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Inklusion in elementar-pädagogischen Einrichtungen

Jeder Wandlungsprozess braucht Zeit, positive Ergebnisse und eine große Offenheit seitens der Umsetzerinnen und Umsetzer. Das ist beim Thema Inklusion nicht anders. Es geht um eine Veränderung der Grundhaltung (vgl. Groschwald & Rosenkötter 2015, S. 7), um einen anderen Blickwinkel, eine andere Arbeitsweise – und dies nicht nur für einzelne Personen. Inklusion ist immer ein Thema für das gesamte Team, ein Prozess, der oft schwierig und langwierig ist.

Krippen und Kindergärten sind Orte der Vielfalt, denn sie sind so vielfältig wie die Kinder, die sie besuchen, und so vielfältig wie die pädagogischen Fachkräfte, die in ihnen arbeiten. Was inklusive Pädagogik in elementarpädagogischen Einrichtungen bedeutet und wie eine solche Erziehung, Betreuung und Bildung umgesetzt werden kann, wird in diesem Beitrag dargestellt.

Vielfalt und Unterschiedlichkeit werden in Krippe und Kita zunehmend als Normalität angenommen. Im Zentrum der pädagogischen Arbeit steht dabei die Individualität eines jeden Kindes – ganz unabhängig von der Zuordnung zu den verschiedenen Heterogenitätskategorien (Alter, biologisches Geschlecht, kultureller, religiöser, sprachlicher, sozialer oder gesundheitlicher Hintergrund).

Um inklusives Handeln umsetzen zu können, kommt es darauf an, als Team zu arbeiten, neue Aufgaben und Ziele zu definieren und gemeinsam die notwendigen Veränderungen zu gestalten. Auf dem Weg dorthin müssen eventuell Strukturen, Abläufe und Arbeitsweisen, die bis dato Gültigkeit hatten, angepasst oder sogar völlig neugestaltet werden. Widerstände sind hier oft vorprogrammiert.

Es gilt, diesen offen zu begegnen, um gemeinsame Lösungsansätze finden zu können. Bei der Umsetzung ist wichtig, regelmäßig zu prüfen, ob der angestrebte Weg richtig ist und wo unter Umständen Korrekturen notwendig werden. Das Miteinbeziehen aller Fachkräfte sowie eine gute, offene und wertschätzende Kommunikation bilden eine wesentliche Voraussetzung, um die gesteckten Ziele erreichen zu können.

Vielfalt als Normalität in der Kindergruppe

Ein solches Konzept setzt an den individuellen Bedürfnissen eines jeden Kindes aufgrund seiner jeweiligen Eigenschaften, Besonderheiten und Zugehörigkeiten an und basiert auf dem Gedanken, dass jedes Kind in seiner Person eine Vielfalt von individuellen Merkmalen und einen ganz eigenen individuellen Entwicklungsstand hat.
Kinder benötigen also Fachkräfte, die sich auf ihre Bedürfnisse einstellen. Darüber hinaus brauchen sie aber auch andere Kinder, sie brauchen Gelegenheiten zu gemeinsamen Aktivitäten, und sie benötigen Räume und Spielmaterialien, die ihnen eine eigenaktive und selbstbestimmte Gestaltung des Kindergartenalltags ermöglichen.

Anforderungen an inklusiv arbeitende Fachkräfte

Die pädagogischen Fachkräfte stellen den Dreh- und Angelpunkt dar, wenn es darum geht, Inklusion in der täglichen Arbeit zu verwirklichen. Ihre eigene Haltung, die auf ihren Zielen, Ideen, Hoffnungen, Ängsten, Vorurteilen, Erwartungen und Erfahrungen beruht, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Diese Haltung ist geprägt durch die elementaren Werte, Normvorstellungen und Einstellungen eines Individuums und bestimmt ganz maßgeblich das subjektive Denken und Handeln.
Deshalb ist es gerade für pädagogische Fachkräfte wichtig, die eigene Haltung immer wieder zu reflektieren und kritisch zu hinterfragen. Eine mögliche Arbeit an der eigenen Haltung kann über einen biografischen Ansatz erfolgen, in dem sich pädagogische Fachkräfte auch mit ihrer eigenen Biografie auseinandersetzen und gemachte Erlebnisse und Erfahrungen kritisch reflektieren.

In keinem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sind die Anforderungen an die Fachkräfte so deutlich formuliert worden wie in der Kindertagesbetreuung. Die §§ 22 ff. SGB VIII nennen neben den Grundaufgaben der Erziehung, Bildung und Betreuung auch die Elternarbeit, die Konzeptentwicklung, die Umsetzung von Evaluationsverfahren, die Vernetzung im Gemeinwesen und die intensive Kooperation mit den Grundschulen. Darüber hinaus soll geschlechtersensibel, interkulturell kompetent und partizipationsorientiert und (seit neuestem) inklusiv gearbeitet werden.

In Bezug auf die inklusive Pädagogik gelten alltagsintegrierte Sprachbildung und -förderung, Dokumentation von individuellen Entwicklungsverläufen und Aktivitäten als selbstverständlich. Zudem wird von den elementarpädagogischen Fachkräften die Fähigkeit zur speziellen und gemeinsamen Förderung und Betreuung von Kindern mit Behinderung verlangt. Um diese vielfältigen Aufgaben des Bildungs- und Erziehungsauftrags kompetent meistern zu können, brauchen pädagogische Fachkräfte im Elementarbereich vielfältige Kompetenzen, sowie eine offene, reflektierende und die Verschiedenheit akzeptierende Haltung (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 2015, S. 11).

Um Vielfalt als Normalfall ansehen zu können, gilt es laut Fritzsche/Schuster, das eigene Arbeitsfeld mit einer Antidiskriminierungsbrille und einer Inklusionsbrille zu betrachten, diskriminierungsanfällige Bereiche und Ungerechtigkeiten zu erkennen, zu benennen und eindeutig Position gegen Diskriminierung zu beziehen. Die Antidiskriminierungsbrille hilft, Benachteiligung zu erkennen; durch die Inklusionsbrille werden Möglichkeiten für die Teilhabe aller sichtbar (vgl. Fritzsche & Schuster 2009, S. 22). Denn: „Die in der Kindertageseinrichtung tätigen Fachkräfte sind der Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, Inklusion zu verwirklichen. Ihre Persönlichkeit, ihre Haltung, ihre Kenntnisse und ihre Interventionen beeinflussen maßgeblich die Umsetzung und das Gelingen inklusiver Prozesse in der Kindergruppe“ (Nowak 2013, S. 5). Die Rolle, die pädagogische Fachkräfte gerade im frühkindlichen Bereich einnehmen, ist von zentraler Bedeutung für die Kinder.

Inklusive Grundhaltung

Inklusion beruht auf der „Anerkennung der Besonderheit eines jeden Menschen, der Mehrfachzugehörigkeit eines Menschen, der Anerkennung der Tatsache, dass bestimmte Gruppen eher gefährdet sind, Barrieren zu erfahren, als andere“ (Groschwald & Rosenkötter 2015, S. 11). Natürlich benötigen pädagogische Fachkräfte Wissen über Grundbedürfnisse und Entwicklungsbedingungen von Kindern in den ersten Lebensjahren sowie über kindliche Bildungsprozesse, Individualisierung und Förderung (vgl. Nowak 2013, S. 6). Darüber hinaus müssen sie sich auch immer wieder mit ihrer Grundhaltung im Beruf, den Kindern und den Familien gegenüber auseinandersetzen:
Welche Rolle möchte ich im Alltag der Kinder und ihrer Eltern spielen?
  • Mit welcher Zielstellung möchte ich die Interaktionen mit den Kindern und mit den Familien gestalten?
  • Welche Einstellung habe ich zu den Fähigkeiten und Stärken von Kindern mit Behinderung?

Unsere von Geburt an entwickelte Haltung ist immer geprägt durch Werte und Normen, die uns in Sozialisations-und Erziehungsprozessen vermittelt wurden. „Allgemein lässt sich Haltung beschreiben als elementare Werte, Normvorstellungen und Einstellungen eines Individuums, die maßgeblich das subjektive Denken und Handeln mitbestimmen. Sie werden im Laufe des Sozialisationsprozesses erworben und entwickelt. Bereits gereifte Haltung kann durch intensive Reflexion und Auseinandersetzung mit sich und seiner Umwelt neu verhandelt und modifiziert werden“ (GEW 2017, S. 7).

Die Haltung besteht aus „Lernerfahrungen, also aus Theoriewissen, aus Berufserfahrungen und ihrer Verarbeitung, vor allem auch im Miteinander der Arbeit im Kollegenkreis“ (GEW 2017, S. 10). Haltung entwickelt sich auch durch die verschiedensten positiven und negativen Erfahrungen, durch Konflikte oder auch durch Erlebnisse. All das hat uns letztendlich zu dem gemacht, der wir heute sind.

„Inklusive Bildung ist geprägt von einem Bildungskonzept, welches die unterschiedlichen Ausgangslagen und Lebensverhältnisse der Kinder berücksichtigt, ohne zu stigmatisieren oder zu verurteilen. Es braucht also Konzepte (und Methoden), die nicht nur das individuelle professionelle Handeln im Blick haben, sondern auch die Mehrfachzugehörigkeit der Kinder und ihrer Familien berücksichtigen und darauf eingehen“ (Groschwald & Rosenkötter 2015, S. 28).

Deshalb stellt inklusives Arbeiten das Kind mit seiner Mehrfachzugehörigkeit und seinen individuellen Voraussetzungen, Ressourcen und Bedürfnissen in den Mittelpunkt (vgl. Sulzer 2017, S.14). Das bedeutet auch, dass bisherige Abläufe, Strukturen, genutzte Methoden und das Einrichtungskonzept auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Dabei kann es keine allgemein gültigen Rezepte geben, denn sowohl die Kinder in den Einrichtungen sind verschieden, als auch die dort tätigen Personen, die Umgebung und die Wünsche des Trägers.
Pädagogische Fachkräfte verfügen über ein mehr oder weniger großes Repertoire an pädagogischen Maßnahmen, an Methoden und Konzepten, mit deren Hilfe sie ihre herausfordernde Arbeit gestalten.

Wichtig ist es, den eigenen „Methodenkoffer“ – ähnlich wie einen Werkzeugkoffer – regelmäßig durchzuschauen, ob noch alle Methoden einsetzbar, sinnvoll, komplett und funktionsfähig sind. Denn im Laufe der Jahre können sich bisher genutzte Methoden als weniger sinnvoll oder (durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse) als überholt und unpraktisch erweisen.

Das Kind im Mittelpunkt

Jedes Kind hat das Recht, in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen zu werden. Um dieses Recht umsetzen zu können, sind neue Methoden notwendig. Eine dieser Methoden ist die Individualisierung. Individualisierung bedeutet, „Aktivitäten zu planen und umzusetzen, die die Interessen und Vorlieben des Kindes aufgreifen. Hierzu ist es erforderlich, die Fähigkeiten und den Unterstützungsbedarf des einzelnen Kindes zu beobachten, individuelle Förderziele im Gruppenteam festzulegen und zu überlegen, welche Aktivitäten im Gruppenalltag und welche pädagogischen Strategien sich für die Förderung eignen“ (Nowak 2013, S. 7).

Bei der Individualisierung geht es darum, das eigene pädagogische Handeln auf das jeweilige Kind und seine individuellen Fähigkeiten und Interessen abzustimmen und dabei seine Bedürfnisse und jeweiligen Hilfebedarfe zu erkennen. Solche individualisierten Angebote sollten alltagsintegriert stattfinden, denn „Lerngelegenheiten bieten sich im Gruppengeschehen und im Spiel“ (Nowak 2013, S. 7). Eine eventuell erforderliche zusätzliche Unterstützung erhält das jeweilige Kind in diesem Fall wie nebenbei.

Individualisierung erfordert von der pädagogischen Fachkraft eine klare Orientiertheit am Kind, an seinen Ressourcen und seinem individuellen Tempo. So gibt es Kinder, die mehr Zeit oder Wiederholungen benötigen, Kinder, die gerne etwas ausprobieren und in allem immer die Ersten sind, sowie Kinder, die zuerst einmal viel Zuspruch oder auch eine intensive Begleitung brauchen, um sich einen Schritt vorzuwagen. Diese jeweiligen Bedarfe des Kindes zu erkennen und in das pädagogische Handeln einzubeziehen, ist besonders wichtig.

Binnendifferenzierung – auch im Elementarbereich

Eine Methode, individualisiert und ressourcenorientiert zu arbeiten, stellt die Binnendifferenzierung dar. Hierbei geht es um eine Kleingruppenbildung, die nicht durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Heterogenitätskategorie definiert wird, sondern vielmehr „aufgrund ähnlicher oder sich ergänzender Interessen und Kompetenzen“ (Kobelt Neuhaus 2017, S. 39).

Ziel der Binnendifferenzierung ist es, Ressourcen zu erkennen und an Stärken und Kompetenzen anzusetzen. So kann das Kind Erfolgserlebnisse genießen und Wissen ausbauen. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass Kinder über diese Erfolgserlebnisse bisher erlebte Ausgrenzung durch „Nichtkönnen“ kompensieren können. Sie haben so die Chance, Selbstbewusstsein aufzubauen und damit das Gefühl „Ich schaffe das schon“.

Der Begriff „Binnendifferenzierung“ ist ein Sammelbegriff für didaktische, methodische und organisatorische Maßnahmen, um innerhalb einer Kindergruppe über einen kurzen Zeitraum hinweg Kinder in einer (leistungs- und interessen-)homogeneren Kleingruppe zu unterstützen. Binnendifferenzierung kann im Alltag von Krippe und Kindergarten durch zwei Schwerpunktsetzungen erfolgen: thematische und methodische Binnendifferenzierung (vgl. Kobelt Neuhaus 2017, S. 39 f.).

Bei der thematischen Binnendifferenzierung bieten pädagogische Fachkräfte Räume zu unterschiedlichen Themen an: Bastel- /Experimentierraum, Tanz-/Schauspielraum, Turnraum, Werkstatt etc. In Krippen findet diese thematische Differenzierung häufig in verschiedenen Ecken eines Raumes statt (Kuschelecke, Bauecke etc.). Gerade in offen arbeitenden Einrichtungen wird diese Form der Binnendifferenzierung bereits sehr häufig eingesetzt. In Einrichtungen, die partizipativ arbeiten und Kindern ein Mitspracherecht einräumen, orientieren sich diese Räume an den Wünschen und Interessen der Kinder. Die Schaffung und Gestaltung von Funktionsräumen ermöglicht es den Kindern, nach ihren individuellen Interessen zu handeln, zu spielen und sich zu bilden. Wichtig ist, darauf zu achten, dass Kinder auch in diesen Funktionsräumen die Aktivitäten in ihrem eigenen Tempo durchführen könnten.

Bei der methodischen Binnendifferenzierung findet die Differenzierung durch die jeweilige methodische Herangehensweise – abgestimmt auf die Kompetenzen der Kinder – statt. Darüber hinaus sollten pädagogische Fachkräfte auch bei der Gestaltung von Raum und Lernumgebung die Vorgaben der inklusiven Pädagogik beachten. Im Folgenden wollen wir uns daher mit der inklusiven Einrichtung beschäftigen.

Die inklusive Einrichtung – Räume und Spielmaterialien

„Kindertageseinrichtungen sollten so gestaltet sein, dass sie im Rahmen der Inklusion für alle Kinder eine förderliche und anregende Umgebung bieten“ (Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung 2010, S. 4). In der Pädagogik ist es mittlerweile unumstritten, dass die Lernumgebung einen ganz besonders großen Einfluss auf die Bildungsprozesse von Kindern hat. Räume können Möglichkeiten eröffnen oder Möglichkeiten begrenzen. Räume, in denen sich Kinder wohlfühlen und sich gemeinsam oder auch mal allein beschäftigen können, in denen sie Neugier entwickeln und Spielideen kreieren, geben Kindern die Chance, sich umfangreich zu entfalten.

Räume für Kinder werden meist lichtdurchflutet und farbig gestaltet. In inklusiv gestalteten Räumen stehen den Kindern neben den typischen Möbeln (Tische, Stühle, Schränke etc.) oft auch Höhlen, Podeste, Sessel oder Kuschelliegen, spezielle Bau-, Kuschel-, Träum- und Leseecken zur Verfügung. So können sie ihren jeweiligen Vorlieben nachgehen oder neue Interessen entwickeln.

Daneben orientieren sich Raumangebot und Ausstattung inklusiver Kindertageseinrichtungen an pflegerischen und therapeutischen Aufgaben der Fachkräfte, was eine pädagogische Differenzierung und Kleingruppenarbeit ermöglicht (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband 2015, S. 33). Neben einer vorgegebenen Raumgröße und dem gesetzlich verankerten Lärmschutz stellt die inklusive Pädagogik zusätzliche Anforderungen wie z.B. barrierefreie Zugänge auch zu Nischen- und Rückzugsplätzen oder auch behindertengerechte Sanitäranlagen.

„Die Räume sollen für die Kinder Begegnungs-, Erfahrungs- und Lernbereiche bieten, die zum einen generellen entwicklungsspezifischen Aspekten entsprechen und zum anderen dem aktuellen Entwicklungsstand und den Bedürfnissen der einzelnen Kinder gerecht werden“ (Nowak 2013, S. 9). Gerade die Möglichkeit, auch mal allein spielen zu können, genießen Kinder sehr. Allerdings muss es auch immer Spielangebote geben, an denen sich mehrere Kinder beteiligen können. Nowak weist darauf hin, dass „die Verfügbarkeit von Spielzeug und Material, das zu sozialen Aktivitäten einlädt, einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die aktive soziale Beteiligung von Kindern mit Behinderung in der Gruppe“ hat (Nowak 2013, S. 10).

Durch Schaukeln oder Liegen in der Hängematte, durch Balancieren über eine Schräge, das Hochklettern an einer Sprossenwand oder das Springen auf dem Trampolin kann ein Kind seine Körpersinne ausprobieren und fördern – mit und ohne Unterstützung, je nach den eigenen körperlichen Voraussetzungen. Entsprechende Ausstattung wie schiefe Ebenen und Deckenhaken zur Aufhängung von Hängematten oder Schaukeln sollten in jedem Gruppenraum, im Neben- oder Bewegungsraum vorhanden sein und von den Kindern täglich genutzt werden können. „Fachkräfte in Tageseinrichtungen können sich durch Ergotherapeut-(inn)en fachkompetent hinsichtlich der Raumausstattung beraten lassen“ (Nowak 2013, S. 11).

Eine weitere wichtige Voraussetzung, damit sich alle Kinder in der Gruppe wohl und zugehörig fühlen können, ist eine Umgebung, in der sich jedes Kind wiederfinden kann. Kinder sind bereits in frühen Jahren sensibel dafür, ob ihre Lebenswelt, ihre Familie, ihre Sprache und Kultur ihren Bezugspersonen als richtig und wichtig erscheint oder nicht. Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften iaf e.V. Nordrhein-Westfalen hat bereits Anfang der 2000er-Jahre in seiner Veröffentlichung „WeltkinderSpiele“ darauf hingewiesen, dass die fehlende Repräsentanz von Menschen, Kulturen und Sprachen, die nicht der Mehrheitsgesellschaft angehören, in Gruppenräumen die üblichste Form der Diskriminierung ist (vgl. Leisau 2010).

Eine Möglichkeit, alle Kinder zu repräsentieren, sind die „Das-bin-ich“-Bücher, die die Kinder gemeinsam mit ihren Eltern gestalten können. Das könnten z.B. A4-Blätter sein, die in der Mitte gefaltet und mit einem Band zusammengehalten werden. Die einzelnen Seiten können dann von Kindern und Eltern ganz individuell mit Bildern und kleinen Geschichten gestaltet werden.

Eine andere Möglichkeit ist eine „Das-sind-wir“-Wand im Gruppenraum, die mit Hilfe von Bildern und kleinen Erzählungen zeigt, wie die Kinder aufwachsen, was ihnen und ihrer Familie wichtig ist und was sie im Kindergarten erleben. Hier sollte sich die große Vielfalt wiederfinden, die es in der Einrichtung gibt: Kinder und Erwachsene jeden Geschlechts, mit verschiedenen Haut-/ Haarfarben, Kinder mit und ohne Behinderung bei verschiedenen Aktivitäten. Für diese „Das-sind-wir-Wände“ können Korkplatten in Augenhöhe der Kinder angebracht werden, an die die Bilder und Geschichten dann angepinnt werden.

In Einrichtungen, die von vielen Kindern mit Migrationshintergrund besucht werden, können sich durch einen mehrsprachigen Willkommensgruß, das Anbringen einer Weltkarte mit Stecknadeln oder Fähnchen in den Herkunftsländern der Familien oder auch durch das Basteln von verschiedenen Fahnen, die das Herkunftsland der Familien repräsentieren, alle Kinder und Familienangehörige willkommen und dazugehörig fühlen.

In der Verkleidungsecke finden sich farbenfrohe Tücher aus Indien, Stoffe und Kleidungsstücke aus verschiedenen Ländern, im Kaufmannsladen gibt es die unterschiedlichsten Produkte und in der Puppenecke finden sich verschiedene Puppen, ein russischer Samowar oder türkische Teegläser.

Daneben kann auch ein Elterncafé oder eine Elternecke einladend wirken und Kontakte zwischen den Familienangehörigen entstehen lassen. Hier können Materialien wie Flyer in verschiedenen Sprachen oder mehrsprachige Informationen über vergangene und bevorstehende Veranstaltungen angeboten werden.

Inklusive Spielmaterialien

Im Rahmen der inklusiven Pädagogik sollten die verschiedenen Spiel- und Lernmaterialien so gewählt werden, dass sie „die Entwicklung aller Kinder frühzeitig anregen und fördern“ (Nowak 2013, S. 10). Dies trifft zum Beispielauf Materialien zu, die die Entwicklung der Körpersinne (Tastsinn, Tiefensensibilität und Gleichgewichtssinn) ansprechen und hierdurch die Ausbildung aller weiteren Kompetenzen unterstützen (vgl. Nowak 2013, S. 11).

Für Kinder ist es von großer Bedeutung, dass sie mit unterschiedlichen Materialien umgehen und diese erforschen können, z.B. Rasierschaum, Sand, Matsch, Kleister und Bohnen. Wenn Kindern verschiedene Kästen mit den unterschiedlichsten Materialien angeboten werden, haben sie die Chance hineinzugreifen, darin „rumzupanschen“, Materialien zu vermischen und zu spüren, ob und wie sich Materialien verändern, wenn man sie auf den Armen verteilt oder zwischen den Händen verreibt. Dadurch wird die Tiefensensibilität angesprochen. Diese Tiefensensibilität wirkt auf die tieferen Hautschichten, Muskeln und Gelenke. Zu solchen Erfahrungen führt z. B. auch das „Baden“ im Kastanien- oder Bällebad.

Für Kinder ist es darüber hinaus wichtig, dass sie Einrichtungsgegenstände sowie Spiel- und Lernmaterialien finden, die an ihre Lebens- und Erfahrungswelt anknüpfen und die eben nicht nur Aussehen, Sitten und Gebräuche der „gesunden“ Mehrheitsgesellschaft repräsentieren. Allerdings demonstrieren viele Puppen, aber auch die Akteure in Bilderbüchern oder die Stifte, die als Hautmalfarben benutzt werden können, häufig noch den Typus der Mehrheitsgesellschaft – nämlich den des hellhäutigen Westeuropäers – und in der Regel ohne Behinderung. Daneben sind in der Regel auch die üblichen Gegenstände des Alltags (z.B. der Kaufmannsladen mit seinen Gütern und die Gestaltung der Puppen-oder Bauecke) zumeist Nachbildungen der Mehrheitsgesellschaft.

Übrigens: Das Wohlbefinden der Kinder, ihre Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, etwas auszuprobieren, hängt ganz entscheidend davon ab, wie angenommen, wie sicher und geborgen sie sich fühlen. Daher ist es im Zuge einer inklusiven Pädagogik von großer Bedeutung, die eigene Einrichtung, das Spielmaterial und die Lernumgebung dahingehend zu überprüfen, ob jedes Kind sich wiederfinden kann und kein Kind ausgegrenzt wird oder sich ausgegrenzt fühlt. Deshalb ist es wichtig, dass pädagogische Fachkräfte immer wieder kritisch auf die eigene Einrichtung und die Raumgestaltung sowie auf die angebotenen und genutzten Spiel- und Lernmaterialien schauen.

Zusammenfassung

Inklusive Pädagogik erfordert ein Umdenken. Das Kind mit seinen jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten, mit seinen Stärken und Schwächen steht im Mittelpunkt – sowohl auf der Ebene des pädagogischen Handelns als auch bei der Raumgestaltung und der Auswahl von Spiel- und Lernmaterialien. Bisher verwendete Methoden, Prinzipien und Strukturen im Tagesablauf müssen kritisch betrachtet werden, ob sie wirklich dazu geeignet sind, alle Kinder ressourcenorientiert einbeziehen zu können. Individualisierung der Arbeit und Binnendifferenzierung in Bezug auf Themen und Methoden (ausgehend immer vom Kind und seiner Lebenswelt) hat in der inklusiven Pädagogik eine zentrale Rolle. Eine genauso wichtige Rolle spielen die vorurteilsbewusste Erziehung, die sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung richtet, und die Partizipation, die die aktive Teilhabe aller Kinder ermöglichen soll.

Ebenso wie die bisher genutzten Methoden und Arbeitsweisen überprüft werden müssen, steht auch die Einrichtung mit ihren Räumen und Spielmaterialien im Fokus, denn die Lernumgebung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Eigenaktivität und Selbstwirksamkeit der Kinder. Alle Kinder haben ein Recht darauf, Räume und Spielangebote problemlos und selbstständig nutzen zu können und sich und ihre Lebensweise auch in der Raumgestaltung und im Spielmaterial wiederzufinden – nicht ausgegrenzt zu werden. Pädagogische Fachkräfte sind aufgefordert, mit kritischem Blick auf die Einrichtung Barrieren ausfindig zu machen und – wo immer es möglich ist – zu beseitigen (vgl. z.B. Albers 2017).


LITERATUR


Übernahme des Beitrags mit freundlicher Genehmigung aus
frühe kindheit 4-2020, S. 38-43


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