Individuelle Förderung wird schon im Vorschulalter immer wichtiger. Doch was bedeutet „individuelle Förderung“ eigentlich? Mit dieser Frage befasste sich eine Untersuchung der Forschungsstelle Begabungsförderung des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) unter Leitung von Prof. Dr. Claudia Solzbacher. Dazu wurden in 36 Experteninterviews sowie einer niedersachsenweiten Online-Befragung rund 560 MitarbeiterInnen von Kindertageseinrichtungen zu ihren Einstellungen und Erfahrungen mit individueller Förderung befragt. Die Ergebnisse zeigen: Individuelle Förderung ist in Kitas schon vielfach gängige Praxis.

Das Ziel der von Dr. Birgit Behrensen, Meike Sauerhering und Wiebke Warnecke durchgeführten Studie war es, herauszufinden, was unter individueller Förderung in Kindertagesstätten verstanden wird. „Es gibt bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen von Förderkonzepten, die die Erfahrungen und Positionen von ExpertInnen der alltäglichen Praxis in Kindertagesstätten einbeziehen“, erläutert die Forschungsstellen-Leiterin Prof. Dr. Claudia Solzbacher. Sie vermutete so auch „eine große Kluft zwischen öffentlicher Wahrnehmung und bereits etablierten Förderstrukturen in den einzelnen Einrichtungen“, die nun in einigen Bereichen besser geschlossen werden könnte.


Ausgangspunkt der Studie war die Annahme, dass nur das als individuelle Förderung in der Praxis umgesetzt wird, was schon als Bild und Vorstellung in den Köpfen der PädagogInnen vorhanden ist. Daher enthielt der Fragebogen der niedersachsenweiten Online-Befragung neben Abschnitten zu Sichtweisen, Erfahrungen sowie Unterstützung und Fortbildung nicht zuletzt auch Fragen wie: „Was verstehen Sie persönlich unter individueller Förderung?“.

Ressourcen stehen im Vordergrund
 

Entgegen weit verbreiteter Auffassungen bedeutet individuelle Förderung, so die Soziologin Dr. Birgit Behrensen, „keine Eins-zu-eins-Betreuung jedes Kindes durch eine Erzieherin. Es bedeutet vielmehr, dass die Begabungen und Fähigkeiten eines jeden Kindes individuell gefördert werden sollen und zwar nach einem ganzheitlichen Prinzip und immer auch im Gefüge der Gruppe.“ Ergänzend räumt ihre Kollegin, die Erziehungswissenschaftlerin Meike Sauerhering, mit einem weiteren häufigen Missverständnis auf: „Individuelle Förderung ist eben keine Methode, um Defizite auszugleichen, sondern richtet sich bewusst auf die Ressourcen des Kindes.“


Das zentrale Ergebnis der Studie ist, dass individuelle Förderung in Kindertageseinrichtungen heutzutage schon deutlich mehr stattfindet, als bisher angenommen. Und vor allem kann sie in jeder Kita stattfinden, unabhängig von Träger und Konzept. Bei der originären täglichen Arbeit der ErzieherInnen richtet sich der Blick dabei auf das einzelne Kind und es geht darum, die Persönlichkeit des Kindes und dessen individuellen Lern- und Entwicklungsprozess zu unterstützen. „Individuelle Förderung“, so die Diplompädagogin Wiebke Warnecke, „ist dabei keine Methode, sondern eine klar wahrnehmbare, zugewandte Haltung, die sich selbstverständlich aus der pädagogische Arbeitsauffassung ergibt. Verschiedenheit wird hier als Ressource gesehen, wertgeschätzt und individuell gefördert“. Sie plädiert in diesem Bereich auch für eine intensivierte Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen, „weil beide Institutionen viel voneinander lernen können und damit auch die Nachhaltigkeit von Bildungs- und Entwicklungsprozessen gegeben wäre.“


Auf Grundlage der Studie wird im Februar 2011 im Herder-Verlag auch das Buch „Das einzelne Kind im Blick – Individuelle Förderung in der Kita“ erscheinen, in dem die wissenschaftlichen Studienergebnisse u.a. auch durch Best Practice-Beispiele ergänzt werden.


In Ergänzung führt die nifbe-Forschungsstelle Begabungsförderung zurzeit eine analoge Studie zur individuellen Förderung in der Grundschule durch. Dabei werden die Pädagoginnen sowohl vom Niedersächsischen Landesamt für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) als auch von der Landesschulbehörde unterstützt. Zusammen mit einer bereits vorliegenden Studien von Prof. Dr. Claudia Solzbacher und Prof. Ingrid Kunze zur individuellen Förderung in den Sekundarstufen I und II ist damit der Elementar- und Schulbereich komplett abgedeckt. Ziel ist es nun, die Ergebnisse zusammenzuführen und den Blick insbesondere auf die Übergänge zu richten.

Weitere Informationen:

Dipl. Päd. Wiebke Warnecke

nifbe - Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung

Forschungsstelle Begabungsförderung

Heger-Tor-Wall 19, 49078 Osnabrück

Tel.: 0541/9703277-4

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