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Perspektiven der Normalität in der Pandemie

Aktuelle pädagogische Anforderungen

Seit März 2020, also während der vergangenen 9 Monate, ist vieles durch die Pandemie verändert. „Die Zukunft ist unbekannt“ ist ein Statement für Veränderungsprozesse und in seiner Bedeutung sehr schnell spürbar geworden. Diese Monate waren durch ständig wechselnde und veränderte Informationen, Regelungen, Vorgaben sowie Einschränkungen im Wechselspiel mit der Hoffnung auf Erleichterungen und deren Enttäuschung anspruchsvoll. Es wird verstärkt der sehnsüchtige Wunsch nach Normalität, wie sie vor der Pandemie bestand, geäußert. Gleichzeitig ist allen rational bewusst, dass der Prozess unumkehrbar ist und die Pandemie Veränderungen hinterlässt. Nach heutigem Wissensstand ist deutlich, dass uns die Pandemie noch länger begleitet. Es besteht weiterhin Ungewissheit über die Konsequenzen und Sehnsucht nach Erleichterungen. Eine zeitliche Einschätzung zur Dauer der Pandemie ist verbindlich kaum möglich.

Erfahrungen der letzten Monate reflektieren

Diesem Artikel liegen viele Gespräche und Beobachtungen in Kindertageseinrichtungen über die letzten Monate sowie ein bundesweiter Austausch darüber zu Grunde. Er ist der Versuch die Essenz der Erfahrungen in das Verhältnis der notwendigen und zukünftigen pädagogischen Gestaltung von Entwicklungsbegleitung zu setzen. Er beinhaltet Gedanken und Lernschritte, die durch die neuen Anforderungen sowie Erfahrungen damit ausgelöst wurden. Insbesondere die Erfahrungen nach September 2020 erhalten Aufmerksamkeit, denn bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich Strukturen gefunden, mit denen sich viele Pädagog*innen inhaltlich und organisatorisch arrangieren konnten. Es bestand die Hoffnung, dass es sich im Herbst ähnlich fortsetzt. Es war geplant die pädagogische Umsetzung im gefundenen Rahmen qualitätvoll zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Stattdessen wurden die Maßnahmen zum Infektionsschutz verengt sowie starrer. Die jeweiligen Rahmenhygienekonzepte der Bundesländer setzten unterschiedliche Schwerpunkte im Infektionsschutz, die die Träger für ihre Kindertageseinrichtungen anpassten. Es wurden häufig kleinere und feste Gruppen beschrieben sowie die Pflicht der Mund-Nasen-Bedeckung eingeführt. Das waren die tiefgreifendsten Veränderungen der Vorgaben.

Tendenz zu starker Kontrollausübung im KiTa-Alltag

Diese förderten verstärkt pädagogische Besorgnis sowie organisatorische und strukturelle Probleme. Die aktualisierten Beschreibungen der Maßnahmen wirkten in so starker Form, dass es schwerfiel und -fällt den pädagogischen sowie organisatorischen Gestaltungsraum zu entdecken und auszuleben. Dieses wiederum führte häufig zu starker Kontrollausübung der Erwachsenen durch Regeln, vorgegebene Abläufe und Tadeln, wenn diese missachtet wurden und hält nach wie vor an. Das hohe Engagement aller Beteiligten und der Wunsch das Beste für die Kinder zu erreichen, eint, trotz aller scheinbarer Widersprüche, die Bestrebungen. Viele haben ihren Weg gefunden und gestalten ihn nach dem Motto „Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah.“ Die Kinder scheinen sich meist gut in die jeweils getroffenen Regelungen, Abläufen und Maßnahmen einzufinden. Sie verhalten sich im Rahmen der Erfordernisse sehr verantwortlich und kooperativ. Die Anforderungen, die durch Personalengpässe und weitere Organisation entstehen, werden in gemeinsamen Anstrengungen kompensiert.
… soweit – so gut ….?

Entwicklungsrisiken werden sichtbar

Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung wurde zuerst von der gesamten pädagogischen Fachschaft als hohes Entwicklungsrisiko für die Kinder befürchtet und beschrieben, deren tatsächliche Auswirkungen erst in der Zukunft verbindlich erkennbar werden. Mittlerweile sind in der Umsetzung der Maßnahmen andere Entwicklungsrisiken zu erkennen, die sich jetzt schon im Verhalten der Kinder bemerkbar machen und beobachtbar sind.

Diese Risiken sind begründet in der großen Anpassungsleistung, die die Pandemie von allen Menschen erfordert und die dauerhaft zur Überforderung bei den Kindern führt. Die Kinder zeigen ihre Anpassungsleistungen in der hohen Kooperationsbereitschaft und in dem Bestreben Verantwortung in ihrem Entwicklungsspektrum zu übernehmen. Es äußerst sich beispielsweise in den Aussagen der Erwachsenen: „Die Kinder machen es so toll.“ oder „Die Kinder haben kaum Probleme sich auf die neue Situation einzustellen.“ bis zur Aussage „Die Kinder sind so brav.“ Während diese Sätze zunächst beruhigend wirken, wird es von einigen Pädagog*innen schon warnender formuliert: „Die Kinder nehmen Vieles nur noch hin.“ Sie beschreiben den Rückzug der Kinder im Explorationsverhalten bis hin zur Passivität. Ältere Kinder äußern zum Teil, dass sie sich ausgeschlossen oder einsam fühlen. Sie zeigen Ängste, wenn ihnen Regeln entfallen oder stellen ihre eigenen Bedürfnisse als „nicht so wichtig“ in Frage. Genauso beschreiben sie, dass die Kinder Sorge haben andere anzustecken oder angesteckt zu werden. Sie achten, unter Anstrengung, auf körperlichen Abstand und spielen für sich allein. Dieses beeinflusst erheblich ihren Spieldrang und ihr gemeinsames Lernerlebnis. Die Anzahl der Fragestellungen und Beratungen zum Umgang mit aggressivem Verhalten bei Kindern, das ein Ausdruck der Hilflosigkeit ist, ist gestiegen. Solche Aussagen müssen zum Nachdenken und Vordenken im präventiven Sinne anregen.
Für eine kurzfristige Ausnahme- oder Krisensituation ist die Anpassungsleistung eine positive Bewältigungsstrategie. Für eine langfristige Situation, wie sie im Moment besteht, weisen diese Aussagen darauf hin, dass die Kinder ihre entwicklungsbedingten Bedürfnisse im Ausdruck und der Befriedigung unterbinden. Die Folgen sind jetzt schon in Form von Folgsamkeit, Rückzug und Einschränkung der Selbstbestimmung sowie Regulationsschwierigkeiten beobachtbar. Die Grenze zwischen der entwicklungsangemessenen Anpassungsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft mit den erforderlichen Selbstregulationskompetenzen zu einer Bedürfnisaufgabe und dauerhaften Überforderung durch Fremdbestimmung und -steuerung über das erforderliche Maß hinaus ist fließend. Dieses stellt ein großes Entwicklungsrisiko für die Kinder da und wirkt massiv auf ihre Identitätsentwicklung und zukünftige Lebensgestaltung ein.

Deshalb ist es dringend erforderlich den Risiken und Folgen entgegenzuwirken. Dafür ist es notwendig, dass wir uns der Erlebensperspektiven der Kinder öffnen und unser pädagogisches Handeln daran zu orientieren. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist es sich den Perspektiven von Normalität anzunähern.

Sich den Erlebensperspektiven von Kindern (wieder) öffnen

Was nahezu alle Gespräche mit Erwachsenen eint, ist der Wunsch nach Normalität und die Erzählungen dazu, wieso die Situation unnormal sei. Genauso bestehen Beobachtungen, dass leichtfertig und unreflektiert Aussagen in Gegenwart von Kindern getroffen werden. Sie sind Ausdruck der eigenen Sorge und wohlgemeinten Fürsorge, wie z.B. „Das ist ja keine schöne Kindheit?“ oder „So eine Kindheit ist nicht normal.“ Aus diesem Ausdruck eigener Gefühle und Sorge müssen Fragen entstehen, wie z.B.:
  • „Welche Botschaft erhalten dabei die Kinder und wie beeinträchtigt die Perspektive der Erwachsenen das Wohlbefinden und den Prozess der Weltaneignung der Kin-der?“
  • „Welches Bild erfahren die Kinder zu ihrer Kindheit und Wahrnehmung?“
  • „Wie erfahren sich Kinder mit ihren Bedürfnissen in der Welt?“
  • Im Verhältnis zur Lebensdauer und -erfahrung ist die bestehende Situation der Pandemie für die Kinder keine Ausnahme oder Krise, sondern Normalität.

Zur Reflexion und Klärung helfen die Fragen „Was ist normal?“ und „Wodurch kennzeichnet sich Normalität?“ Es gibt verschiedene Versuche das Normale und Normalität zu definieren wie z.B. durch „Das Normale wird durch die Ausnahme bestätigt“ (Quelle unbekannt) oder „Normalität ist nur eine Frage des Konsens.“ (Paulo Coelho). Außerdem entsteht Normalitätserwartung und -beschreibung meist aus der Perspektive einer Mehrheit, bzw. der Dominanz/Privilegierung. Sie ist dadurch einem prozesshaften Wandel unterzogen und für einzelne Personen oder Gruppen unzutreffend. Mit dem Begriff der Normalität, bzw. des Normalen verhält es sich ähnlich wie mit dem Kulturbegriff. Es gibt keine einheitlich auf alle Menschen anwendbare Normalität. Es bedeutet weiterhin, auf die jetzige Situation bezogen, dass nach der bisherigen Dauer der Pandemie und deren Entwicklungsaussicht Normalität besteht.

"Was ist normal?"

Diese Grundannahme zeigt auf, dass sich die Beschreibung von Normalität durch individuelle Fragestellungen wie „Was ist für mich normal?“ und „Was sind meine Normalitätserwartungen?“ zu beantworten ist. Je nach Lebenserfahrung, Lebensdauer, Lebenssituation und der individuellen Perspektive auf die Welt fallen die Antworten unterschiedlich und äußerst vielfältig aus.

Genau in diesen Unterschiedlichkeiten liegen die besonderen pädagogischen Anforderungen in der jetzigen Zeit. Es besteht ein erhebliches Spannungsfeld zwischen der Normalitätsperspektive /-annahme von Kindern und Erwachsenen. Es drückt sich aus z.B. in den Aspekten von
  • der Wahrnehmung von Realität und deren Akzeptanz
  • Zufriedenheit und Wohlbefinden
  • Vermissen und Verlust

Für viele Erwachsene hat sich die Selbstverständlichkeit des Handelns und der Handlungsspielräume verändert. Sie erleben Einschränkungen und fühlen ein hohes Maß der Fremdbestimmung - Autonomie-Einschränkung. Darin liegt das Verlust-Vermissen-Empfinden begründet, das die Sehnsucht nach (gedachter) Normalität befördert.

Für Kinder ist der bestehende Rahmen die Realität, in der sie sich entwickeln. Es ist ihre Weltwahrnehmung, in der sie sich orientieren und die sie anerkennen. Je nach Entwicklung und Erfahrung bewegen sie sich innerhalb dieses Rahmens. Sie kooperieren, füllen ihn aus und später loten sie die Grenzen aus. Alles was sie tun ist für sie wertvoll, sinnerfüllt und erstrebenswert. Es dient ihrem Ziel die Welt, in der sie leben, zu begreifen und später selbstbestimmt darin zu agieren. Sie nehmen jeden Tag neugierig die Umwelt wahr und wollen sich darin verwirklichen. In diesem Lern-, Entwicklungs- und Reifungsprozess sind viele Erlebnisse und Eindrücke erstmalig und neu. Sie setzen sich von Mal zu Mal durch Wiederholung und Ergänzung zu einem Weltbild zusammen. Dieses ist Grundlage für Verhaltensmuster und Erwartungen. Die Wertschätzung, Anerkennung, Beschreibung ihrer Lernprozesse durch die Erwachsenen ermuntert sie in ihrem Forscherdrang und stärkt sie für die nächsten Entwicklungsaufgaben.

Diskrepanzen in der Weltwahnehmung von Kindern und Erwachsenen

Deshalb muss die Diskrepanz zwischen den Perspektiven der Weltwahrnehmung von Erwachsenen insbesondere von Pädagog*innen im professionellen Handeln reflektiert werden. Es bedeutet achtsam und feinfühlig mit den verschiedenen Botschaften der eigenen Lebenswirklichkeit umzugehen und sie auf die Lebenswirklichkeit und Bedürfnisse der Kinder in ihrer jeweiligen Entwicklung abzustimmen.
In der Verantwortung des Auftrags, den Pädagog*innen haben, drängen sich folgende Fragen auf:
  • „Was entsteht für die Kinder, wenn sie die Rückmeldung erhalten, dass das „was für sie gefühlt normal ist, unnormal sei?“.
  • „Welches Weltbild vermittelt sich ihnen?“
  • „Wie fühlen sie sich in der Welt?“
  • „Welche Bedeutung hat es für ihre Lernprozesse und Zukunft?“
  • „Welche Wirkung hat es in dem Bestreben von Autonomie und Verbundenheit?“

Reflexion anhand von zwei Beispielen konkreter Äußerungen

„Das geht jetzt nicht, das muss warten bis alles wieder normal ist.“
  • Diese Aussage beinhaltet die Annahme von „normal“ und „unnormal“, deren Einschätzung, wie schon beschrieben, perspektivisch ist. Je nach Entwicklung ist den Kindern die Einschätzung und der Vergleich unmöglich und steht im Widerspruch zu ihrer Weltwahrnehmung.
  • Außerdem beinhaltet die Aussage den Anspruch des Wartens und einer hohen Anforderung der Selbstregulation – seine Bedürfnisse zurückzustellen. Je nach Entwicklung erfassen die Kinder keine Zeitdimensionen oder benötigen zur Er-fassung konkrete Situationen, wie z.B. nach dem Essen. Somit ist das Warten und das Aufschieben von Bedürfnissen unbegreifbar. Das Bedürfnis allerdings besteht weiterhin und bleibt unerfüllt.
  • Eine „Nicht-Aussage“ bietet keine Grundlage die Möglichkeiten der Bedürfnis-befriedigung und Gestaltungsraum der Selbstbestimmung zu erkennen.
  • Diese Aussage vermittelt eine Entwertung des Bedürfnisses, da es scheinbar warten kann.

 „Wir können jetzt nur in diesem Zimmer spielen, aber das ist auch ganz schön.“
  • Das Wort „nur“ entwertet den Raum als Erfahrungs- und Erlebnisraum. Es sagt aus, dass ein anderer Raum schöner und wertvoller wäre. Das beeinflusst die Zufriedenheit des Kindes im Vorfeld seiner Tätigkeit und seines Empfindens dabei.
  • Das Kind erhält über das „aber“ eine Botschaft, dass sein Erleben unzu-reichend ist. Es enthält die Botschaft, dass es woanders schöner gewesen wäre. Dieses steht ggf. im Widerspruch zu seiner Wahrnehmung, Zufriedenheit und Erfüllung. Es entwertet durch die Rückspiegelung der Umwelt sein erleben.

Ähnlich wirken andere Worte, die in Vergleich setzen oder Verlust und Vermissen sowie Erwartungen ausdrücken, wie z.B. leider, jedoch, trotzdem, nicht, sonst, üblicherweise, anständig, normalerweise, eigentlich. Häufig werden diese Worte in Formulierungen miteinander verbunden, die die Wirkung verstärken.

Impulse zur Reflexion der Alltagsgestaltung auf Grundlage der Perspektiven der Kinder

Die Pandemie schafft einen anderen Zugang zu Themen, die in der Pädagogik Grundlagen der Handlungsorientierung sind. Sie eröffnet eine konzentrierte Reflexionsgrundlage und erfordert schnelle Umsetzung. Die Aspekte der Partizipation, des vorurteilsbewussten Handelns und Inklusion sowie der Stärkung der ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese. kompentenzen sind bei der Bearbeitung und Weiterentwicklung der Gestaltung unterstützend. Die Werte, die das Verständnis der Kinderrechte, Partizipation, inklusiven Pädagogik und offenen Konzeption tragen, sind uneingeschränkt im bestehenden Rahmen der Maßnahmen umzusetzen. Die Strukturen sind dementsprechend anzupassen.

Die Bestrebungen und Ideen den Kindern einen angenehmen bildungsorientierten Alltag zu bieten, sind in den Monaten mit vielen kreativen Ideen ausgestaltet worden. Es wurden neue Abläufe gefunden, Prozesse wurden angepasst und auch wesentliche (gesellschaftliche) Rituale haben ihre Form gefunden. Berichte von Kitas geben Rückschlüsse darauf, dass die veränderten Umgangsweisen für alle Beteiligten zur Weiterentwicklung der Qualität geführt haben. Bei allen Veränderungen in der Reflexion und Planung standen folgende Fragen im Mittelpunkt:
  • „Was ist uns für die Kinder wichtig?“
  • „Was ist den Kindern wichtig?“
  • „Welche Möglichkeiten der Gestaltung bestehen im vorgegeben Rahmen?“
  • „Wie kann es gelingen?“
Dieses Vorgehen führte zu gelingenden Situationsgestaltungen, die sich an den Zielen orientierten und ist für schnelle Entscheidungen sinnvoll und wichtig. Nun muss für einen sicheren Orientierungsrahmen gesorgt werden, der belastbare Stabilität ermöglicht.

Selbst- und Teamreflexion als Schlüssel

Wie in den anderen Artikeln zum pädagogischen Umgang mit den Infektionsschutzmaßnahmen, die im Rahmen der Pandemie entstanden sind, ist die Selbstreflexion und Teamreflexion der Schlüssel, um die Anforderungen der pädagogischen Alltagsgestaltung zu bewältigen. Aufgrund der zu erwartenden anhaltenden Pandemiesituation sowie der daraus folgenden und sich dynamisch entwickelnden Vorgaben ist die Fortführung der Reflexionen und Anpassungen im pädagogischen Alltag notwendig. Die Impulsfragen zur Selbst- und Teamreflexion der vorhergehenden Texte des pädagogischen Leitfadens sind weiterhin berechtigt. Einige werden hier wiederholt. Der Fokus der Reflexionen hat sich in der Entwicklung der Pandemie und momentanen Beobachtungen verändert und besteht im Moment in der

Reflexion der empfundenen Fremdbestimmung und der Möglichkeit Selbstbestimmung zu erlangen, um Zufriedenheit zu entwickeln
  • „Welche Einschränkungen/Vorgaben bestehen unumstößlich?“
  • „Welche Einschränkungen sind individuell assoziiert und bieten andererseits real Gestaltungsraum?“
  • „Welche selbstbestimmten Gestaltungsräume bestehen im fremdbestimmten Rahmen der Vorgaben?“
  • „Wobei neige ich dazu die gefühlte Fremdbestimmung auf die Kinder zu über-tragen durch Hinweise und Anweisungen?“
  • „Bei welchen alltäglichen Handlungen schränkt mein Sicherheitsbedürfnis die Selbstbestimmung der Kinder im möglichen Gestaltungsrahmen ein?“
  • „Inwiefern negiere ich dadurch die Bedürfnisse der Kinder und unterbinde de-en Ausdruck?“
  • „Was macht mich in der pädagogischen Arbeit zufrieden?“
  • „Wie kann ich im bestehenden und erforderlichen Rahmen diese Zufriedenheit erlangen?“
  • „Inwieweit ist mir bei der Umsetzung der besehenden Vorgaben mein gesetzlicher pädagogischer Auftrag bewusst?“
  • „Welche Verantwortung erkenne ich und kann ich ausfüllen?“

Auseinandersetzung mit der Anerkennung der Situation als Normalität für die Kinder bedeutet im Sinne der

  • Haltung
Die jetzige Lebenssituation ist für die Kinder Realität und Basis ihrer Entwicklung. Deshalb erfolgt auf ihre Bedürfnisse prompte Reaktion, vorbehaltlose Anerkennung und Raum zur Befriedigung. Diese Prozesse werden entwicklungsangemessen, partizipativ und dialogisch gestaltet. In der Beteiligung der Kinder ist davon auszugehen, dass sie verantwortungsvoll für sich selbst und andere Handeln. Sie treffen entwicklungsangemessene Entscheidungen und werden dabei achtsam und feinfühlig begleitet. Die Selbstbestimmung der Kinder steht im Vordergrund und die Fremdbestimmung ist auf ein Minimum zu reduzieren. Der zu Verfügung stehende Handlungsrahmen wird informativ und transparent dargestellt sowie die Ausgestaltung gemeinsam entwickelt.

  • Interaktion
Die interaktiven Prozesse sind kindzentriert und orientieren sich an ihrer Entwicklung. Es steht für die feinfühlige, achtsame und bewertungssensible Interaktion ausreichend Zeit zur Verfügung. Die Themen der Kinder stehen im Vordergrund und bieten Orientierung für die pädagogischen Gestaltungen. Die Kinder nehmen sich als kompetent und selbstwirksam wahr.

  • Struktur
Die zu entwickelnde Struktur orientiert sich im bestehenden Rahmen an den Bedürfnissen und Entwicklungsthemen/-aufgaben der Kinder. Die Kinder sind bei der strukturellen Entwicklung entwicklungsangemessen einbezogen. Die Struktur ermöglicht Autonomie und Selbstbestimmung der Kinder. Strukturelle Begrenzungen und Fremdbestimmung sind lediglich in einem absolut erforderlichen Rahmen vorhanden.

Es erfordert anhaltende Reflexionsräume für Erwachsene zu gestalten um folgende Themen zu vertiefen:

Bewertungssensible Kommunikation der Situation und des Rahmens
  • „In welcher Form drückt sich meine empfundene Abwertung und mein empfundenes Unwohlsein der bestehenden Situation gegenüber den Kindern aus?
  • „In welcher Form ist es möglich die Entwicklungsprozesse der Kinder wertschätzend zu kommunizieren?“
  • „Wie erreiche ich Bewusstsein für eine wertungsbewusste Beschrei-bung der Vorgänge?“
  • „Wie stärke ich die Kinder durch Interaktion in dem Wert ihrer Entwick-lungsprozesse in ihrer Lebenswirklichkeit?“
  • „Wie gelingt es mir die Situation ohne Bewertung zu beschreiben?“

Chancen erkennen und positiv gestalten
  • „Welche Veränderungen aufgrund der Situation betrachte ich als posi-tiv?“
  • „Was daran sind die positiven Aspekte?“
  • „Was kann ich daraus für andere Situationsgestaltungen lernen und übertragen?“

Gewohnheiten verabschieden sowie Bewahrenswertes prüfen und erhalten
  • „Welche Rituale und Gewohnheiten waren bisher belastend?“
  • „Worin bestand die Belastung?“
  • „Wieso hatten die Rituale und Gewohnheiten Bestand?“
  • „Was aus diesen Ritualen und Gewohnheiten ist sinnerfüllend und sollte beibehalten werden?“
  • „Wie kann es im jetzigen Rahmen sinnerfüllend gestaltet werden?“

Gestaltung des Rahmens mit den Kindern und in deren Sinne
  • „Wie sind die Kinder in der Gestaltung der bisherigen Umsetzung der Vorgaben einbezogen?“
  • „Wie wurden die Kinder zu ihren Ideen sowie Lösungsvorschlägen gefragt und gehört?“
  • „Welche Ideen haben die Kinder eingebracht?“
  • „Welche Ideen haben wir davon umgesetzt und mit ihnen weiterentwickelt?“
  • „In welchen Situationen neige ich/wir dazu den Kindern Vorschriften zu machen?“
  • „Wie können wir die Beteiligung der Kinder entwicklungsangemessen gestalten und weiterentwickeln?“
  • „Woran kann ich/wir erkennen, dass die Kinder sich beteiligt fühlen?“
  • „In welchen Verhalten drückt sich aus, dass die Kinder beteiligt werden wollen?“
  • „Was ist notwendig, damit sich die Kinder an der Ausgestaltung des Rahmens beteiligen?“

Diese Reflexionen umfassen für alle Beteiligten Aspekte der Resilienz- und TransitionsforschungTransitionsforschung|||||Der Begriff Transition wird generell für Übergange des menschlichen Lebens zum Wechsel eines sozialen Statuses in einen anderen verwendet. In der frühkindlichen Bildung wird von Transition hauptsächlich gesprochen beim Übergang von Krippe in die KiTa oder von KiTa in die Grundschule. Transitionsforschung beschäftigt sich mit den zu erforschenden Gegebenheiten dieser individuellen Übergänge.. Sie beinhalten als Gelingensfaktoren für die Gestaltung und Bewältigung von Veränderungen/Übergängen sowie Krisen die Stärkung und Weiterentwicklung der
  • Selbst- und Fremdwahrnehmung durch angemessene Selbsteinschätzung und Informationsverarbeitung
  • Selbstwirksamkeit und Selbstwirksamkeitserwartungen mit wachsender Überzeugung Anforderungen beherrschen und meistern zu können
  • Selbststeuerung durch Regulation von Gefühlen und Erregung
  • Problemlösekompetenz durch Entwicklung von allgemeinen Strategien zur Analyse von Problemen
  • sozialen Kompetenz durch Unterstützung holen und erhalten sowie der Selbstbehauptung bei Konfliktlösung
  • Stressbewältigung durch die Realisierung vorhandener Kompetenzen in der Situation
  • kognitive Flexibilität im Sinne der kreativen Umstellungsfähigkeit durch die Entwicklung von alternativen Handlungsoptionen, die der Bedürfnisbefriedigung entgegenkommen


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