Bindung, Eingewöhnung und Qualität in der KiTa

Inhaltsverzeichnis

  1. Befriedigung der seelischen Grundbedürfnisse
  2. Sichere Bindungsbeziehungen für mutige Exploration
  3. Feinfühlige Zuwendung für eine optimale Gehirnentwicklung
  4. Feste Bezugspersonen auch in der Kindertageseinrichtung
  5. Kindertageseinrichtungen in hervorragender Qualität
  6. Investitionen in die Qualität frühkindlicher Bildung und Erziehung zahlen sich aus
  7. Literatur

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6. Investitionen in die Qualität frühkindlicher Bildung und Erziehung zahlen sich aus


Verschiedene nationale und internationale Forschungsergebnisse zeigen eindrücklich, dass Investitionen in die Qualität der frühkindlichen Bildung den nachhaltigsten volkswirtschaftlichen Nutzen darstellen. Diese Erkenntnis wurde durch die Modellierung der Ökonomen Flavio Cunha & James Heckman wissenschaftlich untermauert und liegt als Modell auch anderen Studien zur volkswirtschaftlichen Rendite frühkindlicher Bildung zugrunde (Cunha & Heckman, 2007; 2008). Cunha und Heckman (2007) gehen davon aus, dass sich die Fähigkeiten eines Kindes in Stufen entwickeln. Die auf verschiedenen Stufen der Kindheit erworbenen Fähigkeiten stehen in Bezug zu einem messbaren späteren sozioökonomischen Erfolg. Ein höherer Bildungsstand geht im statistischen Durchschnitt über den ganzen Lebenslauf hinweg einher mit höherem gesellschaftlichem Status und Wohlstand. Aus der großen Bedeutung der Bildung für den individuellen Lebensstandard leiten Cunha/Heckman (2007) ein ökonomisches Modell des Erwerbs von kognitiven und nicht-kognitiven Fähigkeiten ab. Sie stellen dabei fest, dass sich frühe Ungleichheiten im Erwerb von Fähigkeiten im späteren Leben (Adoleszenz und Erwerbsleben) nur schwer korrigieren lassen. Die Unterschiede, die im Alter von fünf bis zehn Jahren bestehen, setzen sich in der Regel in der weiteren Bildungs- und Erwerbslaufbahn fort (vgl. Cunha/Heckman 2007, 3). Damit kommen sie zum Fazit, dass Investitionen in den Humankapitalaufbau bei Kindern im frühkindlichen Bereich die ökonomisch effizientesten Interventionen im Bildungsbereich sind. Allerdings kann dieser Effekt nur weiter aufrechterhalten werden, wenn darauf weitere Investitionen im Lebenslauf folgen (Cunha/Heckman 2007, 5).

Die von Pfeiffer und Reuß 2008 vorgelegte Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim weist den volkswirtschaftlichen Nutzen von Investitionen in frühkindliche Bildung für Deutschland nach, in dem sie die Modellierung von Cunha und Heckman für Deutschland anwendet. Jeder Euro mehr, den der Staat für die Entwicklung von Fähigkeiten im frühen Kindesalter ausgibt, zahlt sich aus. Bei jährlichen Mehrausgaben von rund 660 Euro für die frühkindliche Bildung eines Kindes im Alter von einem bis sechs Jahren kann sich das spätere Lebenseinkommen des so geförderten Kindes um bis zu rund 55.590 Euro erhöhen. Die ZEW-Studie zeigt, dass benachteiligte Kinder am stärksten von höheren Investitionen im frühen Kindesalter profitieren. Studien wie IGLU oder PISA belegen, dass die Ungleichheit von Fähigkeiten und gemessenen Schülerkompetenzen bereits sehr früh sichtbar und in hohem Maße vom Familienhintergrund abhängig ist. Denn für die Gehirnentwicklung sind die Erfahrungen in der frühen Kindheit, die das Kind im täglichen Umgang mit den Eltern und der Umgebung macht, strukturbildend, im Positiven wie im Negativen. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen sind daher stärker von Schulversagen und späterer Arbeitslosigkeit bedroht als ihre Altersgenossen in einem Umfeld aus kompetenten Erwachsenen, die sich hinreichend um diese Kinder kümmern.

Vor diesem Hintergrund zeigt die Studie des ZEW, dass gerade Kinder mit zu geringen Investitionen in ihre Fähigkeiten überdurchschnittlich hohe Erträge von zusätzlichen frühkindlichen Bildungsinvestitionen erwarten können. Um festzustellen, wie hoch die potenziellen Erträge zusätzlicher staatlicher Bildungsinvestitionen sein könnten, wird in der Studie des ZEW ein Simulationsmodell zur Humankapitalbildung über den Lebenszyklus mit Daten zur Ungleichheit von

Schülerleistungen und Arbeitsverdiensten in Deutschland verbunden. Es zeigt sich, dass bei den zehn Prozent der Kinder mit dem ungünstigsten familiären Hintergrund die zusätzliche Förderung eine Erhöhung des Lebenseinkommens (bis 65 Jahre) um 55.590 Euro bewirken könnte. Bei den zehn Prozent der Kinder mit dem günstigsten familiären Umfeld läge die Erhöhung immerhin noch bei 32.000 Euro.

Auch Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren würden von zusätzlichen staatlichen Investitionen in ihre Entwicklung profitieren, allerdings weniger stark. Bei ihnen hätten staatliche Mehrausgaben von 430 Euro pro Kopf und Jahr in dieser Lebensspanne eine Erhöhung des Lebenseinkommens um bis zu 37.177 Euro für die zehn Prozent Kinder aus ungünstigsten familiären Verhältnissen zur Folge. Für die zehn Prozent der Kinder mit besonders günstigem familiären Umfeld würde sich das Lebenseinkommen um 21.000 Euro erhöhen.

Die Ergebnisse der ZEW-Studie zeigen somit, dass eine Politik, die das Humankapital erhöhen und Ungleichheit abbauen will, stärker in die frühkindliche Entwicklung von Fähigkeiten investieren müsste, dabei aber auch die weitere Qualität der Bildungsangebote sichern muss. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auch die von der Bertelsmannstiftung vorgelegte Studie zum Krippenbesuch (Fritschi & Oesch, 2008). Im Auftrag der Stiftung hatte das "Schweizer Büro für Arbeits- und sozialpolitische Studien" (BASS) die Geburtsjahrgänge von 1990 bis 1995 der in Deutschland geborenen Kinder anhand der Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) analysiert. Von den Kindern in den betrachteten Jahrgängen haben lediglich 16 Prozent eine Krippe besucht. Der Studie zufolge hat die frühkindliche Bildung einen hohen Einfluss auf den späteren Bildungsweg. Für den Durchschnitt der Kinder aus den untersuchten Jahrgängen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, von 36 Prozent auf rund 50 Prozent, wenn sie vorher eine Krippe besucht haben. Für benachteiligte Kinder liegt die Verbesserung der Bildungschancen durch einen Krippenbesuch noch höher. Von diesen Kindern gehen rund zwei Drittel mehr aufs Gymnasium. Bei den Analysen ging die elterliche Bildung und das Familieneinkommen ein. Auch der langfristige volkswirtschaftliche Nutzen durch den verstärkten Ausbau von Krippenplätzen ist erheblich. Ein Gymnasialabschluss erhöht die Wahrscheinlichkeit, ein höheres Lebenseinkommen zu erzielen. Die durchschnittliche Differenz zwischen den erwarteten diskontierten Lebenseinkommen von Personen mit und ohne Abitur beträgt rund 230.000 Euro. Hiervon sind durchschnittlich fast 22.000 Euro an Brutto-Mehreinkommen (inkl. Arbeitgeberbeiträge) auf Effekte des Krippenbesuchs zurück zu führen.

Die Berechnungen basieren auf Querschnittdaten für die Jahre 1996 bis 2005 des Sozioökonomischen Panels (SOEP), zu Preisen von 2005. Damit werden durch den Krippenbesuch eines Kindes volkswirtschaftliche Nutzeneffekte ausgelöst, die nahezu dreimal höher sind als die entstandenen Kosten für den Krippenbesuch von rund 8.000 Euro für eine durchschnittliche Verweildauer von 1,36 Jahren.
 

Diese Erkenntnisse können auch auf die kommunale Ebene angewendet werden

Qualitativ gute Kindertageseinrichtungen können Kindern aus belasteten Familien kompensatorische Beziehungs- und Bildungserfahrungen bieten. Je früher dies möglich ist, desto größer ist die präventive Wirkung, je älter das Kind ist, desto höher sind die „Reparaturkosten“. Ein ausreichendes Angebot an Plätzen für Kinder unter 3 Jahren in guten Kindertageseinrichtungen macht Kommunen für gut ausgebildete Arbeitnehmer attraktiv. Fehlende Angebote führen zum Wegzug dieser jungen Familien und damit der Leistungsträger in der Gemeinde.

Der aktuelle Ausbau der Plätze für Kinder unter drei Jahren bietet uns jetzt die Chance, von Anfang an auf Qualität zu setzen. Zentrales Qualitätsmerkmal frühkindlicher Bildung und Erziehung sind genügend gut ausgebildete Fachkräfte, damit jedes Kind in seiner Bildungsentwicklung feinfühlig begleitet wird. Schlechte Betreuung für Kinder unter drei Jahren wird uns und vor allem unseren Kindern sehr teuer zu stehen kommen – viel teurer als alle Investitionen in gute Bildungsqualität.

 


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