. Berlin.
  • Konrad, F. M. (2004): Der Kindergarten. Freiburg.
  • Laewen, H. J./Neu-mann, K./Zimmer, J. (Hg.) (1997): Der Situationsansatz – Vergangenheit und Zukunft. Seelze-Velber.


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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)





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Mut zur Veränderung