Kita-Sozialarbeit – Entlastung für die Kita

Inhaltsverzeichnis

  1. 2. Entlastung für die Kindertagesstätten
  2. 3. Aufgabengebiet der Kita-Sozialarbeit
  3. 4. Benötigte Kompetenzen und Fähigkeiten
  4. 5. Ausblick
  5. 6. Literaturverzeichnis

Gesamten Beitrag zeigen

2. Entlastung für die Kindertagesstätten


Die gestiegenen Anforderungen und Herausforderungen an pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten sind im Alltagsgeschehen kaum zu bewältigen. Der Fachkräftemangel stellt eine weitere Hürde bei der Bewältigung komplexer Unterstützungs- und Beratungsbedarfe der Eltern und Familien da. Besonders die Kindertageseinrichtungen, die in sozial benachteiligten Stadtteilen verortet sind, sehen sich mit gestiegenen Bedarfslagen für Beratung und Unterstützung sowie Angeboten für die Entwicklungsförderung von Kindern mit Entwicklungsrisiken konfrontiert (vgl. Drößler 2020, S. 1).

Was es braucht, ist eine neue Akteursebene - „die Kita-Sozialarbeit“, als Entlastung für die pädagogischen Fachkräfte und die Leitung in der Kindertagesstätte. Die Schulsozialarbeit ist bereits als ein Profil an der Schule, in der mehrheitlich mit Schülern und Schülerinnen gearbeitet wird, bekannt und etabliert. Doch was hat es mit der Kita-Sozialarbeit auf sich?
Die Schwierigkeit in der Darstellung des Konzepts von Kita-Sozialarbeit besteht darin, dass es für das neue Handlungsfeld keine einheitliche Definition und kaum Literatur gibt. Des Weiteren bestehen im bundesweiten DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  um die Kita-Sozialarbeit unterschiedliche Vorstellungen (vgl. Thielemann 2022).

Trotz dieser Schwierigkeiten wurde in diesem Fachtext der Versuch unternommen, das Konzept der Kita-Sozialarbeit sowie die Profilentwicklung bestmöglich vorzustellen. Dabei standen die Fragen, was Kita-Sozialarbeit ausmacht und was darunter verstanden werden kann, im Fokus der Ausführung.


2.1 Neue Akteursebene Kita-Sozialarbeit
Der Begriff „Kita-Sozialarbeit“ vereint die zwei Handlungsfelder der Sozialen Arbeit und der Kindertagesbetreuung. Das Aufgabenprofil von Sozialarbeitenden und pädagogischen Fachkräften unterscheidet sich u.a. hinsichtlich ihrer professionellen Perspektive und normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Grundlage. Sozialarbeiter*innen fokussieren die Bedarfe sowie Bedürfnisse von Kindern und ggf. ihren Eltern und agieren, häufig fallgeleitet, im Bereich der Abweichung vom Normalmodell. Pädagogischen Fachkräfte haben hingegen die Entwicklung und Aufwachsbedingungen bzw. Vorbedingungen im Blick. Die normative Grundlage des Handelns pädagogischer Fachkräfte sind Unauffälligkeit und Normalverläufe kindlicher Entwicklung und damit die Konzipierung von Angeboten für alle Kinder (vgl. Drößler 2020, S. 4f).

Die unterschiedlichen fachlichen Verständnisse der zwei Handlungsfelder müssen für die neue Profession „Kita-Sozialarbeit“ als Schnittstelle miteinander verbunden werden. Auf diese Weise lassen sich die Perspektiven und Angebote der Sozialen Arbeit in der Kindertagesstätte etablieren und nutzen (vgl. Drößler 2020, S. 2).

Seit 2015 stellt die Kita-Sozialarbeit ein neues Feld der Sozialen Arbeit da, welches sich seither zunehmend als sozialpädagogisches Zusatzangebot in Kindertagesstätten etabliert. In Deutschland zeigen sich verschiedene Umsetzungsvarianten der Kita-Sozialarbeit und vielfältige Ansätze, die in Form von Projekten und Initiativen erprobt werden. In Rheinland-Pfalz wurde die Kita-Sozialarbeit über die Einführung eines Sozialraumbudgets flächendeckend umgesetzt.

Unterschiede zeigen sich u.a. in dem Verständnis der Zugänge der Institutionellen Verortung sowie in der allgemeinen Organisation der Kita-Sozialarbeit. So können sozialarbeitende Angestellte der Kita Angestellte des Trägers der Kita, des Jugendamts sowie auch von externen Trägern/Institutionen sein (vgl. Thielemann 2022).


Drößler (2020) unterscheidet zwischen zwei Zugängen der Kita-Sozialarbeit, die sich mit Blick auf konkrete Praxiskonzepte und Projekte identifizieren lassen:
  1. Additiv-ergänzend: Sozialpädagogische Fachkräfte werden als eine zusätzliche fachliche Ressource für Kindertagesstätten angesehen, sind aber nicht Teil der Institution. Die Sozialarbeiter*innen sind i.d.R. nur tage- oder stundenweise in den Einrichtungen präsent oder stehen als externe Ansprechpersonen zur Verfügung. Methodisch dominieren klassische Ansätze aus der Sozialen Arbeit wie Gruppenarbeit, Gemeinwesenarbeit und Einzelfallhilfe (vgl. Drößler 2020, S. 3f).
  2. Integriert-erweiternd: Kindertagesstätten erhalten eine zusätzliche Ressource in Form struktureller sozialpädagogischer Fachkompetenz. Zentraler Bezugspunkt ist aber die Kindertageseinrichtung als Organisation. Die dort tätigen Fachkräfte werden als Mitwirkende wie Adressat*innen des sozialarbeiterischen Handelns betrachtet (vgl. Drößler 2020, S. 3-7). „Dahinter steht der Gedanke einer Erweiterung und Differenzierung der fachlichen Grundlagen der beteiligten Kindertagesstätten um relevante sozialarbeiterische Inhalte und Methoden“ (Drößler 2020, S. 6). Es wird eine Organisationsentwicklung der Kindertagesstätte aus der Perspektive der Kinder angestrebt.
Als Gemeinsamkeit der bisherigen Pilotprojekte und Konzepte zur Kita-Sozialarbeit sind die Begründung sowie die Zielsetzungen zu nennen. Übergeordnetes Ziel der Kita-Sozialarbeit als zusätzliches Handlungsfeld in der Kindertagesstätte ist es, struktureller und individueller Benachteiligung von Kindern und Familien entgegenzuwirken und deren Chancengleichheit zu fördern (vgl. Reifenhäuser 2021, S. 5).

Der theoretische Hintergrund für die Kita-Sozialarbeit sind die Lebenswelt- und Sozialraumorientierung, ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese.  und das Empowerment (vgl. Swat/Reifenhäuser 2023, S. 32). Die Arbeit der Jugendhilfe und damit auch der Kindertagesstätten sowie der Kita-Sozialarbeit unterliegt den zentralen Prinzipien der Sozialraum- und Lebensweltorientierung (vgl. Hinte 2000; Kessl/Reutling 2007; Noack 2015; Thiersch 2020). Die Orientierung der Kinder- und Jugendhilfe an den Bedingungen des „geografischen, emotionalen und mit Beziehungen gestalteten Raums“ (Kobelt Neuhaus/Refle 2010, S. 11) ist im § 22a SGB VIII seit 2008 gesetzlich verankert. Für die Kita-Sozialarbeit stellt der Kita-Sozialraum den zentralen Arbeitsschwerpunkt dar.

Kita-Sozialarbeit geht dabei über den allgemeinen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag der Kindertagesstätten hinaus, indem sie über die Kindertagesstätte als zentrale Anlaufstelle in den Sozialraum hineinwirkt (vgl. Swat/Reifenhäuser 2023, S. 10). Sie zeigt Ressourcen und Bedarfe von Kindern, Familien sowie dem Sozialraum auf und unterstützt Kindertagestätten und Familien dabei diese zu berücksichtigen bzw. zu nutzen. Die Beratungsinhalte können dabei sehr vielfältig sein, da die Themen immer im individuellen, lebensweltorientieren Kontext der Familien betrachtet werden müssen (vgl. Schmider 2022, S. 17).

Tägliche Hol- und Bringsituationen in der Kindertagesstätte ermöglichen niederschwellige Kontaktmöglichkeiten zu den Kita-Eltern. Kita-Sozialarbeit ist aufsuchende Sozialarbeit, d.h. Kita-Sozialarbeitende befinden sich in der Kindertageseinrichtung sowie im Kita-Sozialraum und gehen aktiv auf die Kita-Eltern und Familien zu. Durch diese Niedrigschwelligkeit sollen Familien leichten Zugang zu Unterstützung finden (vgl. Bläser 2022, S. 9). Durch niedrigschwellige und präventive Interventionen sollen Familien frühzeitig erreicht werden und durch die Vernetzung der Familien untereinander, soll das Selbsthilfepotenzial gefördert werden. Kita-Sozialarbeit beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und Verschwiegenheit (vgl. Reifenhäuser 2021, S. 5).

Die Notwendigkeit der Einführung von Kita-Sozialarbeit wird häufig durch die guten Erfahrungen mit der Schulsozialarbeit begründet und wird als wichtiges Instrument der Prävention verstanden. Denn soziale und familiäre Probleme können bereits im Kleinkindalter entstehen und sich im Schulalter verfestigt haben. Eine frühzeitige Unterstützung der Eltern und Familien dient dem Ausgleich sozialer Benachteiligung (vgl. Thielemann 2022). Beide Profile unterscheiden sich in ihren Strukturen sowie in der Zielgruppe. Die Schulsozialarbeit fokussiert neben den Lehrer*innen und Eltern insbesondere die Arbeit mit den Schüler*innen. Die Adressat*innen der Kita-Sozialarbeit sind neben den pädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen insbesondere die Kita-Eltern, aber weniger die Kita-Kinder (vgl. Thielemann 2022).

Die Intensivierung der sozialräumlichen Arbeit der Kindertagesstätten durch die Kita-Sozialarbeit, dient der Entlastung von pädagogischen Fachkräften und Kita-Leitungen und ergänzt das elementarpädagogischen Leistungsprofil von Kindertagesstätten um strukturelle und fachliche Angebote der sozialen Arbeit. Die Kindertagesstätten und Kita-Familien profitieren von vermehrten Beratungs- und Unterstützungskapazitäten und der Eröffnung von präventiven Maßnahmen und Angeboten (vgl. Drößler 2020, S. 4).

2.2 Kita-Sozialarbeit in Rheinland-Pfalz
Aus dem Diskurs heraus, die Kindertagesstätten fachlich und strukturell zu unterstützen, wurde die neue Akteursebene Kita-Sozialarbeit flächendeckend in rheinland-pfälzischen Kitas ab Juli 2021 im Kontext des Sozialraumbudgets implementiert. Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem die Möglichkeit besteht, die personelle Ressource „Kita-Sozialarbeit“ über einen Projektstatus hinaus flächendeckend in den Regionen einzusetzen.

Das rheinland-pfälzische KiTa-Zukunftsgesetz (KitaG) regelt erstmalig in § 25 Abs. 5 ein Sozialraumbudget. Dieses ermöglicht über die personelle Grundausstattung nach §§ 21 und 22 hinausgehende personelle Bedarfe abzudecken, die in Tageseinrichtungen aufgrund ihrer sozialräumlichen Situation oder anderer besonderer Bedarfe entstehen können. Dieses Budget kann seit Juli 2021 u.a. zum Einsatz von Sozialarbeitenden in Kindertageseinrichtungen über eine anteilige Regelförderung genutzt werden (vgl. Reifenhäuser 2021, S. 4). Um dauerhaft Unterstützung zu erhalten, müssen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf Grundlage der Bedarfe im Sozialraum eine entsprechende Konzeption zum Einsatz des Sozialraumbudgets erstellen (vgl. BM o.J.).

Mittlerweile befinden sich landesweit annähernd 300 Kita-Sozialarbeitende im Einsatz. Das Feld der Kita-Sozialarbeit in Rheinland-Pfalz ist heterogen. Die praktische Arbeit der Fachkräfte wird auf vielfältige Art und Weise realisiert. Dies liegt u.a. an den unterschiedlichen lokalen Rahmenbedingungen (vgl. Swat et al. 2023, S. 68). Jede Region weist individuelle Besonderheiten und verschiedene Bedarfe innerhalb der Kindertageseinrichtung und ihrem Sozialraum auf. Diese gilt es im Rahmen eigener regionaler Konzeptionen sowie in der konkreten Praxis der Kita-Sozialarbeit zu berücksichtigen (vgl. Reifenhäuser 2021, S. 7).

Damit Kita-Sozialarbeit seinen präventiven Charakter entfalten und den Ansatz zu multiprofessioneller Arbeit in den Kindertageseinrichtungen stärken kann, benötigen Kita-Sozialarbeiter*innen vielfältiges Wissen und Kompetenzen, um den Auftrag, zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen, zu erfüllen (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz 2019, S. 52).

In Rheinland-Pfalz haben sich seither verschiedene Institutionen / Organisationen der Fort- und Weiterbildung mit der Qualifizierung der Profession der Kita-Sozialarbeit beschäftigt. Derzeit stehen, an der Hochschule Koblenz und der katholischen Hochschule Mainz zwei Zertifikatskurse für bereits Tätige im Feld der Kita-Sozialarbeit sowie für Interessierte Fachkräfte aus pädagogischen Handlungsfeldern zur Weiterqualifizierung zu Verfügung. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Motivationsschreiben sowie ein Praxisnachweis, der die Tätigkeit in einem pädagogischen Handlungsfeld begründet. Fortbildungs- und Vernetzungsangebote für Kita-Sozialarbeitende bestehen auf lokaler Ebene, je nach Jugendamts-Konzeption. Überregional werden von Institutionen Fachtagungen zur Kita-Sozialarbeit angeboten (vgl. BM o.J.).



Verwandte Themen und Schlagworte