Die Debatte um die ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   in der Frühpädagogik setzt voraus, dass ein gemeinsames Verständnis von „Professionellem Handeln“ vorliegt. Professionalisierung ist das Streben nach professionellem Handeln durch eine Berufsgruppe, die gesellschaftlich für die berufliche Praxis (Bildung und Erziehung von Kindern bis sechs Jahre) als kompetent anerkannt ist und als exklusiv zuständig empfunden wird.

Das Team des nifbe-Modellprojektes „Professionalisierung, Transfer und Transparenz im frühpädagogischen Praxis- und Ausbildungsfeld“ möchte daher im Folgenden - als Grundlage für die weitere Diskussion - sein Verständnis von Professionellem Handeln darlegen.

Der Begriff „Professionelle Kompetenz“ ist bereits ausführlich in einem der Erzieherin nah verwandtem Beruf diskutiert worden. Professionelle Kompetenz von Lehrern wird in verschiedensten Theorien unterschiedlich detailliert operationalisiert und damit messbar gemacht (z.B. Baumert & Kunter, 2006; Blömeke, 2004; Carter, 1990; Cochran-Smith & Zeichner, 2005). Die Konkretisierung kompetenzorientierter Ansätze wurde im deutschsprachigen Raum 1997 von Oser angestoßen, der die Lehrerausbildung ergebnisorientiert auf berufliche Anforderungen bezog (Oser, 1997a, 1997b). Im Zuge der daraufhin entbrannten Diskussion gab die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland (KMK) den Auftrag eine Expertise für die Lehrerausbildung zu erstellen (Terhart, 2002). Ergebnis des daran anschließenden kompetenzorientierten Prozesses war die Durchsetzung bundesweit verbindlicher Standards für die Lehrerausbildung. Diese KMK-Standards benennen konkret Aufgaben, von Lehrerinnen und Lehrern, die diese bewältigen können sollen („can do statements“; Blömeke, 2006). Alle Bundesländer haben sich zur Umsetzung der Standards verpflichtet.

Eine ähnliche Entwicklung ist auch für den Bereich der Kindheitspädagogik wünschenswert. Die Initiative der Robert-Bosch-Stiftung PIK-Profis in Kitas hat bereits 2008 einen umfangreichen Qualifikationsrahmen für Frühpädagogik-Studiengängen veröffentlicht, in dem auch das Thema „Professionelle Haltung“ umfangreich bearbeitet wurde (S. 26f; Robert-Bosch-Stiftung, 2008).

Grundsätzlich wollen wir uns als Arbeitsgruppe „Professionalisierung, Transfer und Transparenz im früh-pädagogischen Praxis- und Ausbildungsfeld“ den Aussagen zur Professionellen Haltung der PIK-Initiative anschließen. In unserem Verständnis ist professionelles Handeln jedoch nicht alleine abhängig von der Ausbildungsart des Handelnden. Erzieherinnen mit Fachschulausbildung können die Kriterien professionellen Handelns genauso gut erfüllen oder nicht erfüllen wie akademisch ausgebildete Kindheitspädagoginnen. Eine gute Ausbildung hilft jedoch, in der Praxis professionell zu handeln.

Unter professionellem Handeln verstehen wir zuallererst die Abwesenheit von Zufälligkeit. Die Handlungen, die eine Erzieherin in ihrem professionellen Kontext versieht, seien sie mit Kindern, Eltern oder Kolleginnen, Trägern, Vertretern der Jugendhilfe oder anderen, haben von bewussten Entscheidungen geprägt zu sein. Diese wissenschaftlich basierte Urteilsfähigkeit ermöglicht den Erzieherinnen bestenfalls, unerwartete Situationen analysieren und bewältigen zu können (Souveränität), über das einfache Wissen hinaus Strukturen und Prozesse zu verstehen (Befähigung) und ein durch Wissen begründetes Selbstvertrauen (Professionelle Haltung). Mit Hilfe dieser Trias sollten Erzieherinnen in der Lage sein, ihren beruflichen Anforderungen gerecht zu werden (siehe Pasternack, 2009).


Die Fähigkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Pädagogik und der Entwicklungspsychologie in die Praxis zu übertragen ist dabei integraler Bestandteil der wissenschaftlich basierten Urteilsfähigkeit. Erzieherinnen sollten dabei grundsätzlich in der Lage sein, wissenschaftliche Arbeiten lesen, verstehen und einschätzen zu können. Dabei sollten sie wissenschaftliche von pseudowissenschaftlichen Aufsätzen unterscheiden können.

Eine professionelle Arbeit im Kindergarten setzt voraus, dass Erzieherinnen über große Methodenkompetenz verfügen, so dass gerade über die individuelle Behandlung der Kinder und die individuelle Methodenauswahl eine Homogenisierung der kindlichen Bildungschancen (nicht Homogenisierung der Handlungen!) erreicht werden kann.

Die Bedeutung der persönlichen Eignung für den Erzieherberuf ist mehrfach herausgestellt worden. Unser Professionsverständnis sieht weniger eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur als besonderes Eignungsmerkmal vor als vielmehr die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und Biographie. Eine professionelle Erzieherin sollte verstehen, warum sie in bestimmten Situationen auf bestimmte Art und Weise reagiert. Sie sollte wissen, dass sie bei bestimmten Themen Schwierigkeiten hat, objektiv zu bleiben, sie sollte die Grenzen ihres eigenen Handelns kennen und sollte sich in diesen Situationen Hilfe holen. Professionelles Handeln bezieht immer auch das Wissen um die eigenen Grenzen und die Fähigkeit der Einforderung von Unterstützung mit ein.

Ein wichtiger Punkt des professionellen Handelns ist die Reflektionsarbeit. Erzieherinnen sollen grundsätzlich den Anspruch haben, ihr eigenes Handeln kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren. Waren die Handlungen adäquat? Aus welchen Gründen hat sich eine Situation in eine bestimmte Richtung entwickelt? War das Handeln bewusst oder intuitiv? Dies beinhaltet keineswegs sich auf Situationen zu beschränken, in denen man nicht Herr der Lage war. Im Gegenteil ist die Auseinandersetzung mit gelungenen Situationen oft fruchtbringender, da man in späteren Situationen wieder besser eine gelungene Situation nachahmen kann und einen Zuwachs an professioneller Kompetenz erfährt.

Ein Wandel von einem „emotional getragenen Berufsverständnis“ hin zu einem „professionellen Selbstbild“, das „fachliches Wissen und Können als unverzichtbaren Anteil integriert“ wird von Kahle bereits 1999 als vollzogen beschrieben. Pasternack (2008) weist darauf hin, dass es für diesen Wandel also keine Verankerung der Erzieherinnenausbildung an den Hochschulen bedurfte. Den größten Unterschied zwischen der Fachschulausbildung und einem Studium stellt wahrscheinlich die Befähigung dar, sich selber Wissen anzueignen, das vielleicht im Rahmen der Ausbildung noch nicht bestand und somit nicht gelehrt werden konnte. Diese Fähigkeit und ein forschender Habitus werden Hochschulabsolventen eher zugesprochen als Fachschulabsolventen.


Oevermann (2005) beschreibt Professionalität mit einer Polarität von Routine und Krise. So können Professionelle auf Basis ihres routinierten Wissens – und gegebenenfalls darüber hinaus erworbenen Wissens – Krisen aktiv bewältigen und nicht nur schematische Lösungen anwenden, wobei sie auch in der Lage sein sollten, standardisierte Lösungen für häufige Probleme zu kennen und anzuwenden.

Entscheidend ist jedoch, dass jede Erzieherin, die den Anspruch des professionellen Handelns an sich stellt, die Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen will und muss. Aus dieser Verantwortungsübernahme leiten sich all die anderen Ansprüche (z.B. Reflektion, Biographiearbeit, Methodenkompetenz, etc.) ab. Eine Person, die selbst ihre Handlungen verantwortet, wird diese automatisch hinterfragen und einen Hunger nach Weiterbildung entwickeln oder sich Unterstützung suchen, wenn sie an eigene Grenzen stößt. Und so sollte diese Verantwortungsübernahme –das „Denken auf eigene Rechnung“ (Ebert, 2002) in jeder Ausbildung als Ziel definiert sein.

Die gesellschaftliche Anerkennung als kompetente KindheitspädagogInnen wird zurzeit durch eine Aufwertung und Akademisierung der Berufsausbildung angestrebt. Die exklusive Zuständigkeit für die berufliche Praxis hat sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt. In Kindergärten und Krippen werden neben staatlich anerkannten ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen vielfältig ausgebildetes Personal (z.B. SozialassistentInnen, KinderpflegerInnen, Tagesmütter) beschäftigt. Initiativen wie PIK (Profis in Kitas) der Robert Bosch-Stiftung sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung und Erziehung im Kindesalter (BAG-BEK e.V.) arbeiten jedoch an der qualitativen Aufwertung der Ausbildung und an der Durchsetzung der alleinigen Zuständigkeit von staatlich anerkannten ErzieherInnen und KindheitspädagogInnen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Kindertagesstätten.

Dipl. Psych. Andrea Föhring
Prof. Dr. Julia Schneewind
M.A. Maria Thünemann-Albers

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