Es fehlt an Erzieherinnen: Der Personalmangel in der Kinderbetreuung ist nicht nur die größte Hürde, wenn es ab August gilt, den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr einzulösen. Zugleich stehen die Kindertageseinrichtungen vor großen Herausforderungen, für alle Altersgruppen eine gute Qualität der frühkindlichen Bildung zu gewährleisten. Dies gilt vor allem für die ostdeutschen Bundesländer, wo die Kitas personell erheblich schlechter ausgestattet sind als im Westen. Das geht aus dem diesjährigen "Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme" hervor, den die Bertelsmann Stiftung heute veröffentlicht. Stichtag für die Datenerhebung war der 1. März 2012.

Im bundesweiten Durchschnitt beträgt demnach der Personalschlüssel in Krippen 1:4,5. Während er in den ostdeutschen Krippen jedoch bei 1:6 beträgt, liegt er im Durchschnitt der West-Länder bei 1:3,7. Der von der Bertelsmann Stiftung empfohlenen Personalschlüssel liegt bei 1:3.

Die im Ländervergleich günstigste Betreuungsrelation haben die Krippen in Bremen, wo auf eine Erzieherin rechnerisch 3,1 Kinder kommen. Die schlechteste Betreuungsrelation finden Eltern für ihre unter dreijährigen Kinder in Sachsen-Anhalt (1:6,5).

"Der Westen hat nicht genug Krippenplätze, im Osten muss hauptsächlich mehr in Qualität investiert werden", sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Fokus Niedersachsen

KiTas sind in Niedersachsen ein expandierendes Beschäftigungsfeld. So ist die Zahl der pädagogisch Tätigen zwischen 2010 und 2012 (jeweils 01.03.) um annähernd 8% gestiegen, 2012 sind es in rund 4.800 KiTas mehr als 40.300 Personen. Das Qualifikationsniveau dieses pädagogischen Personals gilt als eine wichtige Voraussetzung für eine gute Bildungsqualität in KiTas. Annähernd 72% der pädagogisch Tätigen in Niedersachsen verfügen über einen Fachschulabschluss als Erzieherin, und 4,7% haben einen Hochschulabschluss erworben. Immerhin 3,5% des pädagogischen Personals haben keine abgeschlossene Ausbildung.

In Niedersachsen bieten die Krippen ein ungünstigeres Betreuungsverhältnis als im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer, so dass in den Krippengruppen eine Vollzeitkraft rechnerisch vier Ganztagskinder (1:4,0) betreut.

Allerdings besucht die Mehrzahl der U3-Kita-Kinder in Niedersachsen keine Krippe, sondern zu annähernd 70% andere Gruppenformen. So sind 45,5 Prozent dieser Altersgruppe in einer Gruppe mit Kindern unter vier Jahren, die einen Personalschlüssel von 1:4,2 aufweisen. Fast elf Prozent besuchen eine altersübergreifende Gruppe (1:5,6). Weitere zwölf Prozent der Kita-Kinder unter drei Jahren müssen sich in einer für Zweijährige geöffneten Kindergartengruppe mit einem durchschnittlichen Personalschlüssel von 1:7,8 begnügen.


„Aufpassen, dass die Jüngsten nicht zu kurz kommen“

"Die Personalschlüssel in den altersgemischten Gruppen orientieren sich derzeit an den Bedürfnissen der über Dreijährigen. Wir müssen aufpassen, dass die Jüngsten nicht zu kurz kommen, denn ihre Bildungschancen verschlechtern sich mit unzureichenden Betreuungsrelationen", sagte Dräger. Für die Qualität von frühkindlicher Bildung ist es von entscheidender Bedeutung, wie viele Kinder eine Erzieherin zu betreuen hat. Studien zeigen: Bessere Personalschlüssel ermöglichen mehr bildungsanregende Interaktionen und Aktivitäten für die Kinder. Zudem hat sich gezeigt, dass bei vergleichsweise guten Personalschlüsseln Kinder ihre sprachlich-kognitiven und sozialen Fähigkeiten besser entwickeln.

Für die Gruppe der Kinder zwischen drei Jahren und Schuleintritt ist eine unzureichende Anzahl an Kita-Plätzen kaum noch ein Problem. Bereits heute nehmen 94 Prozent aller Kinder dieser Altersgruppe Kindertagesbetreuung in Anspruch. Die Personalschlüssel liegen jedoch auch bei den über Dreijährigen im Bundesdurchschnitt (1:9,1) deutlich über der Empfehlung der Bertelsmann Stiftung von 1:7,5. Noch ungünstiger ist der Personalschlüssel in den ostdeutschen Kindergartengruppen (1:11,8), wo eine Vollzeitkraft durchschnittlich drei Ganztagskinder mehr betreut als im Westen (1:8,6). Wie bei den unter Dreijährigen ist auch hier Bremen mit einem Personalschlüssel von 1:7,3 bundesweit Spitzenreiter. Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern mit 1:13,6.

Weit voraus hingegen ist der Osten dem Westen bei der Ganztagsbetreuung. Gut 72 Prozent aller ostdeutschen Kita-Kinder besuchen mehr als 35 Stunden pro Woche eine Kindertageseinrichtung. In den westdeutschen Bundesländern ist der Anteil der Kita-Kinder, die ganztags in ihre Einrichtung gehen, erheblich niedriger: Von den unter dreijährigen Kita-Kindern gehen im Westen 43,6 Prozent ganztags in ihre Kindertageseinrichtung, bei den über dreijährigen Kita-Kindern beträgt die Quote 34,2 Prozent. Obwohl in der Regel mit dem Alter der Kinder deren zeitlicher Betreuungsbedarf steigt, ist im Westen der Anteil der Kita-Kinder, die ganztags in ihre Einrichtung gehen, in der Altersgruppe unter drei Jahren höher als in der Altersgruppe über drei Jahren. "Auch für ältere Kita-Kinder brauchen wir eine verlässliche ganztägige Betreuung. Der Rechtsanspuch sollte auf eine Ganztagsbetreuung ausgeweitet werden", sagte Dräger.

Zum Länderreport "Frühkindliche Bildungssysteme":

Grundlage des jährlich erscheinenden Reports sind Auswertungen von Daten der statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik und weiteren amtlichen Statistiken sowie einer Befragung aller zuständigen Fachministerien der Bundesländer durch die Bertelsmann Stiftung. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut / Technische Universität Dortmund durchgeführt. Der Länderreport bietet für jedes Bundesland ein Profil seines frühkindlichen Bildungssystems. Diese Profile sowie alle weiteren Daten und Fakten zu den frühkindlichen Bildungssystemen finden Sie unter www.laendermonitor.de.



Hintergrund-Info Personalschlüssel

Der Personalschlüssel umfasst die Gesamtarbeitszeit einer Erzieherin, die sie einerseits direkt mit Kindern verbringt und darüber hinaus für weitere Aufgaben benötigt wie z.B. Elterngespräche, Teamsitzungen, Fortbildung oder die Kooperation mit anderen Institutionen. Für diese Aufgaben benötigt sie mindestens 25 Prozent ihrer Arbeitszeit. Hieraus ergibt sich bei einem Personalschlüssel von 1:3 eine Fachkraft-Kind-Relation von einer Vollzeitkraft zu vier Ganztagskindern.

Quelle: Bertelsmann Stiftung



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