Gewaltfreie Erziehung in der KiTa

Kein Kind darf in der Ecke stehen!

Inhaltsverzeichnis

  1. Gewalt im Kitaalltag
  2. Seelische Verletzungen
  3. Folgen von gewaltvollem Handeln
  4. Schlüsselsituationen für Gewalt
  5. Wie entsteht gewaltfreie Erziehung?
  6. Reflexionsfragen zu Schlüsselsituationen
  7. Literatur

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Co-Autorin: Sandra Frisch


Die »goldene Regel« der Gewaltfreiheit
Hinterfragen Sie Ihr pädagogisches Handeln danach, was es bei Ihnen auslösen würde, wenn jemand so mit Ihnen umgehen würde, wie Sie es mit den Kindern tun.


Kinder haben ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. So ist es im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Wo aber fängt dieses Recht an? Und wie steht es um Beschämung und Bevormundung im Kitaalltag? Diese Fragen diskutierten Ingrid Elisabeth Schulz und Sandra Frisch mit anderen Fachkräften im November 2015 in Halle auf der Konferenz »Kinderrechte und Kinderschutz in pädagogischen Organisationen«. Für sie stehen dabei die Kinder im Fokus und die Frage danach, was diese für ein gesundes Aufwachsen brauchen.


»Gewaltfreie Erziehung? Das ist doch eine Selbstverständlichkeit, da brauchen wir gar nicht weiter darüber zu reden!« Das mag oft die erste Reaktion auf dieses sensible Thema sein. Dennoch lohnt es sich, die Begriffe Gewalt und gewaltvolles Handeln immer wieder genau zu betrachten, zu interpretieren und unser eigenes Verhalten daraufhin zu reflektieren.

»Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.« Bürgerliches Gesetzbuch, § 1631 Abs. 2

Zugleich wurde am 2. November 2000 an § 16 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch folgende Ergänzung angefügt:

»Sie [Angebote zur Förderung der Erziehung] sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.«

Die gesetzliche Verankerung des Schutzes der Kinder vor Gewalt und die gewaltfreie Erziehung finden wir als Kernregelung in der UN-Kinderrechtskonvention. Diese wurde im Jahre 1990 von 193 Mitgliedsstaaten der UN ratifiziert. Damit sind diese Mitgliedsstaaten die Verpflichtung eingegangen, ihre nationale Gesetzgebung und Praxis der UNKRK anzupassen. In Deutschland wurde dieses Kinderrecht im Jahre 2000 durch eine Neufassung des § 1631 zur gewaltfreien Erziehung im BGB umgesetzt und durch das Bundeskinderschutzgesetz im Jahre 2012 verstärkt.


Gewalt im Kitaalltag

Im BGB finden wir zunächst eine Aussage zum Erziehungsrecht der Eltern bzw. deren Pflicht, gewaltfrei zu erziehen (siehe Hervorhebung). Pädagogische Fachkräfte erhalten mit dem Betreuungsvertrag für die Zeit der Erziehung, Bildung und Betreuung jedoch ein abgeleitetes Erziehungsrecht (siehe unten). Wie wir sehen werden, kein Recht ohne Verpflichtung.

Ist die formale Kenntnis dieses Rechts der Kinder zumindest unter PädagogInnen allgemein verbreitet, stellt sich im pädagogischen Alltag doch oft die Frage, was das denn genau bedeutet. Denn wo beginnen körperliche Bestrafung, seelische Verletzung und entwürdigende Maßnahmen?
Hier einige Beispiele für gewaltvolles Handeln:

  • das Fesseln von Kindern an Bett oder Stuhl,
  • der Zwang, (auf ) zu essen,
  • die »Ohrfeige, die noch keinem geschadet hat« oder der »Klaps, der doch nicht wehtut«,
  • gern als »hartes Zupacken« relativiertes Treten, Schütteln, Schubsen oder Stoßen von Kindern.


Alle Akteure im Kinderschutz sind sich bei diesen Fällen jedoch schnell einig, dass es sich eindeutig um gewaltvolles Handeln gegenüber Kindern handelt (1). Jegliche Form körperlicher Bestrafung ist unzulässig, auch bei der Gefahrenabwehr.

Lediglich präventives Festhalten der Kinder ist in einem solchen Fall erlaubt. (2)
Oft geht es jedoch subtiler zu:

  • Kinder am Arm ziehen,
  • sie von hinten durch den Raum schieben, wenn sie sich nicht wie erwünscht bewegen,
  • Kinder ohne Ankündigung von hinten mit dem Stuhl an den Tisch schieben,
  • ihnen hinter ihnen sitzend oder stehend den Löffel in den Mund schieben,
  • Kindern ungefragt Essen zuteilen,
  • sie zur Rechtshändigkeit zwingen,
  • Kinder ohne Ankündigung von hinten greifen und sie von einem Ort zu einem anderen heben,
  • ihnen von hinten einen nassen Waschlappen ins Gesicht drücken,
  • sie ungefragt auf Topf oder Toilette setzen oder dorthin zurückdrücken.

Oft ist unnötiger Kraftaufwand im Umgang mit den Kindern zu beobachten, die körperliche Übermacht der pädagogischen Fachkräfte wird so missbraucht. Das geht manchmal soweit, dass sich pädagogische Fachkräfte mit ihrem ganzen Körper über das Kind beugen und es damit an seiner Bewegung hindern.


Seelische Verletzungen

Auch seelische Verletzungen sind laut § 1631 Abs. 2 Satz 2 BGB verboten. Eine am Persönlichkeitsrecht des Kindes orientierte Erziehung wird durch diese Art der Gewalt aufs Gröbste verletzt (3). Als seelische Verletzungen wird demütigendes, kränkendes und herabsetzendes Verhalten gefasst. Darunter fällt beispielsweise das Bloßstellen des Kindes vor anderen Akteuren (4). Wer kennt nicht Aussagen wie »Muss ich dir alles dreimal sagen?«, »Hast du keine Ohren?«, »Nicht du schon wieder!«, »Du bist zu dumm dafür«, »Heute hat sie ja wieder ...«. Solche Aussagen lösen Scham aus – Scham für uns selbst aber auch für andere Menschen. Vielleicht erinnern auch Sie sich an Situationen, als Sie Kind waren und Eltern, Tanten, Onkel oder PädagogInnen Sie durch abwertende Bemerkungen oder Reaktionen kränkten, beschämten und verletzten. Welche Gefühle haben solche Situationen bei Ihnen hinterlassen?

Nicht nur Beschämungen zählen zu den seelischen Verletzungen, sondern auch:
  • ein Kind für längere Zeit allein zu lassen,
  • es (gar im Dunkeln) einzusperren,
  • emotionale Kälte im pädagogischen Umgang,
  • ein Kind nicht oder nur selten zu beachten oder anzusprechen5,
  • respektlose Kommunikation und »Dressur«,
  • Kommunikation, die sich auf einseitige Befehlssätze der PädagogInnen beschränkt (sogar im Befehlston),
  • wenn über die Eltern im Beisein der Kinder schlecht gesprochen wird,
  • wenn Pflegesituationen unachtsam durchgeführt werden und es in diesen keine Kommunikation gibt,
  • wenn Kinder unkommentiert gepackt werden, um in deren Windel oder Hose zu schauen bzw. daran zu riechen oder wenn dies negativ kommentiert wird,
  • Kindern Trost oder körperliche Nähe zu verwehren,
  • auf Müdigkeit, Krankheit, Schwäche, Trauer oder Wut nicht einzugehen,
  • Kindern die Interaktion mit anderen Kindern zu verbieten, sie getrennt zu setzen oder zu isolieren,
  • ihnen Materialien, Essen oder Trinken willkürlich zuzuteilen oder zu entziehen,
  • wenn Kinder erst etwas dürfen, wenn es von der pädagogischen Fachkraft »angesagt« wird.
Darüber hinaus umfassen entwürdigende Maßnahmen noch mehr Verhaltensweisen, die die Würde des Kindes verletzen, beispielsweise auch Bedrohung und Erpressung, wie: »Wenn du nicht aufisst, dann darfst du heute nicht mehr ...« oder »Wenn du nicht schläfst, dann ...«. Über alle bekannten und bewussten gewaltvollen Handlungen hinaus sind zahlreiche weitere subtile gewaltförmige Verhaltensweisen zu finden, die den pädagogischen Fachkräften in seltenen Fällen bewusst sind oder werden.


Folgen von gewaltvollem Handeln

»People will forget what you said, People will forget what you did, But people will never forget how you made them feel.«

Worte sind gesprochen und verhallen, das Gefühl bleibt und brennt sich lebenslang in das Gedächtnis ein. Wie bereits geschrieben, lösen beispielsweise Beschämungen große Schamgefühle bei Kindern aus. Durch gewaltvolles Handeln geschieht jedoch noch viel mehr. Kinder werden verängstigt, verschreckt und eingeschüchtert, wenn sie zum Beispiel in ihrem Handeln immer wieder reglementiert werden und die pädagogischen Fachkräfte das explorierende Handeln der Kinder stets mit Verboten und Sanktionen beantworten.

Denken wir an die Neurobiologen, die ganz klar aussagen, dass körperliche wie soziale Schmerzen vom Gehirn in gleicher Weise verarbeitet werden. Schon lange ist bekannt, dass der emotionale Kontext, in dem etwas gelernt wird, darüber entscheidet, wo und wie etwas im Gedächtnis gespeichert wird.

Kinder sind ebenso wie Erwachsene frustriert, wenn sie ihre Ideen nicht selbst verwirklichen können. Jeder Mensch geht mit Frustration anders um, bei manchen schlägt diese in Aggression um. Andere ziehen sich zurück, verleben den Kitaalltag eher passiv und gehen ihrem Forscherdrang aus Angst vor Sanktionen nicht mehr nach. Aber nicht nur der Drang, Neues zu entdecken, die Welt um sich herum zu begreifen und zu erforschen, wird den Kindern durch gewaltvolles Handeln der PädagogInnen »erfolgreich« abtrainiert, auch ihre ursprüngliche Kreativität geht verloren, wenn sie angehalten werden, alle das Gleiche zu basteln, zu malen oder zu gestalten, und das mit den gleichen Materialien, nach dem gleichen Schema. Individualität und Vielfalt, die unsere Gesellschaft bereichern, gehen verloren – Uniformität hält Einzug in der Kita.

Oft wird es Kindern auch verboten, zu klettern oder zu rennen. Dahinter steht die Annahme, sie könnten andere Kinder dabei umrennen oder sich verletzen. Kinder verhalten sich jedoch meist nicht waghalsig. Sie können ihre Fähigkeiten realistisch einschätzen und diese durch neue Herausforderungen nach und nach erweitern. Dafür brauchen sie unser Vertrauen und unsere Fähigkeit, Situationen aushalten zu können. Werden Kinder aus vermeintlichem Schutz jedoch in ihrem Bewegungsdrang eingeschränkt, erhöht sich die Unfallgefahr enorm, da sie Herausforderungen, auf die sie stoßen, körperlich nicht gewachsen sind oder diese nicht als Gefahren einschätzen können – wurden sie doch von stets Gefahren fern gehalten.

Konfliktsituationen der Kinder auszuhalten, stellt eine weitere Herausforderung für PädagogInnen dar. Kinder müssen lernen, ihre Konflikte auszutragen und zu gemeinsamen Lösungen zu gelangen. Stetige Unterbrechungen und oberflächliche Befriedigungen der Konflikte hindern sie an diesem Lernprozess. Der vielbeschworene Satz »Wir sind alle Freunde«, ist sicher ein guter Wunsch. Doch bemerken wir auch bei uns selbst, dass dem in der Realität nicht so ist. Es gibt Sympathien und Antipathien, sogar scheinbar unüberwindbare Differenzen – authentisch ist es, dazu zu stehen und gleichzeitig einen wertschätzenden Umgang miteinander zu leben.


Schlüsselsituationen für Gewalt

Es fällt auf, dass gewaltförmige Handlungen verhältnismäßig oft beim Essen, Wickeln oder Schlafengehen der Kinder geschehen. Was macht diese sogenannten Schlüsselsituationen so anfällig für dieses Verhalten? Viele pädagogische Fachkräfte empfinden diese Situationen als stressig,


Gemeinsam Händewaschen – eine Schlüsselsituation

Nehmen wir als Beispiel das Hände waschen vor dem Essen. Ein zweijähriger Junge, geht in den Waschraum, macht den Wasserhahn auf und ... entdeckt Spaß mit dem Wasser. Der Wasserhahn geht auf, zu, auf, zu, das Wasser spritzt ins Becken. Oh wie schön, welch neue Erfahrung, das macht Spaß! Hände waschen müssen kann Spaß machen ...

Diese Situation könnte folgendermaßen weitergehen: Die Fachkraft sieht es, stellt den Hahn ab und ermahnt den Jungen, ins Kinderrestaurant zu kommen.
Oder: Der Junge wird nicht unterbrochen, folgt seinem Lernprozess, entdeckt den Hahn und das Wasser mit Freude und Spaß. Die anderen Kinder sind fertig, gehen aus dem Waschraum und der Junge folgt ohne Aufforderung.

Was ist passiert? Der Junge hatte Spaß und hat gelernt, Hände waschen zu müssen kann Spaß machen. Sein Gedächtnis speichert das als positive Erfahrung ab und ruft dies genauso wieder ab. Gleichzeitig ist er der Entwicklungsaufgabe »dazuzugehören« gefolgt, denn als alle den Raum verlassen haben, ist er ihnen gefolgt.




Nicht immer findet sich solche Akzeptanz des kindlichen Tuns bei den pädagogischen Fachkräften. Pädagogische Fachkräfte verspüren oft einen zeitlichen Druck, der dazu führt, dass sie versuchen, das individuelle kindliche Verhalten zu rationalisieren und diese Situationen »zu erledigen«, sollen doch alle Kinder gleichzeitig essen, ins Bad gehen oder schlafen. Auf individuelle Wünsche wird dabei kaum Rücksicht genommen. Erkenntnisbringend kann es sein, sich folgende Fragen zu stellen: Müssen alle Kinder etwas gleichzeitig machen? Kann auf individuelle Wünsche Rücksicht genommen werden? Wie lässt dies der geplante Alltag zu?


Wie entsteht gewaltfreie Erziehung?

Oft geschehen subtile Verletzungen unbewusst, sind sie doch durch jahrelange Sozialisierung im Beruf selbstverständlich geworden. Das eigene Verhalten wird nicht hinterfragt und irritiert selten. Hierfür bedarf es Kolleginnen oder Eltern, die zugleich kritisch und wertschätzend das pädagogische Handeln hinterfragen und somit zu Auslösern für Irritationen werden. Eine geschulte Selbstreflexion und eine gezielte Reflexion im Team sind notwendige Grundlagen, um das alltägliche, eingeschliffene Verhalten auf Gewaltförmigkeit zu hinterfragen und dann zu ändern.

»Der Förderungsauftrag umfasst Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.« Sozialgesetzbuch VIII, § 22

Dieser Gesetzestext ist in zweifacher Hinsicht für das Thema der gewaltfreien Erziehung wichtig. Hier werden die Forderungen an pädagogisches Handeln formuliert. Gleichzeitig wird deutlich, dass gewaltvolles Verhalten im pädagogischen Handeln die Umsetzung dieser Forderungen unmöglich macht.
Gerade die sehr anfälligen Schlüsselsituationen, aber auch andere Alltagssituationen, sollten im Team gründlich diskutiert und durchdacht werden.

Dabei ist es wichtig, auch liebgewonnene Routinen dahingehend zu hinterfragen, ob sie gut für das Wohl der Kinder sind:
  • Wer hat die »gemeinsamen« Regeln aufgestellt und warum?
  • Wurden die Kinder an der Regelaufstellung beteiligt?
  • Warum gibt es bestimmte Abläufe im Kitaalltag?
  • Berücksichtigen diese wirklich die Rechte der Kinder?
  • Kann der Kitaalltag auch anders ablaufen, z.B. ohne zeitlichen Druck für alle Akteure? Was wird dafür benötigt?


Reflexionsfragen zu Schlüsselsituationen


Hinterfragen Sie in Ihrem Team auch weitere Themen, z.B.

Schlaf: Müssen alle Kinder schlafen? Wenn ja, warum? Welche Annahmen stehen hinter unseren vermeintlich gut gemeinten Entscheidungen? Ist es Kindern möglich, sich jederzeit, unabhängig von Schlafenszeiten zurückzuziehen? Wird Schlafen von den Kindern als entspannende, selbstbestimmt gewählte Wohltat empfunden oder als auferlegter Zwang?

Essen: Ist es möglich, das Essen in einem Raum anzubieten, der nicht der Ruheraum der Kinder ist? Können wir es zeitlich flexibel anbieten? In welcher Zeitspanne? Gibt es Selbstbedienung? Haben Kinder die Möglichkeit, am Kochen teilzunehmen, den Essensplan mit zu beeinflussen? Dürfen sie mit allen Sinnen ihr Essen genießen? Haben sie die Wahl zwischen Löffel, Messer und Gabel oder sogar den Händen? Sitzen wir Kindern, denen wir beim Essen helfen, gegenüber? Haben Blickkontakt zu ihnen und kommunizieren mit ihnen? Kündigen wir jeden unverhofften Körperkontakt an? Können die Kinder bestimmen, wie viel, wie lange und was sie essen wollen?

Pflege: Werden die Kinder beim Wickeln beteiligt? Wie? Erklimmen sie die Wickelkommode selbst über ein Treppchen? Haben sie die Möglichkeit, im Stehen gewickelt zu werden, wenn sie das bevorzugen? Können Kinder wählen zwischen Töpfchen, WC oder einer Abwahl von beidem? Dürfen Kinder sich selbst waschen? Kommunizieren wir dabei mit den Kindern, verbal und nonverbal? Geben wir zurückhaltende Hinweise auf noch nicht beachtete oder gewaschene Stellen und bieten Hilfe an, die eine Ablehnung zulässt? Benötigen wirklich alle Kinder genau zur gleichen Zeit eine neue Windel?

Je öfter diese Selbstreflexion, sowie diese Diskussionen im Team stattfinden, desto häufiger kann gewaltfreie Erziehung in der alltäglichen Praxis gelingen.

Schauen wir zum Schluss noch einmal auf unsere Forderung: »Kein Kind darf in der Ecke stehen«, dann geht es dabei um die Forderung, dass Kinder selbstwirksam sein können und respektvoll mit ihnen umgegangen wird. »Alleine!«, »Lena kann das schon« sind deutliche Worte von jungen Kindern, die zeigen, dass sie in der Lage sind, Dinge selbst zu tun. Oft sind Zeit und Sorge der Grund, warum Erwachsene dem Kind voreilig etwas aus der Hand nehmen. Im Bewusstsein, dass Kinder mehr können als ihnen oft zugetraut wird, handelt es sich bei diesem pädagogischen Verhalten um eine Nichtachtung des Rechts auf Entwicklung.

»Behütung ist nicht Anerkennung, sondern Bevormundung!« Professor Dr. Lothar Krappmann sprach dies auf dem Kongress in Halle mit tiefer Überzeugung aus und ergänzte: »Kindern etwas wegzunehmen, was sie schon können, ist ein Stück Entrechtung der Kinder.« Erwachsene, allen voran PädagogInnen, haben die Verpflichtung, Kindern zu ihren Rechten zu verhelfen und ihr eigenes Handeln stets daraufhin zu reflektieren.



Literatur


(1) Vgl. Schleicher, http://www.fzpsa.de/Recht/Fachartikel/familienrecht/gewaltfrei/gewaltfreischleicher
(2) So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/1247, S. 6; ebenso Heger/Schomburg, Kind-Prax 2000, S. 172; Peschel-Gutzeit, FPR 2000, S. 231; Binschus, ZfF 2001, S. 37; Kellner, NJW 2001, S. 797; a.A. bzgl. »anderer körperlicher Erziehungsmaßnahmen« Palandt/Diederichsen, § 1631 Rz. 11 (vgl. Schleicher).
(3) Siehe Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/1247, S. 8
(4) Vgl. Schleicher, http://www.fzpsa.de/Recht/Fachartikel/familienrecht/gewaltfrei/gewaltfreischleicher

Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung vom Verlag Das Netz aus Betrifft Kinder 3-2016, S. 6-11




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