Sauberkeitserziehung bei Kindern unter drei

Im Beitrag „Physiologische und psychologische Aspekte der Sauberkeitsentwicklung“ aus der Reihe KiTa Fachtexte widmet sich Gabriele Haug-Schnabel den biologischen Voraussetzungen sowie den psychologischen Unterstützungsmaßnahmen, aber auch Hindernissen für das Trockenwerden. Die Privatdozentin für Verhaltensbiologie und Entwicklungsforschung zeigt, wie das Trockenwerden durch individuelles Eingehen einerseits und durch feste Strukturen / Rituale andererseits am besten unterstützt werden kann.



Der Weg von der Windel zum eigenständigen Toilettengang

Haug-Schnabel führt zunächst eine Reihe von neuropysiologischen Faktoren aus, die den zwei- bis vierjährigen individuellen Entwicklungsprozess eines Kindes von der Schließmuskel-Kontrolle bis zur vollständigen Sauberkeit (selbständiges Hinauszögern, Toilettengang im Voraus) bestimmen. So ist das kindliche Nervensystem erst zwischen dem 18. und 24. Monat so weit entwickelt, Harndrang wahrzunehmen. Zudem beeinflussen Erziehung und kulturelle Standards die Entwicklung: Durch Modell, Nachahmen und Anleitung lernen Kinder die gängigen Toilettengewohnheiten. Den Darm kontrollieren Kinder in unserem Kulturkreis zwischen dem zweiten und dritten Geburtstag, zur Blasenkontrolle benötigen sie meist etwas länger. Auf dem Weg zum Sauberwerden durchlaufen sie, wie Haug-Schnabel zeigt, eigeninitiativ folgende Schritte, die die Betreuungspersonen unterstützen können:

  • Das Kind nimmt Stuhl- oder Harnabgabe wahr und unterbricht seine Aktivität
  • Nach Stuhl- oder Harnabgabe in die Windel spricht das Kind von „Pipi gemacht“ – es sollte für die Meldung gelobt werden
  • Das Kind trippelt, tänzelt oder hält sich den Harnausgang – es sollte auf die Toilette gebracht und bestätigt werden
  • Das Kind meldet die bevorstehende Stuhl- oder Harnabgabe – gut zu öffnende Kleidung sollte den rechtzeitigen Toilettengang ermöglichen
  • Das Kind gibt selbstbewusst Stuhl oder Harn ab auf der Toilette

Rückfälle in alte Gewohnheiten sind zeitweise normal und kommen häufig unter Stress vor (Änderung Betreuungsperson, Infektionskrankheit, Geburt Geschwisterkind), die durch liebevolle Begleitung aufgefangen werden können. Entwicklungsverzögerungen können durch Zwang auftreten oder bei fehlender altersgemäßer Unterstützung.

 

Haug-Schnabel gibt schließlich Tipps, um Hindernisse und Rückschläge beim Trockenwerden zu überwinden:

  • Spieleifer-Nässen: Im vertieften Spiel vergessen oder verdrängen Kinder Harndrang, erkennbar jedoch an Trippeln oder zusammengepressten Schenkeln. Die Fachkraft kann das Kind an den Toilettengang erinnern und/oder schnell zur Toilette bringen. Um wenig Spiel(zeit) zu verpassen, kann das Kind sein Spielzeug mit auf die Toilette nehmen oder die Mitspieler können für einen Moment per Zauberspruch „erstarren“.
  • ErzieherIn-Kind-Betreuung am Wickeltisch: Heute ist in Kitas eine individualisierte Betreuungspraxis gängig. Das Wickeln wird als Zeit ungeteilter Aufmerksamkeit und liebevoller 1:1-Interaktion verstanden. Es lohnt sich, den Wickeltisch in Wohlfühl-Atmosphäre und mit Blick auf die Toilette – den nächsten Schritt – zu positionieren, optimalerweise mit kindgerechtem Zugang (Eigeninitiative, Selbstvertrauen).
  • Übergang Windel – Toilette: Struktur erleben die Kinder auf dem Weg zum Sauberwerden durch prophylaktische Toilettengänge nach dem Essen, vor dem Spiel, vor dem Rausgehen. Wie beim Wickeln sollte die oder der gleiche BezugserzieherIn das „Übergangskind“ auf die Toilette begleiten. Haug-Schnabel argumentiert mit der inneren Frage des Kindes nach dem Vorteil, wenn die individuelle Wickelzeit mit der oder dem BetreuerIn wegfiele. Ausgleichend wirkt zudem, einen emotional und körperlich verbindenden Ausgleich zu suchen (Körperspiele, Frisieren).
     


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