"Jetzt bin ich Fachberater!"

Unser Autor hat den Schritt gewagt: Er wurde mit 29 Jahren von der Fachkraft zum Fachberater. Ein Rollenwechsel, der es durchaus in sich hat! Was er auf seinem Weg zu einem neuen Selbstverständnis erlebte und warum er erstmal sein laut schlagendes Erzieher-Herz bändigen musste, hat er für Sie notiert.

Jetzt ist Zeit für den nächsten Schritt! Dieser Gedanke war sehr präsent bei mir – nach jahrelanger Tätigkeit als pädagogische Fachkraft, einem Studium der Kindheitspädagogik und einer angebotenen Stelle als pädagogischer Fachberater eines freien Trägers. Ich war erst Ende zwanzig und hatte die Möglichkeit, mein Wissen, meine Erfahrungen und meine Leidenschaft in die Beratungstätigkeit einfließen zu lassen. Und statt der Kinder nun die Fachkräfte aus den Kitas zu begleiten und anzuregen.

Plötzlich stand ich also da, vor der Eingangstür einer Kita, gekommen für den ersten Kennenlerntermin mit der Leiterin. Die Tür ging auf, ich blickte in ein freundliches Gesicht, das sagte: „Guten Tag. Wen möchten Sie denn abholen?“ Lachend klärte ich das Missverständnis auf, woraufhin die etwas verwunderte Leiterin mit hochgezogenen Augenbrauen sagte: „Ach! Sie sind unser Fachberater? Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt.“

Welche Herzen schlagen in meiner Brust?

Diese erste Begegnung war vor allem eines für mich: erhellend. Denn ich stellte mir mit einem Mal sehr intensiv die Frage, wie ich mir selbst meine Rolle als Fachberater vorstelle. Während ich noch wenige Wochen zuvor Projekte mit Kindern geplant, Beobachtungsbögen ausgefüllt und Elterngespräche geführt hatte, saß ich nun im Büro einer Kita-Leiterin mit über 25 Jahren Berufserfahrung und fragte sie, was ihre Erwartungen an mich als Fachberater seien. Das war der Beginn meines langen Weges zur Rollenidentität auf der Suche nach Grenzen und Überschneidungen zwischen meiner Rolle als pädagogischer Fachkraft und meiner Rolle als Fachberater.

Wie Claudia Hruska, Professorin für frühkindliche Bildung und Entwicklungspsychologie, schreibt, ist sowohl eine einheitliche und klare Definition des Rollenbildes als auch die der Kernaufgaben einer Fachberatung schwierig zu greifen. Die Begründung: Aufgrund der Vielzahl an Aufgabenfeldern und strukturellen, regionalen und gesetzlichen Gegebenheiten sind das Tätigkeitsprofil und Handlungsfeld sehr breit gefächert.

Auch der berufliche Habitus ist bei Weitem nicht explizit gefasst. Vielmehr geht es nach den Erkenntnissen eines Projekts der Förderlinie „Ausweitung der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte“ darum, dass Fachberaterinnen und Fachberater sich ständig in einem Spannungsfeld verschiedener Dilemmata befinden, die nicht aufzulösen, aber sich bewusst zu machen sind.

Was bedeutete das nun für mich?

Ich nahm mir vor, mein Selbstverständnis als Fachberater in Eigenregie zu definieren, indem ich mich auf wissenschaftlichen Grundlagen und Erfahrungswissen berufend stetig selbst reflektierte und immer wieder neu verortete. Eine der wichtigsten Erkenntnisse für mich war das Bewusstsein für die verschiedenen Systeme, in denen ich mich bewege, und der Anteile, die in mir sind. Ich habe nicht nur die Rolle des Fachberaters inne. Ich bin auch Ehemann, Vater eines Kita-Kindes, Teil der Gesellschaft, Arbeitnehmer, Kollege und eben auch ehemaliger Erzieher. In der Arbeit mit verschiedenen Akteuren auf unterschiedlichen Ebenen, von der Geschäftsführung eines Trägers bis zum Kleinkind in der Kita, ist eine innere Rollenklärung die Grundvoraussetzung für ein sicheres Agieren im professionellen Kontext. Welcher Nerv wird in mir getroffen, wenn mein Papa-Herz lauter pocht? Bei wem fühle ich mich wohl? Wann fühle ich mich unsicher oder habe Probleme, mich einzufühlen? Als Fachberater ging es für mich am Anfang besonders darum, das laut schlagende Herz der pädagogischen Fachkraft zu bändigen, um auch die anderen Herzen hören zu können.

Ich stellte mir bei der Beantwortung der Frage nach Nähe und Distanz innerlich immer das Bild einer Wippe vor – auf der einen Seite die Nähe und auf der anderen Seite die Distanz. Ein professioneller Umgang damit ist in meinem Verständnis ein ausbalanciertes Verhältnis beider. Es ist eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Fragen: Was ist mir zu nah? Wann fühlt es sich zu kühl an? Wann verlasse ich meinen professionellen Blick, die allzu oft geforderte Metaebene, und verharre stattdessen in meinem Narrativ? Wer möchte ich sein – und wer nicht.

Als Fachberater war für mich von Beginn an Beziehung der Motor für Entwicklung. Im täglichen Umgang mit Perspektivwechseln und empathischem Miteinander ist die Trennung eigener Überzeugungen und Sichtweisen von denen der anderen Person gleichermaßen wichtig, um eine unbewusste Verschmelzung unterschiedlicher Blickwinkel zu verhindern. Besonders in der Zusammenarbeit mit pädagogischen Fachkräften ist ein ähnlicher Erfahrungsschatz mit den Hochs und Tiefs des Kita-Alltags schnell ein Bindemittel und Türöffner für vertrauensvolle Beziehungen. Geht es in der Moderation von Streitgesprächen, etwa zwischen Leitung und Team, jedoch um eine Allparteilichkeit und Neutralität, kann das schnell zu einer Rollendiffusion führen, die einer gemeinsamen Lösung im Wege steht.

Darum dient Abgrenzung nach innen (Wie nah lasse ich Menschen und Themen an mich ran?) und außen (Wer möchte ich sein und wer nicht?) als Fundament des professionellen Rollenverständnisses. Und die Beantwortung dieser Fragen kann nur ich selbst vornehmen.
Als Ansprechpartner, unter anderem für Leiterinnen und Leiter von Kitas, werden unterschiedliche Erwartungen an mich gestellt. Innerhalb weniger Sätze gilt es manchmal am Telefon herauszufinden, ob es einer kurzen fachlichen Antwort bedarf oder ein prozessorientiertes Vorgehen sinnvoller wäre.

Wissen ist Macht! Aber nicht immer ist damit Fachwissen gemeint, was lediglich weitergegeben werden sollte. Das bedeutet, dass hinter einer lockeren Anfrage bezüglich der Vorbereitung eines Sorgegespräches mit Eltern entweder die Bitte nach einem Muster-Gesprächsleitfaden zur eigenständigen Vorbereitung oder der Wunsch nach Unterstützung und Stärkung der eigenen Ressourcen in einem oder mehreren Beratungsgesprächen stehen könnte.

Was es genau ist, weiß lediglich die anfragende Fachkraft. In der Weitergabe von Ratschlägen, Expertenwissen und eigenen Ideen ist ein geeigneter Tenor: So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Denn wenn die ressourcenorientierte Haltung, dass jeder Mensch kompetent ist und Expertise hat, ein elementarer Pfeiler der Beratungspraxis ist, reichen auch Impulse und Anregungen zur Aktivierung aus. Und nicht alles, was ich als hilfreich und gewinnbringend in meiner Praxis als pädagogische Fachkraft erlebt habe, ist auf andere Teams und Einrichtungen übertragbar.

Welche Spuren möchte ich hinterlassen?

Das Berufsfeld der Fachberatung für Kitas ist sehr vielseitig und man hat die Möglichkeiten zur Mitgestaltung von spannenden und nachhaltigen Veränderungsprozessen. Und trotzdem ist mein Ziel, mich entbehrlich zu machen. Um Kita-Teams zu befähigen, Eigenverantwortung zu übernehmen.

Ich bin Begleiter und Unterstützer, ohne die Fachkräfte von mir abhängig zu machen. Deswegen betone ich in allen Prozessen, Entscheidungsfindungen und Gesprächen: Es geht nicht um mich! Es geht um euch! Dieser Paradigmenwechsel fällt nicht immer leicht, wenn ich vorher als Erzieher in einer Kita selbst Verantwortung übernommen und gestaltet habe. Da ging es nicht nur um die Frage danach, was mein Team und ich zur Umsetzung eines Vorhabens brauchen, sondern auch darum, inwiefern ich direkt etwas dazu beitragen und eigenverantwortlich tätig sein kann.

Als Fachberater bestehen meine Spuren nun daraus, etwas anzustoßen und Herzen zu öffnen. Was für mich früher als Erzieher ein gelungenes Sommerfest mit tollem Feedback der Familien und Kinder war, sozusagen ein messbarer Erfolg, ist nun das beseelte Lächeln eines Teams nach einem Teamtag, nachdem es mit meiner Unterstützung eigenmächtig Entscheidungen getroffen und wieder neue Energie gewonnen hat. Spuren hinterlasse ich auch hier, aber eben nicht nur meine eigenen – dafür im besten Fall nachhaltig.

Ist man als Fachberatung nicht mit Geduld und Ruhe gesegnet, wie es bei mir der Fall ist, kommt man schnell an seine Grenzen. Als pädagogische Fachkraft konnte ich direkt handeln, wenn ich Veränderungsbedarf sah. Wenn der Gruppenraum neue Spielmaterialien brauchte, besorgte ich mit meiner Kollegin und den Kindern welches. Hatte ich Gesprächsbedarf anlässlich der Entwicklung eines Kindes, sprach ich mit den Eltern und organisierte einen Termin für ein Entwicklungsgespräch.

Jetzt bin ich Fachberater, habe aber natürlich trotzdem meine persönlich gefärbten Wahrnehmungen und meinen subjektiven Blick für Veränderungspotenziale. Nur bin ich in dieser Rolle weder weisungsbefugt noch ist es meine Intention, dass die Fachkraft meine Sicht teilen und nach meinen Maßstäben bewerten und agieren soll. Kann ich also aushalten, wenn mein Gegenüber meine Unterstützung dankend ablehnt? Oder verfalle ich in suggestive Fragen, die manipulativ und instrumentalisierend wirken können?

Die Säulen meines Selbstverständnisses

So oft sprach ich im Zusammenhang mit kindlichem Verhalten über Impulsregulation und Frustrationstoleranz. In meiner Funktion als Berater sind diese Themen nun verstärkt zu meinen eigenen geworden. Dann ist die innere Ruhe der Schlüssel für mich, um nicht den Kontakt zum Gegenüber zu verlieren. Nicht nur das individuelle Tempo kann unterschiedlich sein und ständig wechseln.

Auch Prioritäten, Glaubenssätze, Werte und Haltungen können sich diametral gegenüberstehen. Dann heißt es: In den Dialog gehen, gute Gründe erfragen und dadurch ein Verständnis entwickeln. Diese Empathie und Zugewandtheit erlaubt es mir erstens, im gemeinsamen Austausch und Entwicklungsstimmung zu bleiben, und zweitens, meinem Gegenüber die aufrichtige Botschaft zu senden: Ich sehe dich und möchte dich verstehen!

Jedes Mal, wenn ich nachdenke, was ein gelingendes Konzept meiner beruflichen Identität darstellt, komme ich auf drei Säulen meines beraterischen Selbstverständnisses:

1. Authentizität – Ich bin, wie ich bin
Ich bin neugierig, wissbegierig und offen für alles, was mir unbekannt ist. Diese Eigenschaften sind ein geeigneter Nährboden in meiner Tätigkeit. Was auch zu mir gehört, ist Ungeduld und mein Sicherheits- und Harmoniebedürfnis. Diese inneren Anteile meiner Persönlichkeit sind mal mehr, mal weniger präsent.

Diese gilt es mir, bewusst zu machen, im ersten Schritt anzunehmen und im weiteren Schritt auch transparent zu machen, wenn es die Situation erfordert. Dadurch konnte ich in den Momenten der Unsicherheit verbalisieren, dass ich gerade nicht weiter weiß, und in stagnierenden Prozessen ehrlich rückmelden, dass ich unruhig bin. Meine Erfahrung ist, dass die Gesprächspartner dankbar für dieses Feedback sind, weil es mich menschlich macht und Selbstoffenbarung immer etwas mit Vertrauen zu tun hat.

2. Professionalität – Ich weiß, was ich kann
Mein Ziel war es immer, in der Retrospektive jede Handlung, jede Entscheidung und jedes Vorgehen begründen zu können. Intuition als innerer Kompass ist hilfreich, nur darf ich mich weder allein darauf verlassen noch Intuition als Argumentationsgrundlage wählen, um mein berufliches Handeln zu begründen.

Professionelles Agieren bedeutet für mich die Anwendung und Aneignung von Wissen und Kompetenzen und gleichzeitig das Bewusstsein für eigene blinde Flecken, Unsicherheiten und offene Potenziale.
Ich darf auch mal sagen, dass ich etwas nicht weiß oder kann, belasse es aber dabei nicht und sehe jeden dieser Momente als Lernerfahrung und Entwicklungsschritt.

3. Variabilität – Ich bin wandelbar
In jedem Setting, in dem ich mich bewege, stelle ich mir die Frage: Was braucht die Situation oder der Prozess und die mir gegenüberstehende Person im Moment von mir? Eine unsichere Fachkraft, die ein Elterngespräch mit einem hochstrittigen Paar vorbereiten möchte und nach Unterstützung fragt, braucht höchstwahrscheinlich etwas anderes von mir als eine Kita-Leitung, die ein einheitliches Beobachtungs- und Dokumentationsinstrument in ihrem Haus etablieren soll. Abhängig von meinem Gegenüber, dem Thema, dem Bedarf und der Situation nehme ich unterschiedliche Färbungen der Beratung an. Im Vorfeld ist daher eine konkrete Auftrags- und Rollenklärung notwendig: Was soll wie erreicht werden und welche Rolle darf ich dabei spielen? Dann nehme ich immer wieder einen inneren Abgleich in Bezug auf unterschiedliche Erwartungshaltungen und Bedürfnisse aller Beteiligten vor, um in meiner Rolle des Prozessverantwortlichen geeignete Interventionen, Methoden und Impulse wählen zu können.

Das bewusste Reflektieren der Fragen und die Bewusstwerdung der drei Säulen geschieht als fortlaufender Dialog zum Zwecke meiner individuellen Profilentwicklung. Und mein Anspruch ist es, dass dieser innere Dialog mit mir nie abgeschlossen sein wird. ◀


LITERATUR
EHRHARDT, ANGELIKA; MAY, MICHAEL; REMSPERGER, REGINA; SCHMIDT, MICHAEL; WEIDMANN, STEFAN (2014): Abschlussbericht des AWiFFWiFF|||||WiFF ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Robert Bosch Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts e.V. Die drei Partner setzen sich dafür ein, im frühpädagogischen Weiterbildungssystem in Deutschland mehr Transparenz herzustellen, die Qualität der Angebote zu sichern und anschlussfähige Bildungswege zu fördern.-Projektes „Die Rolle von Fachberatung im System der Entwicklung von Qualität in der frühen Bildung“. Wiesbaden, Rüsselsheim: Hochschule RheinMain.
HRUSKA, CLAUDIA (2018): Die Rolle der Fachberatung im System der frühkindlichen Bildung. Verfügbar unter: http://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/ KiTaFT_Hruska_2018-RollederFachberatung.pdf.

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus
TPS 6-2023, S. 41-43
(Original-Titel: "Ich habe Sie mir ganz anders vorgestellt")


Verwandte Themen und Schlagworte