Bertelsmann Stiftung fordert Bundes-Kita-Gesetz für einheitliche Standards

In der frühkindlichen Bildung bleibt gute Qualität oftmals auf der Strecke, weil viele Kindertageseinrichtungen nicht genügend Erzieherinnen haben. Die Personalschlüssel für unter Dreijährige in Niedersachsen weichen deutlich von einem kindgerechten und pädagogisch sinnvollen Betreuungsverhältnis ab. Von den westlichen Bundesländern ist dies der zweitschlechteste Personalschlüssel für Krippen. Die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern sorgen dafür, dass die Bildungschancen von Kleinkindern erheblich vom Wohnort abhängig sind: „Wir brauchen dringend einheitliche Qualitätsstandards, die in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt sind“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Würden die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel für alle Kitas in Niedersachsen verbindlich gelten, wären gut 4.200 Erzieherinnen zusätzlich erforderlich. Die niedersächsische Landesregierung hat derweil angekündigt, die vom Bund zusätzlich zur Verfügung gestellten Bundesmittel in Höhe von gut 100 Millionen Euro für die dritte Fachkraft in Krippengruppen zu nutzen. (siehe dazu auch unseren Beitrag Kultusministerin Frauke Heiligenstadt im nifbe-Interview).

 

Unterschiedlich weit von angemessenem Betreuungsverhältnis entfernt

Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt, dass bei den unter Dreijährigen eine Erzieherin für höchstens drei Kinder verantwortlich ist. Für die Altersgruppe ab drei Jahren sollte der Personalschlüssel nicht schlechter als 1 zu 7,5 sein. „Politik und Praxis sollten sich auf bundesweite kindgerechte Standards einigen, damit alle Kita-Kinder in Deutschland gute Bildungschancen haben“, sagte Dräger. Diese Standards müssten in einem Bundes-Kita-Gesetz geregelt werden. Dort könnten auch Zeitbudgets für Leitungsaufgaben sowie Qualitätskriterien für Fort- und Weiterbildungen sowie die Mittagsverpflegung festgelegt werden. „Der Kita-Rechtsanspruch hat die Bundesländer gezwungen, die Quantität der Kita-Plätze zu erhöhen. Nun sollte ein Bundes-Kita-Gesetz dafür sorgen, dass auch überall die Qualität stimmt“, sagte Dräger.

 

Starkes Ost-West-Gefälle

Von angemessenen Betreuungsverhältnissen in ihren Kitas sind die Bundesländer nach wie vor unterschiedlich weit entfernt. Das geht aus dem aktuellen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungs-systeme“ hervor, mit dem die Bertelsmann Stiftung seit sechs Jahren die Entwicklung der Kindertageseinrichtungen beobachtet. Auffällig ist vor allem das Ost-West-Gefälle: Während in den ostdeutschen Krippen sich eine Erzieherin um durchschnittlich 6,3 Kinder kümmern muss, kommen im Westen 3,8 Kinder auf eine Erzieherin. Das niedersächsische Verhältnis von 1 zu 4,2 ist das zweitschlechteste im Westen und liegt deutlich höher als von der Bertelsmann Stiftung empfohlen (1 zu 3).

 

Etwas besser als der westdeutsche Durchschnitt (1 zu 9,1) sind die Betreuungsverhältnisse in Niedersachsen für Kinder ab drei Jahren: In dieser Altersgruppe ist eine Erzieherin durchschnittlich für 8,7 Kinder zuständig. Das ist gut ein Kind mehr als von der Bertelsmann Stiftung empfohlen. Dieses statistische Betreuungsverhältnis sieht im Kita-Alltag noch ungünstiger aus. Weil eine Erzieherin aufgrund von Teamgesprächen, Fortbildung und Urlaub höchstens 75 Prozent ihrer Arbeitszeit für pädagogische Arbeit nutzen kann, betreut sie in Niedersachsen tatsächlich fast zwölf Kinder. Vorzeigeländer sind Bremen (1 zu 7,7) und Baden-Württemberg (1 zu 8). Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern, wo eine Erzieherin für fast doppelt so viele Kinder (1 zu 14,9) verantwortlich ist.

 

In Niedersachsen fehlen 4.200 ErzieherInnen

Damit in Niedersachsen die von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel umgesetzt werden können, sind nach Berechnungen der Stiftung gut 4.200 zusätzliche Vollzeitkräfte erforderlich – 3.200 für unter Dreijährige und 1.000 für Kinder ab drei Jahren. Dies würde zusätzliche Personalkosten in Höhe von fast 182 Millionen Euro verursachen, was einem Anstieg der derzeitigen Personalkosten (fast 1,2 Milliarden Euro) um gut 15 Prozent entspräche. „Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung, die sich aber lohnt, weil die Kita-Qualität entscheidend ist für gutes Aufwachsen und faire Bildungschancen aller Kinder“, sagte Dräger.

 

Stärkeres finanzielles Engagement des Bundes eingefordert

Ohne stärkeres finanzielles Engagement des Bundes in der frühkindlichen Bildung sind diese Aus-gaben allerdings für das Land Niedersachsen und seine Kommunen kaum zu stemmen. Dies gilt auch für die meisten anderen Bundesländer. Die Bertelsmann Stiftung empfiehlt deshalb, in einem Bundes-Kita-Gesetz festzulegen, für welchen bundesweit einheitlichen Standard der Bund welche Unterstützung leistet.

 

 

Zum „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“:

Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitors sind Auswertungen von Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken sowie einer Befragung aller zuständigen Fachministerien der Bundesländer durch die Bertelsmann Stiftung. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2013. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut / Technische Universität Dortmund durchgeführt. Zu unterschiedlichen Themen finden Sie Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen im Internet unter www.laendermonitor.de.

Die in der Pressemitteilung angegebenen Betreuungsrelationen beziehen sich jeweils auf das Verhältnis Vollzeitkraft zu Ganztagskind. Der Personalschlüssel umfasst die Gesamtarbeitszeit einer Erzieherin, die sie einerseits direkt mit Kindern verbringt und darüber hinaus für weitere Aufgaben benötigt wie z. B. Elterngespräche, Teamsitzungen, Fortbildung oder die Kooperation mit anderen Institutionen. Für diese Aufgaben benötigt sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit. Hieraus ergibt sich bei einem Personalschlüssel von 1 zu 3 im Kita-Alltag eine Fachkraft-Kind-Relation von einer Vollzeitkraft zu vier Ganztagskindern.

 

Quelle: PM Bertelsmann-Stiftung / Redaktion

 

 

Weiterführender Lesetipp:

 

Personalschlüssel