Welche Bildungs-Potenziale haben Lernwerkstätten und welche Haltung sollten dabei die Fachkräfte einnehmen? Diese und viele weitere Fragen beantwortete Prof. Dr. Marjan Alemzadeh von der Hochschule Rhein-Waal im Rahmen der kostenlosen nifbe-Vortragsreihe „Mitmachen mit allen Sinnen“. Moderiert wurde die Veranstaltung von nifbe-Transfermanagerin Gerlinde Schmidt-Hood.

In ihrem Vortrag berichtet Prof. Dr. Marjan Alemzadeh über das Konzept und die Erfahrungen der von ihr geleiteten Lernwerkstatt KLEX an der Hochschule Rhein-Waal. „Unser Ziel“, so die Professorin für Kindheitspädagogik, „ist es, Kinder eigenständig mit bedeutungsoffenen Materialien explorieren und erproben zu lassen.“ Dafür werden die Materialien, die für verschiedensten Zwecke benutzt werden können, ästhetisch ansprechend bereitgestellt. Die sorgfältig vorbereitete Lernumgebung lade die Kinder dazu ein, „interessengeleitet und kreativ mit ihnen umzugehen und verschiedene Lernbereiche aktiv zu entdecken“ – von der ästhetischen Bildung über MINT bis hin zu Bewegung und Motorik. In diesem Sinne würden in der Lernwerkstatt kindliche Explorations- und Gestaltungsprozesse „ohne ein vorgegebenes Ziel“ unterstützt.

Voraussetzung dafür sei, so Marjan Alemzadeh, „eine partizipatorische Didaktik (s.a. hier: Partizipatorische Didaktik) und hier insbesondere eine offene und eng an den kindlichen Interessen ausgerichtete Haltung der Fachkräfte.“

Wie die Professorin für Kindheitspädagogik weiter ausführte, können die Studierenden der Hochschule Rhein-Waal so auch in der Lernwerkstatt schon einmal eine professionelle Rolle und Haltung erproben und entwickeln. Im Fokus stehe dabei „die Selbstbildungspotenziale der Kinder und die Unterstützung von Peer-Interaktionen.“ Die Aktivitäten der Kinder sollten dabei von den zukünftigen Fachkräften zurückhaltend und emphatisch begleitet und an geeigneten Stellen mit der Initiierung von Gesprächsanlässen, Forschungsfragen oder weiterführenden pädagogischen Handlungsweisen einer Partizipatorischen Didaktik  unterstützt werden.

Selbstbildungspotenziale der Kinder und Peer-Interaktionen im Fokus

Wie das in der Praxis aussieht, führte Marjan Alemzadeh den Teilnehmer*innen mit einem Video aus der Lernwerkstatt plastisch vor Augen. Sie schloss eine sequenzielle Feinanalyse an und verdeutlichte die dort stattfindenden „wechselseitig responsiven Interaktionen“. Der Student hielt sich dabei beobachtend zurück und unterstützte eher durch seine Mimik und Körperhaltung als durch direktes Eingreifen. Er überließ so dem Mädchen die Initiative und setzte nur punktuell feine Impulse durch Fragen oder Blicke.

Im Hinblick auf die nicht mir ihrer Lernwerkstatt zu vergleichende Situation in KiTas mit vielen Kindern und wenigen Fachkräften unterstrich Marja Alemzadeh: „Lernwerkstatt-Arbeit kommt auch häufig ohne direkte Begleitung durch die Fachkräfte aus, wenn der Raum als 3. Erzieher genutzt wird. Dann entwickeln sich häufig intensive Peer-Interaktionen mit großem Lernpotenzial.“ Als Beispiel zeigte sie ein weiteres Video aus dem Klex-Garten, in dem ein Bachlauf die Kinder zu verschiedensten Aktivitäten animiert – in diesem Fall das Befüllen einer großen Regentonne, an dem sich nach und nach alle Kinder beteiligen und das Spiel ausweiten. So ging es hier von der „Herstellung geteilter Aufmerksamkeit“ über die „Entwicklung einer gemeinsamen Idee“ bis zur „kreativen Umsetzung in der sozialen Interaktion“ quasi ohne Beteiligung der Fachkräfte. Die Lern-Potenziale reichten dabei von der Erfahrung von Volumen und Mengen beim Befüllen, das Ausprobieren von „Was schwimmt und was sinkt?“ in der Tonne bis zum Erleben der Kraft einer kleinen Flutwelle beim Umkippen der gefüllten Tonne.

Abschließend konstatierte die Kindheitspädagogin, dass „Kinder intensive und verschiedenste Bildungsprozesse durchlaufen, wenn man ihnen die Möglichkeit des Erfahrungslernens einräumt“. Dafür bräuchten sie anregende, bedeutungsoffene und ansprechend arrangierte Materialien zum Explorieren und „Fachkräfte, die sich in Resonanz begeben und an gemeinsam geteilten Erfahrungen interessiert sind und diese bewusst gestalten.“ In der KiTa brauche es aber auch insbesondere „Raum und Zeit zum Spielen und für Peer-Interaktionen, denn Kinder brauchen andere Kinder um kooperativ zu lernen“.

Hinweis:
Die Aufzeichung des Vortrags finden Sie in Kürze auf unserem You-Tube-Kanal

Lese-Tipp:
Partizipatorische Didaktik in der Krippe
Traumafrei eingewöhnen

Kauf-Tipp:

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Karsten Herrmann